Ob sich Oliver Kahn inzwischen über die Szene amüsiert, die einst die ganze Bundesliga verzückte? 1993, der später bei Bayern München zum Welttorhüter aufgestiegene Kahn hielt seine Knochen noch für dem Heimatklub Karlsruhe hin, hatte der geniale Nigerianer Jay-Jay Okocha die gesamte KSC-Abwehr genarrt, Kahn dabei gleich mehrfach böse aussteigen lassen, um den Ball schließlich doch noch mit der Picke ins Tor zu dreschen. Im „krankhaft ehrgeizigen“ (Kahn über Kahn) Torhüter wird ein Feuer gelodert haben von unvorstellbarer Brennkraft. Fraglich, ob sich Kahn davon inzwischen erholt hat. In jedem Fall ist er (und mit ihm ganz Fußball-Deutschland) Zeuge eines ähnlich fantastischen Treffers geworden. Zwar tänzelte der Wolfsburger Grafite am Samstag-Nachmittag nicht annähernd so filigran durch den gegnerischen Strafraum, wie einst der Frankfurter Okocha – das lässt allein Grafites beeindruckende Physiognomie nicht zu – doch der Treffer zum 5:1 war schlichtweg überragend. Der bullige Brasilianer hatte sich in den Strafraum getankt, umkurvte Ottl und Lell, spitzelte den Ball dann an Bayern-Keeper Michael Rensing vorbei, wackelte schließlich noch seinen insgesamt schwachen Gegenspieler Breno aus und schob den Ball lässig mit der Hacke in Zeitlupe über die Linie. Michael Rensing hätte gerne geschrien und getobt, wie sein großes Vorbild, blieb aber stumm vor Erstaunen. Wann wurde der FC Bayern zuletzt so gedemütigt? Wahrscheinlich als Oliver Kahn noch Haare bis zu den Schultern hatte.