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Rafál Gikiewicz: Der Turnaround zur rechten Zeit

Der 34-Jährige zeigt aktuell gute Leistungen, nachdem er letzte Saison noch auf weniger Zufriedenheit traf

Autor: T. Rübe - 26.09.2022

In Fußball-Deutschland dreht sich gerade wieder einmal alles um den FC Bayern München. Dies liegt aber nicht an dem schon fast traditionellen Erfolg, sondern vielmehr an einer Krise, die einiges im Münchner Umfeld in Frage stellt. Nach drei Unentschieden folgte eine etwas überraschende Niederlage beim FC Augsburg. Knapp 60 km weiter, in Augsburg, dagegen ist die Zufriedenheit größer. Nach 7 Spielen rangieren die Fuggerstädter derzeit mit 9 Punkten auf Platz 11. Zwar ist die Tabelle vor allem in diesen Tabellenregionen noch sehr eng, doch will man in Augsburg möglich frühzeitig mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben. Zu lange herrschte im letzten Jahr die Ungewissheit beim FCA, in welcher Spielklasse man in der nächsten Saison auflaufen werde.

Mit beiden Punkten, also der jetzigen Platzierung und dem langen Kampf gegen den Abstieg in der letzten Saison, ist ein Name, ein Spieler, eng verbunden - Rafál Gikiewicz. Der 34-Jährige Pole rettete mit einigen spektakulären Paraden den Überraschungssieg gegen die nach wie vor übermächtig wirkenden Bayern und wurde zu Recht zum Man of the Match gekürt. Zwar war Gikiewicz freilich nicht für den Siegtreffer zuständig, konnte aber schon einige mehr oder minder sichere Gegentore herausragend vereiteln. Er war an diesem Tag nicht zu überwinden. Ähnlich gute Leistungen zeigte Augsburgs Nummer 1 bereits bei den Siegen gegen Leverkusen und Werder Bremen. Jeweils hielt der Torwart, auch spät in der Partie, den Sieg und die Punkte fest. Dadurch hat Gikiewicz seiner Mannschaft schon einige Punkte gerettet.

Gikiewicz rettet den Augsburgern aktuell einige Punkte

Dies war in der letzten Saison noch anders. Da spielte der Torhüter, der im Mai 2019 zur polnischen Nationalmannschaft eingeladen wurde, dort aber ohne Einsatz blieb, durchwachsen. Ihm unterliefen einige, teilweise auch gröbere, Unsauberkeiten im Spielaufbau und auch auf der Linie agierte der 1,90 m große Keeper bei weitem nicht so stark wie derzeit. Bereits in der letzten Saison wurden Stimmen im Augsburger Umfeld laut, die sich gegen Gikiewicz aussprachen. Selbst Tomas Koubek wurde im Saisonendsport wieder als ernstzunehmende Alternative von manchen angesehen.

Dabei gilt Koubek in Augsburg längst als durchgefallen. Der Tscheche kam 2019 für 7,5 Mio. Euro von Stade Rennes und wurde bei seiner Ankunft als Stammtorhüter angepriesen. In der Fuggerstadt war man sich sicher, einen starken Torhüter verpflichtet zu haben, der mithelfen könnte, den Verein auch im europäischen Geschäft zu etablieren. Die Realität war aber eine andere. Koubek konnte nicht überzeugen und wurde noch während der Spielzeit 2019/2020 durch Luthe ersetzt. Dieser wechselte dann im Sommer 2020 zu Union Berlin. Von dort kam kurioserweise auch die neue Nummer 1, Rafál Gikiewicz.

Der Pole hatte in seiner ersten Saison in der Ersten Bundesliga mit Union Berlin eine tolle Saison gespielt. Die Eisernen spielte eine gute Runde und liefen letztlich als Elfter ein. Vor allem defensiv wusste man zu überzeugen, was auch an Gikiewicz lag. Dieser präsentierte sich vor allem im 1 gegen 1 und auf der Linie stark und passte somit genau in den Berliner Spielstil. Umso verwunderlicher war, dass der Vertrag des damals 32-Jährigen nicht verlängert werden sollte. Somit erfolgte ein kurioser Ringtausch. Gikiewicz ging ablösefrei nach Augsburg und der bisherige Augsburger, Andreas Luthe folgte in Berlin. Dabei bestand aber zwischen beiden Transfers kein unmittelbarer Zusammenhang. Während Luthe bei Union zu einem persönlichen und auch mannschaftlichen Höhenflug ansetzte, lief es für Gikiewicz bei seinem neuen Arbeitgeber eher durchwachsen.

Der polnische Torwart erwischte beim FCA einen etwas holprigen Start

Zwar war der FCA froh, den polnischen Torwart ablösefrei verpflichten zu können, doch konnte der Schlussmann nicht konstant seine Leistung aus Unioner Zeiten abrufen. Dort war der Torhüter in seinen 2 Jahren durch starke Leistungen und dem historischen Aufstieg in die Bundesliga zum absoluten Leistungsträger und auch Publikumsliebling avanciert. Dabei lief Gikiewicz bereits zuvor für den SC Freiburg zweimal in der Bundesliga auf. Bei den Breisgauern konnte er aber damals nicht Alexander Schwolow aus dem Tor verdrängen, als er 2016 für eine Mio. Euro von Eintracht Braunschweig zum Sportclub wechselte.

