Enke auf der Anklagebank
„Das willst du mir doch nicht anhängen?!“, soll Robert Enke, der deutsche Nationalkeeper in Diensten von Hannover 96 zu einem Reporter gesagt haben, als dieser ihn vorsichtig auf eine mögliche Mitschuld Enkes am zweiten Schalker Gegentreffer hinweisen wollte. Enke, sonst einer dieser unglaublich nüchternen und sachlichen Fußball-Profis der Gegenwart, ein in sich ruhender Mensch, ist die Nervosität auch noch nach dem Schlusspfiff im Gelsenkirchener Stadion „AufSchalke“ anzumerken. Seit der Rücktrittsankündigung von Jens Lehmann aus dem deutschen Tor (82% der torwart.de-User halten diese Entscheidung übrigens für durchaus richtig), ist der Konkurrenzkampf um die Nachfolge des Stuttgarter Torhüters entbrannt. Mittendrin: Robert Enke, der am 24. August bereits seinen 31. Geburtstag feiert. Sein Widersacher um die neue nationale Nummer Eins ins René Adler, der Überflieger der vergangenen zwei Jahre. Wohl zu Recht hält Enke der deutschen Medienlandschaft vor, sie würden diesen jungen talentierten Mann mit den blonden Haaren deutlich mehr „pushen“. Die Sportreporter sind fasziniert vom schnellen Aufstieg Adlers, seinen spektakulären Paraden, seiner forschen Höflichkeit. Enke pocht darauf, dass er bereits seit mehr als zehn Jahren verlässlichen Dienst auf der Linie verrichtet, als er in Barcelona und Lissabon unter Vertrag stand, klebte sich Adler noch die Poster aus der Bravo-Sport an die Wand. Jetzt ist Adler verletzt, er fällt mehrere Wochen aus. Enke kann sich in der Zeit beweisen, die Öffentlichkeit von seinen Fähigkeiten überzeugen. Dann kam der erste Spieltag, Hannover auf Schalke. Enke hatte ein ganz unglückliches Spiel. Die drei Treffer fielen jeweils nach einer Standartsituation, und zumindest beim dritten Treffer von Kuranyi (64.) musste sich Enke anschließend fragen lassen, warum er so konsequent auf seiner Linie stehen geblieben war, anstatt mit einer rigorosen Aktion den Ball vor dem Kopf von seinem Nationalmannschaftskollegen zu erwischen. Vor dem ersten Tor hatte sich Enke hingegen aus seinem Tor bewegt, doch die Ecke von Rakitic falsch berechnet, als er wieder zurück in sein Tor lief, hatte Marcelo Bordon die Verwirrung in der 96-Abwehr bereits zum 1:0-Kopfballtreffer genutzt. Joachim Löw soll irgendwo im Stadion gesessen haben. Robert Enke hat sich schon einmal besser präsentiert.
Beim FC Schalke stand mit Mathias Schober ausgerechnet der Torwart-Vertreter für den verletzten Manuel Neuer im Tor, der vor mehr als sieben Jahren mit seiner äußerst ungeschickten Rückpass-Annahme den entscheidenden indirekten Freistoß für den FC Bayern verursacht hatte, den Patrik Anderson schließlich zum Treffer genutzt hatte, der den Münchenern die Meisterschaft sicherte und Schalke in den trauernden Wahnsinn stürzte. Er bot eine sehr ansprechende Leistung. Und einen Rückpass wird er wohl seinem ganzen Leben nicht mehr aufnehmen.