torwart.de konnte exklusiv mit Peter Greiber, dem Torwarttrainer des VfL Bochums, sprechen. Greiber ist seit Jahren eine Institution beim VfL. Dabei erzählt er von seinem Torwarttraining und der Nachwuchsphilosophie beim VfL!
torwart.de: Wie ist dein aktuelles Set-Up im Torhüterteam des VfL Bochums?
Peter Greiber: Wir haben zur Zeit 4 Torhüter im Lizenzspielerkader, Manuel Riemann, Felix Dornebusch, Florian Kraft und Martin Kompalla.
torwart.de: Manuel Riemann ist deine Nummer eins. Was zeichnet ihn aus?
Greiber: Manuel Riemann zeichnet sein professionelles Verhalten im täglichen Training und im Wettkampf aus, er hat den Anspruch jedes Spiel gewinnen zu wollen
torwart.de: Wie ist für dich die Beziehung zwischen den Trainern und den Torhütern geprägt?
Greiber: Die Beziehung zwischen Torwarttrainer und Torhütern sollte geprägt sein von einem vertrauensvollen und respektvollen Umgang miteinander. Konkurrenzkampf untereinander ist zwingend erforderlich, jedoch ist es Aufgabe des Torwarttrainers, diesen auf rein sportlicher Ebene auszutragen. Hierzu ist eine offene, direkte und ehrliche Ansprache sowohl auf als auch außerhalb des Platzes notwendig. „Alle sind wichtig“, nicht nur der Torhüter, der aktuell als Nummer 1 aufs Feld läuft, und das müssen die Torhüter wissen und auch spüren.
torwart.de: Wie ist dein Torwarttraining aufgebaut?
Greiber: Unser Torwarttraining richtet sich in erster Linie nach den Anforderungen und Aufgaben, die der Wettkampf, sprich das Spiel stellt! Daher versuchen wir, schwerpunktmäßig spielnahe zu trainieren, d.h. die Torhüter durch komplexe Übungsformen in Situationen zu versetzen, in denen sie dem Spiel entsprechend Entscheidungen treffen müssen. Dies bezieht sich innerhalb eine Trainingswoche auf die Schwerpunkte Ziel-/Raumverteidigung, Spieleröffnung und Spielfortsetzung. Anregungen erhält man einmal durch die Rückmeldung seiner Torhüter (dabei ist es meiner Meinung nach wichtig, auch kritische Anmerkungen zuzulassen) und zum anderen durch Austausch mit Kollegen, die eine ähnliche Trainingsgestaltung bevorzugen.
torwart.de: Wie schaut eure Torwartphilosophie aus?
Greiber: Torwartphilosophie ist meines Erachtens ein sehr hochtrabendes Wort. Wie bereits erwähnt versuchen wir unsere Torhüter, insbesondere die jungen Torhüter des NLZ spiel- bzw. wettkampfnah auszubilden. Dabei ist es wichtig, in allen Ausbildungsbausteinen eine aktive Haltung anzunehmen. Aktiv bedeutet für uns, die Torhüter versuchen über die gesamte Dauer des Spiels/Trainings im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluß auf das Spielgeschehen zu nehmen. Dies heisst nicht, jede Aktion auf dem Feld zu kommentieren,sondern vermeiden, in eine passive Rolle zu fallen, in der ausschließlich reagiert wird. Die Torhüter sollen im Rahmen unterschiedlicher Spielsysteme entsprechende Verhaltensweisen zeigen; sowohl bezüglich der Spieleröffnung/Spielfortsetzung als auch in der Raumverteidigung. Auch bei der Zielverteidigung kann der Torhüter unserer Meinung nach „Signale“ senden (z.B. durch sein Positionsspiel) die einen passiven oder aktiven Charakter besitzen. „Wir wollen aktiv sein und nicht passiv auf das warten, was da kommt!“
Infos zu Peter Greiber:
- Nationalität: Deutschland
- Geburtstag: 28.10.1968
- Verein:Vfl Bochum
- Liga:2. Liga
- Position: Torwarttrainer
- Bisherige Vereine als Trainer: 1995-1998 1.FC Köln Trainer im Nachwuchsbereich
1998-2002 1.FC Köln Torwarttrainer Nachwuchs U10 bis U23
2002-2005 1.FC Köln Torwarttrainer Lizenzspielerkader/U23/U19
2005-heute VfL Bochum Torwarttrainer Lizenzspieler/U23/Leitung und Organisation Torwarttraining Nachwuchsbereich
- Besonderes: Zahlreicher Artikel über Torwarttraining im Nachwuchs und Seniorenbereich (Fachzeitschrift: fußballtraining)
2002 Veröffentlichung Fachbuch Gehalten (Englische Ausgabe: The complete keeper)
2009 Veröffentlichung Neuauflage Gehalten
torwart.de: Wie planst du deine Trainingswoche?
