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D. Thiel: "Bernd verdient es zur WM"

von Tobias Schlitzke


David Thiel ist seit beinahe zwei Jahren Torwarttrainer bei Bayer 04 Leverkusen. torwart.de sprach mit dem Coach über den Werdegang von Bernd Leno, die Geheimnisse der Elfmeterschmiede und über die nahende WM.

torwart.de: David, Bernd Leno ist zurzeit in aller Munde, was die Elfmeter betrifft. Was ist sein Geheimnis?

David Thiel: Bernd hat einen guten Instinkt, dann aber auch die Möglichkeit, sich schnell in eine Ecke abzudrücken. Vor allem seine Explosivität gepaart mit der Geduld, lange stehen zu bleiben, ist sein Geheimnis. Aber wie Bernd immer wieder betont, gehört am Ende auch eine Portion an Glück dazu.

torwart.de: Kann man das trainieren?

Thiel: Wir machen kein spezielles Elfmetertraining, aber das explosive Abdrücken aus einer ruhenden Ausgangsposition trainieren wir durchaus, und dieses Training hilft dann natürlich auch bei einer Elfmetersituation.

torwart.de: Sieht man bei Bernd den Unterschied zu den anderen Torhütern von euch bei Elfmetersituationen?

Thiel: Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Bernd und den anderen Torhütern, aber auch die „killen“ unheimlich viele Elfmeter. Andrés Palop hatte in der Winterpause einen gehalten, David Yelldell ebenso im Winter und in einem Spiel der U23 und Niklas Lomb hielt in einem Testspiel im Sommer ebenfalls einen Elfmeter. Die Jungs haben also eine noch bessere Quote als Bernd – nämlich 100% (schmunzelt).

torwart.de: Wie geht Bernd mit diesem Erfolg des „Elfmeterkillers“ um?

Thiel: Bernd ist ein Junge, der total auf dem Boden geblieben ist, selbst wenn er mal überragende Leistungen bringt. Das zeichnet ihn aus. Aber klar, wenn er im Spiel einen Elfmeter hält und er damit der Mannschaft helfen kann, dann genießt er das hinterher natürlich auch - wenn auch nicht immer nach außen. Im Spiel selber pushen solche Aktionen ungemein.

torwart.de: Sucht Bernd eigentlich auch während des Spiels mal einen Blick zu dir?

Thiel: Während der Spiele ist Bernd immer sehr fokussiert und zieht sein Ding durch. Wenn es etwas zu verändern gibt, dann nur in der Halbzeit oder in der Analyse nach dem Spiel.

torwart.de: Wie hat sich Bernd in den letzten Jahren verändert?

Thiel: Entwickelt hat er sich auf jeden Fall. Inhaltlich vor allem auf dem Gebiet der Flanken, wo er mittlerweile eine unglaubliche Sicherheit hat, und im Bereich des seitlichen Abdrucks, den wir eben schon bei den Elfmetern thematisiert hatten. Und auch in den Spieleröffnungsaktionen wird er immer besser. Natürlich ist auch als Person eine Entwicklung im Gange: Bernd ist zwar immer noch ein junger Mensch, aber mittlerweile in seinem 3.Profijahr mit Spielen in der Bundesliga, der Europa League und vor allem in der Champions League. Das heißt, er gewinnt immer mehr an Erfahrung auf höchstem Niveau dazu. Und wenn du älter wirst und an Erfahrung gewinnst, dann setzt ein natürlicher Reifeprozess ein.

torwart.de: Planst du eigentlich kurz- oder langfristig mit ihm?

Thiel: Es gibt zwar einen langfristigen Plan, aber viel entscheidender sind die kurzfristigen Ziele. Step by Step – das ist seine und auch meine Philosophie. Dabei gilt es, fast von Spieltag zu Spieltag zu schauen und immer wieder seine Leistung abzurufen und zu verbessern. Denn von zu langfristigen ganz großen Zielen kann man schnell abgelenkt werden, wenn man den Weg dorthin vergisst!

torwart.de: Thematisiert ihr auch die Nationalelf?