In Braunschweig zuvor war der Torhüter, der 2010 polnischer Pokalsieger und Super Cup-Sieger mit Jagiellonia Bialystok und 2012 polnischer Meister mit Slask Wroclaw wurde, über zwei Jahre hinweg Stammtorhüter und konnte sich bei seiner ersten Station in Deutschland in der Zweiten Bundesliga auf Anhieb als Stammspieler durchsetzen. Gikiewicz mit seinen bald 35 Jahren ist überdies erfahren und gefestigt genug, um auch schlechtere Phasen zu überstehen. Dies beweist er auch ganz aktuell, denn noch in der Transferperiode wurde vehement über ihn und seine Leistungen diskutiert. Ein konkretes Interesse der Augsburger an Finn Dahmen von Ligakonkurrent FSV Mainz wurde bekannt und der FCA machte auch keinen Hehl daraus, den ehemaligen deutschen U21 Nationaltorhüter als langfristige Nummer 1 aufbauen zu wollen. Gikiewicz spielte offenbar zu diesem Zeitpunkt eher kurz- bis maximal mittelfrisitig eine Rolle in den Planungen der Fuggerstädter. In den ersten Spielen der neuen Bundesliga-Saison konnte der Torhüter nicht vollends verstummen lassen, was jedoch auch an den Eindrücken der letzten Saison noch lag. Zu diesem Zeitpunkt wirkte seine starke Leistung beim 2:1 Auswärtserfolg gegen Bayer 04 Leverkusen wie der berühmte Ausreißer nach oben. Doch der Torhüter steigerte sich und spätestens seit dem 0:1 Auswärtserfolg in Bremen bewies der Torhüter, dass mit ihm nun stärker denn je zu rechnen sein könnte. Dort hielt der Torhüter in der Nachspielzeit einen Elfmeter und rettete seiner Mannschaft so den Sieg. Was allerdings noch ins Gewicht in dieser Situation fiel, war der Umstand, dass er den Elfmeter mit der Bremer Fankurve im Rücken hielt.

Wie der Keeper nach dem Spiel berichtete, musste er auch beleidigende Kommentare über sich ergehen lassen. Unter diesen Eindrücken provozierte er auch noch das Bremer Publikum, indem er nach der Parade das Publikum mit einer Geste zum Schweigen aufforderte. Auch gegen die Bayern eine Woche später wurde es erneut offensichtlich, dass Gikiewicz seit der Diskussion um seine Person noch einmal andere Attitüde an den Tag legt. Zwar war er immer ein emotionaler Torhüter, der auch seine besonderen Paraden feierte, doch spielt nun noch mehr mit dem Publikum und zeiht aus allen Reaktionen weitere Motivation. Zwar neigen emotionale Torhüter bisweilen zum Überdrehen, doch scheint sich der Routinier jetzt richtig gefunden zu haben. Gikiewicz gegenüber BILD:  „Über mein Selbstvertrauen brauche ich nicht zu reden, das ist ganz oben.“ Dieser Turnaround kommt dabei auch zur rechten Zeit, denn zum Einen zerschlug sich die angestrebte Verpflichtung von Finn Dahmen, sodass der FCA auf starke Leistungen des Torhüters angewiesen ist.

Seine Zukunft in Augsburg ist dennoch nicht sicher, auch aufgrund seines Alters

Zum anderen geht es aber für den Torwart selbst um die Zukunft. Der Vertrag läuft im Sommer aus. Eine etwaige Vertragsverlängerung wurde bisher noch nicht besprochen, doch scheint dies nur eine Frage derzeit zu sein. Die BILD hingegen wollte eine Aussage des Torhüters im Interview als Ultimatum an seinen Verein verstanden haben. Grinsend sagte der Keeper: „Schauen wir, was am 14. November passiert. Dann können sie ja schauen, ob sie einen Jungen holen, denn ich bin ja zu alt, das habe ich ja gezeigt in den letzten Wochen." Diese Aussage war nicht natürlich nicht so dramatisch gemeint, wie es anmutet, denn die Ironie war aus dieser Aussage nicht zu überhören. Trainer Enrico Maaßen zeigte sich sehr überzeugt von seiner Nummer 1: „Was er Woche für Woche für Leistungen zeigt, sensationell." Auch Manager Reuter zeigte sich nunmehr sehr zufrieden mit seinem Torhüter und möchte sich mit dem Torhüter zu gegebener Zeit zusammensetzen, um über eine weitere Zusammenarbeit zu verhandeln. Die Augsburger Allgemeine berichtete gleichzeitig aber, dass es eine Option in dem Arbeitspapier des 34-Jährigen gäbe, der eine Verlängerung um ein Jahr vorsieht, wenn der Torwart eine gewisse Anzahl an Saisoneinsätzen erreicht. Wie die Zeitung weiter schreib, soll sich diese Anzahl bei um die 20 Einsätzen liegen. Sollte sich der Torhüter nicht verletzen, wird diese Klausel also nach jetzigem Stand definitiv aktiv werden.

Auch Gikiewicz selbst meldetet sich bezüglich des vermeintlichen Ultimatums auf Instagram zu Wort und stellte klar: „Ich möchte eine Sache hier klarstellen: Ich hatte und habe mit Stefan Reuter und Enrico Maaßen und allen Beteiligten beim FCA ein sehr gutes Verhältnis. Ich bin immer voll fokussiert auf unsere Spiele. Ich mache mir im Moment absolut keine Gedanken über meinen Vertrag. Ich stehe bis Juni 2023 voll im Dienst meiner Mannschaft und unserer Fans. Das möchte ich zum angeblichen Ultimatum hier mitteilen." Vielleicht wird diese Aussage bald dahingehend obsolet, als dass die Vertragslaufzeit noch länger als bis Juni 2023 andauern wird.

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