torwart.de
führte mit dem Stammtorwart von Arminia Bielefeld, Mathias Hain, ein ausführliches
Interview. Mathias Hain ist einer der konstantesten Torhüter der Bundesliga.
Der 31-jährige durchlief bereits die beiden Bundesligen und spielte auch
mehrere Jahre in der Regionalliga bei Eintracht Braunschweig. Aufgrund seiner
langjährigen Erfahrung konnten wir ein sehr ausführliches Gespräch
mit Mathias Hain zu den Bereichen Karriere, Torwarttraining, Material und Aktuelles
führen. Das Interview werden wir Euch in zwei Teilen bei torwart.de präsentieren.
Teil 1 findet Ihr hier.
torwart.de: Wie bist Du ins Tor gekommen ?
Mathias Hain: Ich habe einen älteren Bruder, Uwe Hain, der bereits in
der Bundesliga bei Braunschweig, St. Pauli, HSV, VfL Wolfsburg spielte. Dadurch
bin ich bereits in früheren Jahren in das Tor gegangen, weil alle natürlich
gesagt haben, dass Du als kleiner Bruder vom großen Torwart ins Tor gehörst.
Also bin ich in der F-Jugend bereits im Tor gestanden. Allerdings habe ich dann
von der E-Jugend bis zum älteren Jahrgang B-Jugend im Feld gespielt. Als
Feldspieler habe ich auch in Auswahlmannschaften Niedersachens gespielt. Durch
Zufall bin ich dann in der B-Jugend ins Tor gegangen, da in der damaligen
Mannschaft kein Torwart da war. Nach einem Punktspiel gegen die B-Jugend von
Eintracht Braunschweig wurde ich in ein Probetraining eingeladen und erhielt
kurze Zeit später die Möglichkeit, in die A-Jugend der Eintracht zu wechseln.
Insgesamt kann man meinen Einstieg ins Tor als eher ungewöhnlich bezeichnen. Im
heutigen Torwartspiel kommt es mir allerdings entgegen, dass ich als
Jugendspieler im Feld gespielt habe.
torwart.de: Durch Deinen späten Start als Torhüter, interessiert es uns,
wie Du Dir die Torwartgrundtechniken angeeignet hast ?
Mathias Hain: Grundsätzlich muss jeder Torwart natürlich ein gewisses
Bewegungstalent mitbringen. Ab der B-Jugend hatte ich bereits die Möglichkeit,
regelmäßig Torwarttraining zu machen. In der Jugend bei Eintracht Braunschweig
wurde das Torwarttraining intensiviert und regelmäßig durch einen ehemaligen
Torwart der Bundesliga durchgeführt. In dieser Zeit konnte ich sehr schnell die
notwendigen Bewegungsautomatismen und die Grundtechniken erlernen.
torwart.de:
Mit dem großen Bruder, Uwe, im selben Verein zu spielen, war das eher eine
Hypothek oder hat es auch geholfen ?
Mathias Hain: Für mich war es eher eine Hypothek. Mein Bruder war ein
sehr guter Torwart. Er hatte allerdings das Pech, dass er am Anfang seiner
Karriere mit Bernd Franke einen Nationaltorhüter vor sich hatte. Anschließend
spielte er 5 Jahre unter Ernst Happel beim HSV und hatte damals Uli Stein vor
sich. Er kehrte dann zu Braunschweig zurück und wurde Stammtorhüter in
Braunschweig als ich als junger Vertragsamateur dort spielte. Kurze Zeit später
wurde mein Bruder als Mannschaftskapitän vom damaligen Trainer, Werner Fuchs,
suspendiert. Der damalige zweite Torwart war durch einen Knöchelbruch außer
Gefecht gesetzt. Somit blieb ich nur über, die Lücke, die sich durch die
Suspendierung meines Bruders aufgetan hatte, zu schließen. Ich stand nun vor der
nicht einfachen Situation, meinen Bruder, dem damals sehr übel mitgespielt
wurde, zu ersetzen. Dadurch wurde der Staffelstab sehr viel schneller als
geplant von meinem älteren Bruder an mich im Alter von 18 Jahren übergeben. Die
anschließende Zeit war für mich als junger Torwart nicht einfach, da wir damals
mit der Eintracht gegen den Abstieg aus der 2. Liga gespielt haben und das
Publikum an mich dieselben Erwartungen gestellt hatte, wie an meinen 20 Jahre
älteren Bruder. Letztlich haben wir den Klassenerhalt geschafft und für mich war
diese Zeit eine unheimlich wichtige Erfahrung. Ich habe damals gelernt, mit
Druck gut umgehen zu können.
torwart.de: In welcher Form hast Du von Deinem Bruder Unterstützung
erfahren ?
Mathias Hain: In der ersten Monaten nach der Suspendierung meines
Bruders hatten wir einen sehr engen Kontakt und mein Bruder hatte mich mit sehr
guten Tipps unterstützt. Nach der Winterpause wechselte Uwe zum VfL Wolfsburg
und somit konnten wir uns nicht mehr täglich austauschen.
torwart.de: Was macht Dein Bruder heute ?
Mathias Hain: Er ist wieder bei der Eintracht in Braunschweig. Er ist
Torwarttrainer bei den Profis und Cheftrainer bei der Amateurmannschaft. Die
Vereinesverantwortlichen, die ihn damals suspendiert haben, sind heute nicht
mehr da. Bei den Leuten im Sponsorenbereich und bei den Fans genießt mein Bruder
damals wie heute ein sehr hohes Ansehen.
torwart.de: Wer waren zu Beginn Deine Vorbilder als Du als Jugendspieler
ins Tor gegangen bist ? Was das Dein Bruder ?
Mathias Hain: Als ich mit dem Torwartspiel ernsthaft begonnen habe,
habe ich komischerweise kein richtiges Vorbild gehabt. Es hatte sich verändert
als ich mit meinem Bruder im Aktivenbereich trainieren konnte. Wenn man mit
älteren Torhütern trainiert, übernimmt man automatisch Dinge vom
Trainingspartner. Am meisten habe ich mir von ihm seine Einstellung zum Sport
abgeschaut. Damals wie heute versuche ich diese professionelle Einstellung zum
Sport zu übernehmen. Ich denke, das ist eine der Eigenschaften, die mich sehr
auszeichnen.
torwart.de: Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren, die Dir geholfen
haben, innerhalb so kurzer Zeit in das Profigeschäft einzusteigen ?
Mathias Hain: An erster Stelle stand das Glück. Die meisten meiner
Profikollegen können das bestätigen. Zwar hat sich die Sichtung von Talenten in
den letzten Jahren stark verbessert. Dennoch ist aus meiner Sicht mindestens zu
50% das Glück entscheidend. Natürlich brauchst Du auch Talent und das Können und
den Ehrgeiz. Du musst einfach, das Glück haben, dass Du richtig gut spielst,
wenn die Talentscouts Dir zu schauen, um überhaupt zu Probetrainings eingeladen
zu werden.
Danach kommt der Ehrgeiz und der Verzicht. Es gibt genug Leute, mit denen ich
in der Jugend zusammen gespielt habe, die bestimmt die gleiche Chance wie ich
verdient hätten, denen aber der Biss, der Ehrgeiz und die Bereitschaft zum
Verzicht gefehlt hat. Gerade in der Zeit zwischen 15 und 18 Jahren hat man auch
die Möglichkeit, mal abends länger in der Disko zu gehen. Als Fussballer musste
Du Dir aber im Klaren sein, dass am Wochenende nicht immer Platz für das
Ausgehen ist. Ich habe parallel auch noch eine Berufsausbildung durchlaufen.
Morgens um 6 ging ich bereits aus dem Haus. Um 16 Uhr kam ich nach Hause und
dann anschließend ins Training. Das sind alles Dinge, bei denen es darum geht,
das persönliche Ego auch mal hinten an zu stellen, die Sache durchzuziehen und
am Schluss schaut man, was passiert.
Weiter ist sind noch einige andere Dinge sehr wichtig. Man muss auch einen
Trainer haben, der den Mut hat, einen jungen Spieler einzubauen. Zu Beginn
meiner Profizeit 1991 wurden sehr selten junge Spieler eingebaut. Man hatte
damals in der Regel sehr kleine Kader mit 16 Spielern, so dass junge Spieler
kaum vertreten waren.
torwart.de: Du hast davon gesprochen, dass die Fans keinen Unterschied machen,
ob der Torhüter 18 oder 38 Jahre alt ist. Sie wollen einfach Leistung sehen. Gab
es bei Dir auch mal einen kritischen Punkt, an welchem Deine junge Karriere auch
schnell hätte beendet sein können ?
Mathias Hain: Nach meiner ersten Saison wurde in der darauf folgenden
Saison unser damaliger Trainer Werner Fuchs entlassen. Es kam Uli Maslo, der ein
Trainer der ganz alten Schule gewesen ist. Maslo hatte ein noch größeres Problem
mit jungen Spielern, so dass für mich eine ganz schwierige Zeit angebrochen war.
Er hatte mich schnell aus dem Tor genommen und links liegen gelassen. Ich konnte
seine damaligen Entscheidungen nicht verstehen. Zur damaligen Zeit war ich bei
der Firma, bei der ich meine Ausbildung gemacht hatte, beurlaubt. Ich war damals
froh, dass ich eine Ausbildung hatte und jederzeit wieder in den Beruf
zurückkehren konnte. Ich sagte mir, dass falls es mit der Profikarriere nicht
klappen würde, dann würde ich einfach zur normalen Arbeit zurückkehren und in
der Oberliga weiter Fussball spielen.
torwart.de: Wie entwickelte sich Deine Karriere dann weiter ?
Mathias Hain: So kurios es sich auch anhört, für mich war das Beste,
dass wir damals aus der 2. Bundesliga abgestiegen sind. Der Trainer ging und ich
konnte in der Oberliga spielen. Die Regionalliga wurde dann eingeführt und es
war die Zeit als Braunschweig sehr große finanzielle Probleme hatte. So
versuchten wir mit jungen Spielern und Spielern aus der Region die Qualifikation
in die neu gegründete Regionalliga zu schaffen. Die Zeit mit dieser jungen
Mannschaft war mit die schönste Zeit in meiner Karriere. Wir schafften auch die
Qualifikation in der Regionalliga und im Folgejahr fast den Aufstieg in die 2.
Liga. So ging es dann über all die Jahre weiter. Wir spielten immer eine sehr
gute Rolle in der Regionalliga, doch für den Aufstieg reichte es leider nie.
Mit 26 Jahren stellte ich mir die Fragen, ob ich nun noch etwas anderes
kennen lernen möchte, oder ob ich längerfristig in Braunschweig bleiben wollte.
Ich hatte damals ein Angebot von Tennis Borussia Berlin vorliegen und ein
Angebot von Greuther Fürth, wo Benno Möhlmann (früher auch Trainer in
Braunschweig) Trainer war. Aufgrund der besseren Perspektiven und weniger des
Geldes wegen entschied ich mich für den Wechsel nach Fürth, was sich auch
bewährt hatte. Ich denke, es ist weniger wichtig, in jungen Profijahren viel
verdienen zu müssen als in Mannschaften zu spielen, bei denen man auch zum
Einsatz kommt und man sich auch präsentieren kann. Das Geld kommt bei
entsprechender Leistung von ganz allein.
torwart.de: Wie sehen Deine Pläne für die Zeit nach der Karriere aus ?
Mathias Hain: Das ist für mich eine sehr schwierige Frage. Momentan
parallel in Bielefeld etwas aufzubauen, ist für mich schwierig, da meine Familie
in der Braunschweiger Gegend in meinem Heimatort lebt. Dort habe ich mein Haus
und nach der Karriere werde ich dorthin zurück gehen. Aus der Ferne nun etwas
aufzubauen, möchte ich nicht, da ich mich gerne persönlich um die Dinge kümmern
möchte und nicht auf übermäßig fremde Hilfe angewiesen sein möchte. Optimal wäre
es für mich, im Fussballbereich, wie z.B. im Torwarttraining, weiterarbeiten zu
können, da ich in diesen Bereichen eine Menge weiter geben könnte. Wäre
natürlich super, wenn sich für mich der Kreis mit Eintracht Braunschweig wieder
schließen würde.
torwart.de: Du kommst aus einer Familie, aus der immerhin zwei
Fussballprofis hervorgegangen sind. Vieles habt Ihr sicherlich intern
besprochen. Hast Du neben den Tipps, die aus dem familiären Bereich heraus
kommen, auch noch einen externen Berater ?
Mathias Hain: Ich habe einen sehr guten Freund, der mich bei diversen
Fragen unterstützt. Allerdings würde ich ihn nicht als meinen Berater
bezeichnen, denn wir haben ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis.
Lars-Wilhelm Baumgarten leitet die Agentur Stars&Friends (früher Strunz&Friends)
arbeitet hauptsächlich mit jungen talentierten Spielern zusammen. Er begleitet
die jungen Spieler von Anfang an und sorgt dafür, dass die Spieler von Beginn
Ihrer Karriere optimal auf die Karriere vorbereitet sind, was insbesondere die
Versorgung und Versicherungen anbelangt.
torwart.de: Auf Transfermarkt.de wird Dein Marktwert auf 1,25 Mio EUR
beziffert. Das zeigt u.a wie hoch Deine Leistungen in Fachkreisen bewertet
werden.
Mathias Hain: Ich denke auch, dass ich von Experten als ein Torwart
gesehen werde, der nicht unbedingt der Mann für die ganz spektakulären Dinge
ist, und der auch nicht permanent unhaltbare Bälle hält. Viele sehen jedoch,
dass ich konstant auf einem sehr hohen Niveau spiele und eine sehr niedrige
Fehlerquote habe. Meiner Meinung nach, zeichnet das gute Torhüter aus. Es bringt
der Mannschaft gar nichts, wenn Du in einem Spiel Weltklasse hältst und im
nächsten Spiel einige Fehler machst. Da kannst Du keine Ruhe in die Mannschaft
rein bringen. Die Mannschaft muss wissen, dass ihr Torwart so gut wie keine
Fehler macht, den man auch in einer Drucksituation anspielen kann, und der hin
und wieder auch mal einen unhaltbaren Ball herausholt.
torwart.de: Wann hast Du dieses hohe konstante Niveau, auf dem Du Dich
jetzt befindest, erreicht ?
Mathias Hain: Mir kam zugute, dass ich praktisch mit 18 Jahren fast
durchgängig Stammspieler war und ich in jungen Jahren auch den Druck schon
hatte. Es ist ein großer Unterschied, ob Du mit einer Amateurmannschaft eines
Bundesligisten in der Regionalliga spielst oder mit einem Traditionsverein wie
Eintracht Braunschweig. Bei jedem Regionalligaspiel war bei Braunschweig der
Druck und die Erwartungen der Öffentlichkeit sehr hoch. Über die 7 Jahre, in
denen ich bei Braunschweig fast jedes Spiel gemacht habe, konnte ich mich an
diese Situation sehr schnell gewöhnen und die notwendige Ruhe während der Spiele
entwickeln. Um während der Saison die Ruhe und Konstanz aufbauen zu können,
brauchst Du natürlich das Quentchen Glück. