Starker Jens Lehmann

Jens Lehmann hat sich in seiner langen Karriere schon eine ganze Menge vorwerfen lassen müssen. Doch niemals, dass er immer für eine Überraschung gut ist. Mit Lehmann im Tor wird es sicherlich nicht langweilig. Nach seiner eher dürftigen Leistung bei der EM in Österreich und der Schweiz, seinem erwarteten Rücktritt aus der Nationalmannschaft hatten einige Beobachter den Modellathleten bereits abgeschrieben. Beim VfB Stuttgart würde er nun den Winter seiner Karriere einläuten, den dort in desaströser Form spielenden Raphael Schäfer zu ersetzen sei ohnehin keine große Kunst. Doch bei seiner Rückkehr in das deutsche Oberhaus spielte der dreifache WM- und EM-Teilnehmer ganz und gar nicht wie „Väterchen Frost“. Vielmehr bot er gegen den Aufsteiger aus Mönchengladbach die Facetten seiner Klasse. Er wehrte gekonnte präzise Fernschüsse ab (wie gegen Matmour) oder pauschte seinen breiten Körper so gekonnt vor Angreifern auf, dass diese plötzlich ein Zittern im Schussbein verspürten. Und noch eine Qualität kommt Lehmanns Torwartspiel nun zu Gute: Seit er das letzte Mal für Borussia Dortmund in der Bundesliga verteidigte hat sich Lehmann zu einer international bewunderten Persönlichkeit im Tor entwickelt. Seine Gegenspieler wissen, dass ihnen der Lehmann gegenüber steht, der 2003 mit dafür verantwortlich war, dass Arsenal London nach langer Odyssee wieder englischer Meister wurde (und dabei nicht eine Niederlage kassierte), dass es der Lehmann ist, der schon im Champions-League-Finale stand (wenn auch nicht sehr lange), Argentinien 2006 aus dem WM-Turnier warf und in diesem Sommer erst im EM-Finale an Spanien scheiterte. Fußball ist zu einem wesentlichen Teil auch Psychologie. Fußballspieler sind sensible Kerlchen, auch wenn das im rauen Bundesligaalltag häufig nicht so wirkt.

Die Borussia-Stürmer jedenfalls agierten geschickt – und scheiterten dennoch an Lehmann. So eine Rückkehr auf die deutsche Bühne hatte sich Lehmann gewünscht, auch wenn er beim üblichen Frage-und-Antwort-Spiel nach dem Schlusspfiff extrem lässig und cool blieb. Wie üblich. Bleibt Lehmann diese Form erhalten, hat der VfB Stuttgart nach einjähriger Unterbrechung mal wieder kein Torwartproblem.

Es wäre nach dem ersten Spieltag bösartig zu behaupten, dass der Aufsteiger aus Mönchengladbach ein solches Problem habe. In Christopher Heimeroth steht ein guter Torwart zwischen den Gladbacher Pfosten, allerdings: Sein Rückkehr in die erste Liga hatte sich Heimeroth sicherlich anders vorgestellt. Beim ersten Treffer der Partie durch Thomas Hitzlsperger (15.) sah der Torhüter sehr unglücklich aus.