Die Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren gierig auf eine neue Typisierung im Fußball gestürzt, die vorwiegend auf die Torhütergilde zielt. Der„moderne“ Spieler, sei das, was Deutschland brauche, vor allem einen „modernen Torhüter“. Diese scheinbar neu Spezies von Torhütern verkörperten idealerweise die blutjungen und sensationell debütierenden Manuel Neuer und René Adler. „Modern“ meint hier: Ein Torhüter, der die klassischen Fähigkeit von guten Torstehern besitzt – gute Reflexe, stark im Zweikampf, Fangvermögen, Sprungkraft – und zusätzlich eine neue Form des ausgestorbenen Liberos darstellt. Also: Den Ball auch mit Fuß ähnlich gut beherrschen kann, wie ambitionierte Oberligafußballer, das Spiel lesen kann, freie Räume entdeckt und das Spielgerät entsprechend zügig in jene Freiräume befördert. Im schnelllebigen Fußball der Gegenwart, der vor allem in Überzahlsituationen Spiele entscheidet, eine notwendige Funktion. Nun gelten Oliver Kahn und Frank Rost nicht unbedingt als Idealbesetzung für diesen neuen Typus. Eher sind die beiden Routiniers (Kahn: 38 Jahre, Rost: 34 Jahre) noch Torhüter der „alten“ Generation: Muskelbepackt, robust und stark, mit irren Reflexen ausgestattet und brüllenden Anweisungen aus dem eigenen Fünft-Meter-Raum. Mitspieler sehen es ungern, wenn Rost und Kahn den all mit dem Fuß spielen müssen, als Feldspieler hätten sie wohl höchstens Bezirksoberligaformat. Gute Torhüter zeichnet es allerdings aus, dass sie bis zum Karriereende stetig dazulernen. Ein Sepp Maier hat das getan, selbst ein Uli Stein. Kahn und Rost haben das neue Verständnis von mitspielenden und mitdenkenden Torhütern begriffen, sie haben an sich gearbeitet. Mit Erfolg. Erst jüngst offenbarte eine Statistik, dass ausgerechnet Torwartdino Oliver Kahn der Schlussmann mit den meisten gelungenen Spieleröffnungen ist. Keiner bringt die Bälle exakter und sinnvoller an den Mann, als Kahn. Ähnlich ist es bei Frank Rost, der so genaue Abwürfe und Abschläge im Repertoire hat, dass selbst Wilhelm Tell neidisch sein dürfte. Im Spiel der Bayern gegen den HSV zeigten beide Torhüter diese Fähigkeiten mehr als einmal: Das defensive Spiel der Hamburger lebt von schnellen Kontern, also hetzte Rost nach gelungenen Paraden oft wie von der Tarantel gestochen an die Grenze seinen 16ers um den entsprechenden Spielzug einzuleiten. Und auch Kahn bildete mit Luca Toni ein unschlagbares Gespann: Abschlag Kahn, Brustannahme Toni. Zum alten Eisen gehören Kahn und Rost noch lange nicht.