Greiber: Ich arbeite täglich mit meinen Torhütern. Zeit und Inhalte richten sich zum einen nach den Inhalten des Feldspielertrainings, zum anderen nach den Bausteinen, die innerhalb einer Trainingswoche regelmäßig trainiert werden (Raum-/Zielverteidigung, Spieleröffnung und Spielfortsetzung)
torwart.de: Wie ist für dich die Entscheidungsgewalt geregelt?
Greiber: Das Mitspracherecht richtet sich aus meiner Sicht in erster Linie nach der Einstellung/Auffassung des Cheftrainers bezüglich der Zusammenarbeit mit seinem Trainerstab. Ich habe im Laufe meiner Tätigkeit als Torwarttrainer die Erfahrung gemacht, dass es Cheftrainer gibt, die jegliche Entscheidung bezüglich der Torhüter in die Hände des Torwarttrainers legen, andere wiederum den Austausch suchen, sich aber die endgültige Entscheidung vorbehalten. Dies ist auch meiner Meinung nach absolut legitim! Jedoch sollte immer der Grundsatz gelten: Nach außen wird jede Entscheidung, wie immer diese auch ausfallen mag, als gemeinsame Entscheidung transportiert!
torwart.de: Gibt es den perfekten Torhüter?
Greiber: Bei dieser Frage würde ich die Gegenfrage stellen: „ Wann ist man ein guter und wann ein sehr guter Torhüter?“ Die Antwort auf diese Frage ist meiner Meinung nach stets subjektiv. Der Wert eines Torhüters richtet sich aus meiner Sicht nach dem sportlichen Wert bzw. seinem Beitrag zum Gesamterfolg der Mannschaft. Sicherlich ist bei einem Torhüter wie auch einem Feldspieler irgendwann das Maximum dessen erreicht, was er im Stande ist zu leisten. Die Kunst besteht darin zu erkennen, wann dieser Punkt erreicht ist. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich es für nicht sinnvoll und zielführend halte, insbesondere „gestandenen“ Torhütern neue Bewegungsmuster aufzuzwingen, nur um meiner Rolle als „Ausbilder“ gerecht zu werden. Ein stabilisieren des vorhandenen Potentials scheint mir in diesem Fall effizienter, um ihn so mit einem Maximum an Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten auszustatten. In diesem Zustand ist er in der Lage, seiner Mannschaft am besten zu helfen. Sicherlich ist es Aufgabe des Torwarttrainers, gerade jungen talentierten Torhütern die Tools an die Hand zu geben die sie benötigen, um den Anforderungen des Wettkampfs auf höchstem Niveau gerecht zu werden. Je talentierter dieser Torhüter dann ist, desto schneller und intensiver findet dieser Prozess statt und desto höher wird das zu erreichende Niveau seiner torwartspezifischen Fertigkeiten. Ob er diese jedoch letztendlich auf aller höchstem Niveau unter Druck/Stress etc. abrufen kann und wird, liegt nicht mehr in der Hand des Torwarttrainers. Selbstverständlich versucht man, seinen Schützling so gut es geht auf das vorzubereiten, was ihn erwarten mag, „schlauer ist man allerdings erst später“.
torwart.de: Gibt es deiner Meinung nach unhaltbare Bälle?
Greiber: Auch bei der Frage haltbar oder unhaltbar scheiden sich meiner Meinung nach die Geister. Rein theoretisch wird es wohl keine unhaltbaren Bälle geben, tatsächlich wird die Bewertung von Gegentoren in vielen Fällen vom subjektiven Empfinden des Betrachters abhängen. Dabei halte ich von Standardfloskeln (kurze Ecke ist Torwartecke/wenn er kommt muß er ihn haben/5m Raum ist Torwartraum etc.) überhaupt nichts. Die klaren Torwartfehler sind für jeden zu erkennen und können meiner Meinung nach auch am schnellsten mit dem Torhüter ab- und verarbeitet werden. Fehler passieren, jedem Torhüter egal auf welchem Spielniveau. Ist jedoch bei der Analyse von Gegentoren ein bestimmtes Muster zu erkennen, besteht Handlungsbedarf. Dieses Muster muss anhand von Videoanalysen als solches erkannt werden (dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass der betreffende Torhüter dies ebenfalls erkennt). Durch gezielte Trainingsinhalte sollten dann Torhüter und Torwarttrainer versuchen, dieses Muster zu durchbrechen und das Fehlverhalten abzustellen. Auch der Faktor Glück sollte nicht völlig vergessen werden. Der Torhüter kann aus seiner Sicht alles richtig machen und doch relativ chancenlos sein. Umgekehrt werden gehaltene Bälle von vermeintlichen Experten als unhaltbar deklariert, das torwartspezifische Fehlverhalten jedoch ausschließlich durch das situative Glück verschleiert.
torwart.de: Wie kann der VfL Bochum im Nachwuchsbereich besonders punkten?
