Ein wenig traurig sind sie in Dortmund schon: Auch die Borussia hatte
sich um Torhüter Timo Hildebrand bemüht. Doch der siebenmalige
Nationalspieler wechselte zu Ligakonkurrent TSG Hoffenheim und seinem
Ziehvater Ralf Ragnick. Warum das ganz gut so ist, erklärt unser Autor
Alex Raack.
Was Roman Weidenfeller getan hat, als er die Nachricht vom Wechsel Timo
Hildebrands zur TSG Hoffenheim erfuhr, ist nicht überliefert. Einen
kühnen Handstandüberschlag traut man dem massigen Dortmunder Schlussmann
nicht zu, eher wird er grimmig die Faust geballt haben. Denn hätte sich
der BVB das laut Hoffenheimer Aussage stark beschnittene, aber
sicherlich immer noch stolze Gehalt Hildebrand geleistet, Weidenfellers
Zukunft im Westfalenstadion wäre vage gewesen. Zwei Torsteher von
solcher Qualität leistet sich nicht einmal Ligakrösus Bayern München,
die haben hinter dem jungen Michael Rensing Bundesligaoldie Jörg Butt
auf der Bank sitzen, quasi als routinierten Notnagel. Roman Weidenfeller
und Borussia Dortmund: die Beziehung wäre vermutlich zu Ende gegangen
worden.
Jetzt ist der in Spanien sehr unglückliche Hildebrand kein Thema mehr
auf dem winterlichen Transfermarkt. Der 29-Jährige wechselte Berater und
Gehaltsvorstellungen und wird damit der erste fertige Star in der
Hoffenheimer Einkaufspolitik. Roman Weidenfeller und Borussia Dortmund:
die Beziehung ist auf die Probe gestellt worden und hat sich bewährt.
Jetzt tun die Verantwortlichen beim BVB gut daran ihrem Torhüter das
volle Vertrauen auszusprechen. Der kantige Torhüter mag äußerlich so
unangreifbar wirken, wie Rambo im asiatischen Dschungel, die
muskelbepackte Schale umhüllt jedoch einen sensiblen Kern. Weidenfeller endstammt der fast schon legendären Kaiserslautern-Torwartschule. FCK-Urgestein Gerry Ehrmann schleift am
Betzenberg seit Jahren schon aus talentierten Torhütern bundesligareife
Stammspieler, die sich kurioserweise auch optisch fast bis aufs Haar
gleichen. Aktuell sind neben Weidenfeller der Bremer Tim Wiese und
Hannovers Enke-Ersatz Florian Fromlowitz in der deutschen Eliteklasse
aktiv. Bei Zweitligist FCK hat Ehrmann mit Tobias Sippel das womöglich
nächste heiße Eisen im Feuer.
Stärken und Schwächen von Roman Weidenfeller sind weitläufig bekannt:
starke Reflexe, klug in Eins-gegen-Eins-Situationen, sprungstark und
explosiv stehen im Vergleich zur nur durschnittlichen Ballbehandlung mit
dem Fuß – Weidenfeller ist nicht beidfüssig - , zuweilen
unkontrolliertem Stellungsspiel und Spielantizipation und einer
behäbigen Spieleröffnung.
Dennoch, der 1980 in Diez geborene Schlussmann kann in Topform zu den
sieben besten deutschen Torhütern gehören. Schenkt ihm der Verein das
Vertrauen, sieht er seine Leistungen von Mitspielern und Fans bestätigt,
kann er diese Form erreichen. Kritisch wird es, wenn das Selbstvertrauen
sinkt, geschehen nach seiner durchwachsenen Rückkehr nach langer
Verletzungspause. Schon stellten sie sich beim BVB die Frage, ob mit
einem Wackelkandidaten wie Weidenfeller der Angriff auf die europäischen
Ränge überhaupt realisierbar sei. Seit Anfang der Woche steht fest: die
Dortmunder Transferbemühungen, so sie denn den Status eines Gerüchts
überholten, sind umsonst gewesen, Hildebrand geht zu Tabellenführer TSG. Gut für Weidenfeller, gut für Dortmund. Der Verein tat das einzig Richtige und sprach in Person von Geschäftsführer Watzke warme Worte: „Ich kann versichern, dass Roman das Vertrauen der Vereinsführung
genießt.“ Schuster bleib bei deinen Leisten, Dortmund bleib bei deinem
Roman. Seit 418 Minuten ist der Torhüter ohne Gegentor. Besser war nur
einer: Hans Tilkowski hielt seinen Kasten einst 548 Minuten sauber. Das
ist schon 42 Jahren her.