16. Spieltag in der Fußballbundesliga: Wolfsburg gegen Hannover. Es läuft die 80. Spielminute. Nach einem mustergültigen Pass von Misimovic legt Dzeko den Ball am herauseilenden Torhüter der Hannoveraner, Florian Fromlowitz, vorbei. Fromlowitz holt den Stürmer von den Beinen.
Schiedsrichter Kinhöfer zögert keinen Moment, zeigt auf den Elfmeterpunkt und obendrein Fromlowitz die rote Karte. Normalerweise schlägt in solch einem Moment die Stunde des Ersatztorwarts. Doch Morten Jensen, eigentlich dritter Torwart im Kader von Hannover 96, zeigt keine Anstalten sich für eine Einwechslung bereit zu machen. Er weiß, dass sein Team schon dreimal gewechselt hat und ist deshalb weiterhin zum Zuschauen gezwungen. Zum Held wird beinahe ein anderer: Mittelfeldspieler Jan Rosenthal zieht sich die Torwarthandschuhe und das Trikot des Rotsünders an, pariert den Elfmeter und hält sein Team dadurch im Spiel. Doch die 1:2-Niederlage kann auch er nicht verhindern.
Was wäre passiert, wenn Hannover 96 sein Wechselkontingent noch nicht ausgeschöpft und Jensen seine Chance erhalten hätte? Hätte er den Elfmeter ebenfalls gehalten und somit einen Einstand nach Maß gefeiert? Darüber lässt sich nur spekulieren. Was zählt, sind jedoch die Fakten: Am Samstag steht das „Kellerduell“ gegen Arminia Bielefeld auf dem Plan. Nationaltorhüter Robert Enke ist noch immer verletzt und Florian Fromlowitz nach seiner roten Karte gesperrt. Und Morten Jensen? „Der kann es!“, sagt Elfmeterkiller Jan Rosenthal. Und auch sein Trainer Dieter Hecking hat zu seinem 21-jährigen Schlussmann „volles Vertrauen“. Bei den Fans ist Jensen allerdings nicht ganz unumstritten. Fragt man nach den Gründen für diese Skepsis, so wird häufig der 34. Spieltag der Saison 2005/2006 genannt. Aufgrund der Verletzungen von Robert Enke und Frank Juric kam Morten Jensen, damals erst 18 Jahre alt, im Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen (Endstand 2:2) zum Einsatz. Er zeigte bei seinem Profidebüt eine insgesamt ausreichende Leistung (kicker-Note 4,5), sah jedoch beim zweiten Gegentor durch Berbatov nicht ganz glücklich aus. Auch Jensens eher wechselhafte Leistungen im U-23-Team der „Roten“ lieferten in der Vergangenheit immer wieder gefundenes Fressen für seine Kritiker. Dass er dort allerdings auch durch sehr gute Paraden aufgefallen ist und am Ende der letzten Saison maßgeblichen Anteil am Aufstieg des Nachwuchsteams hatte, wird oftmals vergessen.
Eines dürfte Jensen, der auf dem Platz einen ruhigen und souveränen Stil verfolgt, seit seinem Profidebüt vor zweieinhalb Jahren gelernt haben: Der Profifußball ist ein verdammt schnelllebiges Geschäft, in dem Erinnerungen an gute Spiele eine sehr geringe Halbwertszeit besitzen.
Im Sommer dieses Jahres kam es nach fünf Jahren Vereinszugehörigkeit bei Hannover 96 fast zum Wechsel von Morten Jensen. Er absolvierte ein Probetraining bei einem niederländischen Zweitligisten, doch letztendlich erzielte man keine Einigkeit. Dieter Hecking ist noch immer der Meinung, dass ein Wechsel „für ihn gut gewesen wäre, um Spielpraxis in der 2. oder 3. Liga zu sammeln“.
Spielpraxis konnte der junge Schlussmann in dieser Saison in neun Regionalliga-Begegnungen sammeln, in denen er 14 Gegentore hinnehmen musste. Am Samstag kommt ein weiteres Spiel hinzu, diesmal allerdings in der Bundesliga. Für Morten Jensen ist es ein Comeback nach zweieinhalb Jahren Abwesenheit. Er ist sich darüber bewusst, dass sein zweites Bundesligaspiel gleichzeitig sein letztes sein könnte. Er weiß jedoch auch, dass es sich genau so gut zu einem Bewerbungsschreiben für weitere Einsätze im Profifußball entwickeln könnte. Ein verdammt schnelllebiges Geschäft...
Kompaktinformation zu Morten Jensen:
Geboren am 20.9.1987 in Husum. Größe: 188 cm. Bisherige Vereine: Rödemisser SV, Husumer SV, DGF Flensburg und seit 2005 Hannover 96. Sein Vertrag bei Hannover 96 läuft noch bis 30.6.2009. 1 Länderspiel für die U19 Deutschland.