Greiber: Grundsätzlich müssen wir im Nachwuchsbereich des VfL Bochum gegen den Standortnachteil ankämpfen, sowohl bei der Verpflichtung von Torhütern als auch von Feldspielern. Die direkte Nachbarschaft mit BvB und S04 macht dieses Unterfangen nicht unbedingt leichter. Aus diesem Grund müssen wir versuchen, talentierte Torhüter zu verpflichten, bevor unsere finanzstarken Nachbarn auf diese aufmerksam werden. Unser stärkstes Argument dabei ist die Qualität der Ausbildung. Ich denke, dass wir uns auf diesem Gebiet vor niemandem verstecken müssen, was auch die relativ große Anzahl an Verbandsauswahltorhütern in unseren Reihen dokumentiert. Auch schaffen regelmäßig Torhüter aus diesen Mannschaften den Sprung in den engen oder erweiterten Kader der Jugendnationalmannschaften.
torwart.de: Was für eine Art des Profils suchst du als Torhüter?
Greiber: Bei der Rekrutierung von Spielern müssen wir unterscheiden zwischen dem Profi- und dem Nachwuchsbereich. Im Profibereich liegt die tatsächliche Verpflichtung eines Torhüters nicht alleine im Zuständigkeitsbereich des Torwarttrainers. Verschiedene Faktoren müssen dabei berücksichtigt werden, ein ganz entscheidender ist der finanzielle. Interessante Kandidaten werden analysiert und dann gemeinschaftlich verpflichtet/versucht zu verpflichten/nicht verpflichtet oder eigene abgegeben. Ich favorisiere dabei den „allrounder“, heißt einen Torhüter der auf allen relevanten Gebieten Qualität zeigt mit dem Potential der Weiterentwicklung. Im Nachwuchbereich obliegt die Verpflichtung von Torhütern bis in den Übergangsbereich (U17/19) den Torwarttrainern der Nachwuchsabteilung in Zusammenarbeit mit dem jeweils verantwortlichen Jahrgangstrainern. Besonders bei den Jahrgängen im Grundlagenbereich ist dabei weniger der aktuelle Leistungsstand entscheidend, sondern vielmehr das vermutete/erkannte Entwicklungspotential. Bei eventuellen Verpflichtungen für die Jahrgänge der U17/19 ist eine direkte Absprache mit der Profiabteilung gegeben.
torwart.de: Wie arbeitet ihr beim VfL untereinander zusammen?
Greiber: Ich denke, dass wir bei der Torhüterausbildung eine enge Zusammenarbeit und Verzahnung zwischen Nachwuchs- und Profiabteilung aufweisen können. Der Nachwuchsbereich wird abgedeckt durch 3 weitere Torwarttrainer, Sören Rittmeier, Jan Terhorst, Bruno Staudt sowie Marc Sowinski für die Damenabteilung. Die konzeptionelle Ausrichtung wurde zusammen erarbeitet und wird schwerpunktmäßig durch diese drei umgesetzt. Dabei arbeitet diese Gruppe sehr eng und jahrgangsübergreifend zusammen. Sören Rittmeier koordiniert dies und gibt die wöchentlichen Trainingsschwerpunkte vor. Die U19 obliegt auch trainingstechnisch meinem Verantwortungsbereich, jedoch werde ich hier von Sören Rittmeier regelmäßig unterstützt und wenn nötig entlastet. Häufig bilden wir zu Wochenanfang eine größere Trainingsgruppe bestehend aus U17/19, so daß ich hier die Möglichkeit habe, mich auch über den aktuellen Leistungsstand des U17 Jahrganges zu informieren. Alle Spiele unserer U17 und U19 Bundesligamannschaften werden für mich zudem von unseren Videoanalysten zusammengeschnitten. So bin ich in der Lage, mir ein Bild über die Leistungen unserer Torhüter im Wettkampf zu machen. In regelmäßigen Treffen werden Probleme besprochen, die aktuellen Jahrgänge analysiert etc. !
torwart.de: Wie bildest du dich weiter?!
Greiber: Im Laufe der Zeit entwickeln sich engere Kontakte zu Kollegen aus allen Leistungsbereichen. Man tauscht sich aus, bespricht Trainingsinhalte oder informiert sich über Torhüter im Junioren- bzw. Seniorenbereich.
torwart.de: Wo siehst du dich selbst in einigen Jahren?
Greiber: Schwer zu sagen, Fußball kann ein sehr kurzlebiges Geschäft sein, wobei ich sagen muss, dass der VfL Bochum nach 10 Jahren 1. FC Köln nicht nur für mich sondern auch für meine Familie eine zweite Heimat und unser Lebensmittelpunkt geworden ist. Von daher hoffe ich, meinen bisher 12 ½ Jahren VfL noch ein paar weitere hinzufügen zu dürfen.
torwart.de: Danke, Peter!
Greiber: Bitte sehr und gerne!
Kommentare (0)
Keine Kommentare vorhanden!