Nicht mal ein Jahr ist es her, da wurde Michael Rensing in einem Atemzug mit Manuel Neuer als Anwärter auf die Nummer Eins der deutschen Nationalmannschaft genannt. Es ist viel passiert in diesem Jahr, und inzwischen soll Rensing lediglich als lächerliche Mitgift fungieren, um Manuel Neuer an die Isar zu lotsen.

18,5 Millionen will Bayern für Manuel Neuer zahlen, so jedenfalls geisterte es gestern durch die Medien. Eine erstaunliche, aber ganz sicher gerechtfertigte Summe, für ein 23-jähriges Riesentalent, das erst am Dienstag seine Länderspielpremiere mit Bravour bestanden hat. Vergessen, übersehen oder einfach verschluckt wurde bei der Diskussion über die Höhe der Ablösesumme, dass die Bayern Michael Rensing als Bonbon obendrauf packen wollen, quasi um den Knappen den Abschied ihres Lieblings zu versüßen. Oder soll man ihn eher als Trostpflaster bezeichnen, einen Keeper, den man nach Jahren im Wartestand, vor der Saison als großen Kahn-Nachfolger gepriesen und mit Lobeshymnen nur so überschüttet hat? Es zeichnet sich ab, was spätestens seit seiner unwürdigen Degradierung vor dem Barcelona-Spiel unumgänglich war: Die Bayern sind nur noch darauf bedacht, Michael Rensing möglichst pietätvoll loszuwerden.

Eine Zukunft für Rensing bei den Bayern, und das war seit Barcelona klar, egal was auch immer behauptet wurde, wird es keine mehr geben. Wenn einem Keeper die ganze Saison über versichert wird, er wäre die Nummer Eins und man würde ihm trotz gelegentlicher Patzer vertrauen, dann kann man ihm dieses Vertrauen nicht vor dem Saisonhöhepunkt entziehen. Jeder, der selber einmal zwischen den Pfosten gestanden hat und seinen Platz für einen Konkurrenten räumen musste, wird nachvollziehen können, wie sich Michael Rensing auf der Ersatzbank des Camp Nou gefühlt hat. Das Klinsmann im ersten Moment noch davon sprach, dass Butt nur dieses eine Spiel bestreiten werde, war lediglich ein Zeichen von Charakterschwäche. Woher sollte ein Michael Rensing das Selbstvertrauen und die Motivation für die Spiele in der Bundesliga nehmen, wenn ihm beim Saisonhöhepunkt jegliches Vertrauen entzogen wird?

Finanziell gesehen, verlief der Einsturz von Rensings Marktwert seit besagter Nacht von Barcelona dramatischer, als der Kursverlust mancher Aktien durch die Wirtschaftskrise. Einfach gerechnet fiel er um 18,5 Millionen Euro, genauer betrachtet zumindest um einen Großteil dieser Summe. Einen motzenden Rensing auf der Bank und einen Jörg Butt, der schon in Leverkusen und Lissabon nicht mehr erste Wahl war, im Kasten, dass können sich die Bayern mit ihren Ansprüchen nicht leisten. Es ist die logische Konsequenz, dass Sie Ihre Fühler nach dem wohl größten Torwarttalent der Bundesliga ausstrecken. Dass sie gleich noch versuchen, Michael Rensing über diesen Weg loszuwerden, könnte man einerseits als cleveren Schachzug, andererseits als äußerst unfair gegenüber ihrer langjährigen Nummer Zwei werten.

Wie dem auch sei, gegenüber dem Kicker beendete Manuel Neuer höchstpersönlich alle Spekulationen. »Das Thema FC Bayern ist durch, Ich habe mich ohnehin nicht damit befasst und hatte keinerlei Kontakt zum FC Bayern«, so der Keeper gegenüber dem Fußballmagazin. Was bleibt? Ein bloßgestellter Michael Rensing, dem durch die Gerüchte wohl auch noch das letzte Fünkchen Selbstvertrauen verloren gegangen ist, und ein Deutscher Rekordmeister, der nur ein Jahr nach dem Karriereende von Oliver Kahn vor einem großen Torwartproblem steht.