Wieses Schwächen eiskalt ausgenutzt
Wer die Stärken von Tim Wiese, dem Bremer Torhüter, wissen möchte, braucht den stets sonnenstudio-gebräunten Sportler mit dem breiten Kreuz bloß selber fragen. Um selbstbewusste Antworten ist Wiese noch nie verlegen gewesen. Sehr gut möglich wäre es also, dass sich der Bremer bei dieser Frage durchs blondierte Haupthaar fahren würde, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, um dann mit seinem leichten Ruhrpottslang (Wiese ist in Bergisch Gladbach geboren) zu antworten: „Schnelligkeit, Zweikampfverhalten, Reflexe auf der Linie und natürlich meine Athletik.“ Die ist allen Torwartjüngern von Kraftpaket Gerry Ehrmann (Kaiserslautern) von Natur aus auf dem Weg mit gegeben. Was Wiese nicht in eigene Lobeshymnen einbauen würde: Stellungsspiel und Strafraumbeherrschung. In beiden Disziplinen offenbarte der Nationalspieler im Dienstagabend-Spiel gegen Panathinaikos Athen in der Champions League große Mängel. Nicht das erste Mal.
Stürmer, die alleine mit dem Ball am Fuß auf Wiese zustürmen, müssen ein großes Hindernis überwinden, um sich für den Torerfolg feiern zu lassen. Der 1,93-Meter große Torhüter weiß seinen kompakten Körper äußerst erfolgreich einzusetzen, seit er in Bremen trainiert hat sich zusätzlich auch seine Technik verbessert. Wiese ist noch reflexstärker geworden. Alles herausragende Attribute seines Torwartspiels. Das Problem ist nur, dass kaum ein Torwart auf seinem internationalen Niveau so einfach mit angeschnittenen Bällen aus der Ferne zu überlisten ist. Wiese fällt es offensichtlich schwerer einen souveränen Job zu leisten, wenn der Gegner über ein oder sogar zwei echte Kunstschützen verfügt. Der Grieche Georgios Karagounis ist so ein Kunstschütze. In seinem rechten Fuß steckt Magie und Brillanz, seine Ecken und Freistöße waren es, die den hünenhaften Griechen (allen voran der ehemalige Bremer Charisteas) bei der EM 2004 die Bälle mustergültig auf die Schädel schnibbelten. Griechenland wurde überraschend Europameister. Auch in den beiden Gruppenspielen gegen Werder war es die exzellente Schusstechnik von Karagounis, die die Partien entschied. Im Hinspiel sorgten seine scharf in die Mitte getretenen Eckstöße für so viel Gefahr, dass der Ex-Frankfurter Mantzios die Bremer Verwirrung zweimal per Kopf gewinnbringend ausnutzte. Beim Rückspiel am Dienstag vertraute Athens Trainer Henk ten Cate auf dasselbe Mittel. Gegen die teilweise jämmerlich verteidigenden Bremer ging sein Rezept auf. Schon nach 13 Minuten wäre Wiese beinahe von Karagounis überwunden worden. Dessen Freistoß aus 35 Metern hatte der Bremer völlig verschätzt, Glück für Werder, dass der Ball an die Unterlatte segelte und Mantzios beim Nachsetzen nicht genügend Druck hinter seinen Kopfball brachte. Zu wenig Arbeit bekam hingegen Athens Torhüter Galinovic, lediglich Rosenberg prüfte den Kroaten mit einem Aufsetzer (23.), der hatte seine Probleme und konnte den Ball nur knapp um den Pfosten lenken. In der 29. Minute parierte er indes prächtig, Pizarro hatte einen Freistoß vom ansonsten blassen Diego aufs Tor gelenkt, Galinovic wischte den Ball mit den Fingerspitzen aus der Gefahrenzone.
Das Bremer Desaster sollte erst nach der Pause beginnen: nach 58 Minuten wurde der zweifache Torschütze aus dem Hinspiel, Mantzios, im Bremer Strafraum bedient, mit einer einfachen Körperdrehung hebelte er den plumpen Pasanen aus und ließ Wiese aus 13 Metern mit einem Flachsschuss keine Chance. 12 Minuten später hatte Karagounis dann seinen ganz großen Auftritt, als er nach einem Einwurf unbedrängt aus 25 Metern aus halblinker Position volley abziehen konnte. Wiese, der wieder zu weit vor seinem Tor stand, erreichte den Ball im Rückwärtsfallen nicht mehr. Tziolis machte mit dem 3:0 in der 83. Minute schließlich das Heimdebakel für den deutschen Teilnehmer perfekt.