Tim Wiese und der Elfmeter
Nein, Tim Wiese, der Bremer Torhüter, wird in diesem Leben ganz sicher nicht einen Job als Diplomat antreten. Der bullige Sonnenstudio-Liebhaber würde innerhalb von wenigen Tagen und Pressekonferenzen vermutlich sogar Kanada und die Schweiz in blutige Bürgerkriege stürzen. Denn Wieses Herz pocht auf seiner Zunge und deshalb hat er sich nach seinem üblen Tritt gegen Hamburgs Olic unter der Woche im Nordderby vor die Kameras gestellt und behauptet: „Ich habe erst den Ball gespielt, dann ist er in mich rein gerannt.“ Diese recht eigenwillige Aussage haben die Hamburger Medien noch weiter an den Rand des Wahnsinns gebracht, vor Empörung und Wut schäumend kleckerten sie heftige Kommentare und Interviews in ihre Blätter. Unter anderem durfte sich Olic´ Frau über die Geschehnisse am Mittwoch auslassen („So litt ich mit meinem Mann auf der Tribüne“).
Tim Wiese scheint entweder keine Zeitung zu lesen oder die ganze Aufregung geht im schlicht am gegelten Scheitel vorbei. Schließlich klebt der Kopf des Kroaten noch auf dessen Hals, wozu also die ganze Posse? Also stürmte er fröhlich grinsend aus seinem Tor, um beim Stand von 3:0 einen Elfmeter zu schießen. Die Fans hatten ihren Torhüter lautstark gefordert und der reagierte. Doch verbietet es der Anstand, dass ein Torhüter den Gegner damit provoziert, wenn er 80 Meter über den Platz sprintet, um gegen seine Kollegen anzutreten. Von Ausnahmen wie Hans-Jörg Butt mal abgesehen. Werders Leitwolf Thorsten Frings jedenfalls raunzte Wiese wie ein strenger Vater ab und schickte ihn mit einem „Hau ab!“ zurück in sein Tor. Wiese reagierte zwar gehorsam, doch war er noch Minuten später sichtlich beleidigt. Sie haben ein kleines trotziges Kind im Körper eines Bullen zwischen den Bremer Pfosten. Ein trotziges Kind mit Talent, denn vermutlich spielt der SV Werder auch im nächsten Jahr wieder in der Champions League.