Zahlreiche Gegentore
von Alexander Raack
Es war ein torreicher Spieltag, so kurz vor der Winterpause, und den Ballfängern
zwischen den Bundesligapfosten dürfte das nicht gefallen haben. Rowan Fernandez
zum Beispiel ist zu bedauern. Sein Pech besteht darin hinter der momentan
wohl schlechtesten Defensive der Liga zu stehen. Nachdem Stammkeeper Hain
(Anbruch des Brustbeins) erneut seinen Platz räumen musste, bekam der Südafrikaner
zwar genügend Möglichkeiten sich zu beweisen, doch gleich sechsmal war er chancenlos:
Seine Vorderleute hatten schlicht vergessen, wie man in den obersten deutschen
Spielklasse Tore verhindert. 38 Gegentore hat die Arminia bislang kassiert,
und noch brisanter ist die Auswärtsbilanz: 28 Treffer in acht Partien bedeuten
Saisonrekord. An den beiden Torhütern aus Bielefeld liegt das allerdings nicht.
Auf der Gegenseite nutzte Roman Weidenfeller wieder einmal gekonnt
die Möglichkeit sich zum Deppen zu machen: Als seine Mannschaft schon längst
mit den Gedanken beim Jubel in der heimischen Kurve war, rutschte dem in dieser
Saison schon häufiger auffälligen Weidenfeller ein harmloser Schuss von Oliver
Kirch durch die Beine. Die internen Diskussionen um die Torhüterposition in
Dortmund werden weitergehen.
Normalerweise sind Fußball-Torhüter eine Spezies Mensch, die rein optisch
betrachtet, auch in jedem zweitklassigen Hollywood-Action-Film ein paar Sekunden
Bühnenpräsenz bekommen würden. Muskulöse Brocken, deren furchteinflössende Mimik
die anstürmenden Gegner bereits vor dem Schuss psychologisch einschränken können.
Nicht ohne Grund nahm es Oliver Kahn vor wenigen Jahren in einem Werbespot
mit einem zähnefletschenden Löwen auf. Kahn sorgte beim Spiel seiner Bayern
gegen Duisburg übrigens für einen der wenigen Höhepunkte, als er nach einem
Tritt von Idrissou zehn Minuten vor dem Ende seine berüchtigte "Kahn-Rolle"
präsentierte und mit dem Ball im rechten Arm über den Rasen kullerte. Die Folge:
Platzverweis für den Duisburger Stürmern.
Bochums Keeper Rene Renno hat nicht nur einen harmlosen Namen, er sieht
auch so wenig bedrohlich aus, wie jeder zweite Supermarkt-Abteilungsleiter.
Gegen den KSC dürfte es allerdings nicht seine Körpersprache gewesen sein, die
das 2:1 für die Gastgeber ermöglichte: Zu weit war Renno aus seinem Kasten gesprintet,
nur, um sich dann von Timm ausspielen zu lassen. Sebastian Freis besorgte den
Rest.
Für die Highlights des Spieltags sorgten die Nordrivalen aus Hannover und
Bremen. Sieben Tore fielen in einer äußerst umkämpften Partie, der "kleine HSV"
konnte zum Schluss als Sieger das Feld verlassen. Und auch im direkten Torwartduell
hatte Hannover den leichten Vorteil. Robert Enke und Tim Wiese
sind schließlich ohne Zweifel zwei der besten Tormänner im deutschen Fußball
und gelten als potentielle Kandidaten für die Nummer Eins im Tor der Nationalmannschaft.
Wiese katapultierte sich allerdings auf seine ganz eigene Art vor wenigen Monaten
aus dem Rennen, einfach, weil der lautstarke Bremer Schlussmann Löw und
Torwarttrainer Köpke verbal attackierte. Enke ist das komplette Gegenbild
zu Wiese: Ruhig, sachlich und ohne viel Firlefanz bei seiner Arbeit zwischen
den Pfosten. Beide Keeper spielten am Samstag eine tadellose Rolle im Derby.
Gewonnen hat aber Robert Enke, der mit seinen Hannoveraner gezeigt hat, dass
auch Champions-League-erprobte Mannschaften keine zu hohe Hürde für die Niedersachsen
bedeuten.
In Cottbus dürften sie die Torhüterfrage inzwischen beantwortet haben. Gerhard
Tremmel befindet sich in absoluter Topform und sprüht vor Einsatzfreude.
Zwei Komponenten, die dafür sorgten, dass Tremmel gegen den Hamburger SV auch
Tore verhinderte, die für den außenstehenden Beobachter gar nicht zu halten
waren. Die SZ würdigte den Cottbusser mit einer Überschrift: "Arme aus
Gummitwist" dichtete ihm die Tageszeitung an und fand damit wohl die
richtigen Worte: Dort wo die Hamburger, allen voran der ehrgeizige Paolo Guerrero,
den Ball hin schossen, da hatte Tremmel bereits seine Arme und Hände in Position
gebracht. Nicht ohne Grund liegt Tremmel momentan bei der Wahl zum besten
Torwart des Spieltages bei torwart.de vorne.
Aufsehen erregte auch André Lenz, der im Wolfsburger Tor momentan den
geschassten Simon Jentzsch ersetzt. Nach der Niederlage des VfL gegen
de wiedererstarkten Stuttgarter, bei denen Raphael Schäfer eine sehr
starke Leistung bot, konterte Lenz die Frage nach dem möglichen Winterzugang
Jens Lehmann in die VW-Stadt mit der überraschenden Selbsterkenntnis: "Ich
bin besser als er." Ganz so übertrieben groß, wie diese Aussage es vermuten
lässt, wird das Ego von Lenz allerdings nicht sein. Der 34-jährige weiß, dass
er seinen Platz im Bundesliga-Tor wohl nur vorübergehend besetzt, neben Nationalkeeper
Lehmann ist auch Timo Hildebrand ins Gespräch gebracht worden, um die
weiterhin hohen Ambitionen der VW-Bosse und Fußballchef Magath zu verwirklichen.
Und auch Timo Ochs (aktuell Red Bull Salzburg) ist in das Raster der
suchenden Verantwortlichen gerutscht. Bei so viel potentieller Konkurrenz sei
André Lenz ein wenig Spaß im ernsten Bundesligageschäft nicht vergönnt.