torwart.de: Welche Situation ist denn besser?
Thiel: Das lässt sich schwer beantworten. Druck kann zwar auch mal förderlich sein, aber Druck hast du ja sowieso in der Bundesliga. Daher weiß ich nicht, ob ein erheblicher Unterschied besteht. Ich würde einen anderen Punkt anbringen: Wenn du eine Konstellation mit klarer Nr.1 hast und dahinter jedem im Torwartteam klar ist, welche Rolle und welche Aufgaben er hat, kann das optimal sein. Wenn man so eine Konstellation hinbekommt, dann funktioniert das auch. Das hängt am Ende aber sicherlich auch von der Nummer Eins und deren Eigenmotivation ab.
torwart.de: Kommen wir auf die anderen Torhüter in deinem Team. Was war der Grund zur Verpflichtung von Andres Palop?
Thiel: Es war vor allem der Erfahrungswert. Andres hat so viele Titel gewonnen wie die ganze Mannschaft zusammen nicht: Er hat 3x den UEFA Cup gewonnen, wo er sogar ein Tor im Halbfinale erzielte und war 2008 Europameister. Auch das Verständnis für seine Rolle hinter Bernd Leno war ein wichtiger Aspekt. Für ihn war das völlig klar und er macht das richtig klasse. Es herrscht zwar eine sprachliche Barriere, aber die macht er über seine sozialen Kompetenzen wett.
torwart.de: Welche Aspekte konnte er mitbringen?
Thiel: Die spanische Torwartschule ist durchaus anders, das merkt man Andres auch an. Die Spanier sind äußerst dynamisch und dort wird in kurzen, kleinen Aktionen gearbeitet. Außerdem bringt Andres trotz seines Alters von 40 Jahren so viel Ehrgeiz und Spaß mit, das ist schon bemerkenswert!
torwart.de: David Yelldell dagegen scheint es schwierig zu haben.
Thiel: David ist ein Toptyp, nicht nur weil er einen sehr guten Draht zu Bernd und zum Rest der Mannschaft hat. Er kommt jeden Tag zur Arbeit und liefert professionell seinen Job ab. Zudem ist er absolut gewillt, sich zu verbessern und das hat er in den letzten 2 Jahren getan! Das war für mich eine tolle Erfahrung, weil ich ja aus dem Jugendbereich kam und anfänglich skeptisch war, ob man sich mit über 30 Jahren noch bedeutend weiterentwickeln kann. Man kann! Und auch wenn ihm die Spielpraxis etwas fehlt, denke ich, dass er Qualität und Charakter hat, um ohne Probleme auf gutem Niveau im Tor zu stehen.
torwart.de: Welche Ziele kann man für eine Nummer drei und vier setzen?
Thiel: Ich denke, für die Torhüter hinter der Nr.1 ist es enorm wichtig, dass man Entwicklungsziele setzt, an denen sie sich orientieren können, wenn die Spielpraxis fehlt. Diese Ziele beziehen sich auf technische und taktische oder auch athletische Inhalte. Wichtig ist immer, den Spiegel vorzuhalten und Vorher und Nachher zu vergleichen. Ich glaube, daraus kann man schon eine gewisse Motivation ableiten. Aber natürlich ist es auch unerlässlich, hin und wieder die Dinge dann in Testspielen oder bei der 2.Mannschaft aufs Parkett zu bekommen.
torwart.de: Zu guter Letzt gibt es ja noch Niklas Lomb bei euch.
Thiel: Niklas ist einer unserer talentiertesten Nachwuchstorhüter. Bei ihm ist es so, dass seine Weiterentwicklung über das hohe Trainingsniveau in der Profimannschaft und vor allem die Spielpraxis in der 2.Mannschaft funktioniert, was ich elementar für die Torhüter aus der Jugend finde. Nach nunmehr 2 Jahren ist Niklas jetzt bereit für den nächsten Schritt. Ihm traue ich zu, sich im Profifußball zu etablieren.
torwart.de: In dieser Serie standen einige Torhüter in der Bundesliga in der Kritik. Wie siehst du dies aktuell?
Thiel: IDas war vor allem in der Hinrunde ein Thema. Mittlerweile hat sich dies relativiert. Torhüter stehen aber immer verstärkt unter Beobachtung und Fehler fallen auf der Position nun mal immer besonders auf.
torwart.de: Ist Deutschland immer noch top im Torwartbereich?
Thiel: Wir haben aktuell sicherlich ein sehr hohes Niveau - aber wir tun auch gut daran, die Ausbildung der Torhüter, auch über zusätzliche Qualifikationen der Torwarttrainer, weiter voranzutreiben, um den Spitzenplatz zu verteidigen. Die anderen Nationen schlafen nicht.
torwart.de: Freust du dich auch persönlich auf die WM?
Thiel: Ja, klar! So große Turniere sind das Salz in der Suppe, und da schaut man auch als Torwarttrainer genauer hin, wie sich die Torhüter auf dieser großen Bühne präsentieren. Besonders bin ich darauf gespannt, ob die Keeper, die sich in diesem Jahr medial in der Kritik befanden, auch bestehen können.
torwart.de: Abschließend noch: Wie bewertest du deinen Job bisher und die Erlebnisse?
Thiel: Der Job ist sehr spannend und bringt vielfältige Dinge mit sich und es ist schon toll, wenn man beispielsweise im OldTrafford einläuft und dort gegen Manchester United spielen kann. Aber wir haben dort 2:4 verloren und dann macht es genau so wenig Spaß, wie wenn man auf dem Bolzplatz von nebenan verliert. Ich liebe meine Arbeit und die Möglichkeit, Torhüter weiterzuentwickeln!
torwart.de: Danke für das interessante Gespräch, David.
Thiel: Sehr gerne.
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