Thiel: Natürlich ist das zwischendurch Thema. Bernd will das aber nicht über große Worte, sondern vor allem über seine Leistung schaffen. Für mich gehört er absolut zu den besten Torhütern in Deutschland. Obwohl er so jung ist, schafft er es seit 3 Jahren mit sehr konstanten Leistungen in Bundesliga, Europa League und Champions League auf höchstem Niveau zu überzeugen! Es wäre absolut berechtigt, wenn er in der Auswahl wäre!

torwart.de: Wie sehr könnte Bernd eine WM weiterbringen?

Thiel: Ich denke schon, dass ein solches Turnier gerade für einen jungen Spieler einen enormen Erfahrungswert darstellt. Immerhin bist du wochenlang mit den besten Spielern dieses Landes zusammen.

torwart.de: Soll ein Torwart solche Ziele auch offen kommunizieren?

Thiel: Ich finde, Ziele sollte jeder Sportler haben und es ist auch okay, diese auszusprechen. Wichtiger ist aber, was man bereit ist dafür zu tun. Bernd will, wie gesagt, über seine Leistung in die Nationalmannschaft kommen.

torwart.de: Hat sich Andy Köpke eigentlich mal bei dir gemeldet?

Thiel: Nein, bisher habe ich noch nicht mit Andy Köpke gesprochen.

torwart.de: Ein anderes Thema: In der Vorrunde gab es einige Diskussionen über Vereine, die ähnlich starke Keeper im Verein hatten und es beinahe so schien, als dass diese Entwicklung am Ende nichts Positives gebracht hatte.

Thiel: Die Situation ist doch auch immer abhängig davon, wie hoch die Qualität der Nummer eins ist. Wir haben zum Beispiel eine Konstellation, die relativ klar ist. Das haben nicht unbedingt alle Vereine, aber doch einige wie die Bayern mit Neuer oder Dortmund mit Weidenfeller.

torwart.de: Welche Situation ist denn besser?

Thiel: Das lässt sich schwer beantworten. Druck kann zwar auch mal förderlich sein, aber Druck hast du ja sowieso in der Bundesliga. Daher weiß ich nicht, ob ein erheblicher Unterschied besteht. Ich würde einen anderen Punkt anbringen: Wenn du eine Konstellation mit klarer Nr.1 hast und dahinter jedem im Torwartteam klar ist, welche Rolle und welche Aufgaben er hat, kann das optimal sein. Wenn man so eine Konstellation hinbekommt, dann funktioniert das auch. Das hängt am Ende aber sicherlich auch von der Nummer Eins und deren Eigenmotivation ab.

torwart.de: Kommen wir auf die anderen Torhüter in deinem Team. Was war der Grund zur Verpflichtung von Andres Palop?

Thiel: Es war vor allem der Erfahrungswert. Andres hat so viele Titel gewonnen wie die ganze Mannschaft zusammen nicht: Er hat 3x den UEFA Cup gewonnen, wo er sogar ein Tor im Halbfinale erzielte und war 2008 Europameister. Auch das Verständnis für seine Rolle hinter Bernd Leno war ein wichtiger Aspekt. Für ihn war das völlig klar und er macht das richtig klasse. Es herrscht zwar eine sprachliche Barriere, aber die macht er über seine sozialen Kompetenzen wett.

torwart.de: Welche Aspekte konnte er mitbringen?

Thiel: Die spanische Torwartschule ist durchaus anders, das merkt man Andres auch an. Die Spanier sind äußerst dynamisch und dort wird in kurzen, kleinen Aktionen gearbeitet. Außerdem bringt Andres trotz seines Alters von 40 Jahren so viel Ehrgeiz und Spaß mit, das ist schon bemerkenswert!

torwart.de: David Yelldell dagegen scheint es schwierig zu haben.

Thiel: David ist ein Toptyp, nicht nur weil er einen sehr guten Draht zu Bernd und zum Rest der Mannschaft hat. Er kommt jeden Tag zur Arbeit und liefert professionell seinen Job ab. Zudem ist er absolut gewillt, sich zu verbessern und das hat er in den letzten 2 Jahren getan! Das war für mich eine tolle Erfahrung, weil ich ja aus dem Jugendbereich kam und anfänglich skeptisch war, ob man sich mit über 30 Jahren noch bedeutend weiterentwickeln kann. Man kann! Und auch wenn ihm die Spielpraxis etwas fehlt, denke ich, dass er Qualität und Charakter hat, um ohne Probleme auf gutem Niveau im Tor zu stehen.

torwart.de: Welche Ziele kann man für eine Nummer drei und vier setzen?

Thiel: Ich denke, für die Torhüter hinter der Nr.1 ist es enorm wichtig, dass man Entwicklungsziele setzt, an denen sie sich orientieren können, wenn die Spielpraxis fehlt. Diese Ziele beziehen sich auf technische und taktische oder auch athletische Inhalte. Wichtig ist immer, den Spiegel vorzuhalten und Vorher und Nachher zu vergleichen. Ich glaube, daraus kann man schon eine gewisse Motivation ableiten. Aber natürlich ist es auch unerlässlich, hin und wieder die Dinge dann in Testspielen oder bei der 2.Mannschaft aufs Parkett zu bekommen.

torwart.de: Zu guter Letzt gibt es ja noch Niklas Lomb bei euch.

Thiel: Niklas ist einer unserer talentiertesten Nachwuchstorhüter. Bei ihm ist es so, dass seine Weiterentwicklung über das hohe Trainingsniveau in der Profimannschaft und vor allem die Spielpraxis in der 2.Mannschaft funktioniert, was ich elementar für die Torhüter aus der Jugend finde. Nach nunmehr 2 Jahren ist Niklas jetzt bereit für den nächsten Schritt. Ihm traue ich zu, sich im Profifußball zu etablieren.

torwart.de: In dieser Serie standen einige Torhüter in der Bundesliga in der Kritik. Wie siehst du dies aktuell?

Thiel: IDas war vor allem in der Hinrunde ein Thema. Mittlerweile hat sich dies relativiert. Torhüter stehen aber immer verstärkt unter Beobachtung und Fehler fallen auf der Position nun mal immer besonders auf.

torwart.de: Ist Deutschland immer noch top im Torwartbereich?

Thiel: Wir haben aktuell sicherlich ein sehr hohes Niveau - aber wir tun auch gut daran, die Ausbildung der Torhüter, auch über zusätzliche Qualifikationen der Torwarttrainer, weiter voranzutreiben, um den Spitzenplatz zu verteidigen. Die anderen Nationen schlafen nicht.

torwart.de: Freust du dich auch persönlich auf die WM?

Thiel: Ja, klar! So große Turniere sind das Salz in der Suppe, und da schaut man auch als Torwarttrainer genauer hin, wie sich die Torhüter auf dieser großen Bühne präsentieren. Besonders bin ich darauf gespannt, ob die Keeper, die sich in diesem Jahr medial in der Kritik befanden, auch bestehen können.

torwart.de: Abschließend noch: Wie bewertest du deinen Job bisher und die Erlebnisse?

Thiel: Der Job ist sehr spannend und bringt vielfältige Dinge mit sich und es ist schon toll, wenn man beispielsweise im OldTrafford einläuft und dort gegen Manchester United spielen kann. Aber wir haben dort 2:4 verloren und dann macht es genau so wenig Spaß, wie wenn man auf dem Bolzplatz von nebenan verliert. Ich liebe meine Arbeit und die Möglichkeit, Torhüter weiterzuentwickeln!

torwart.de: Danke für das interessante Gespräch, David.

Thiel: Sehr gerne.


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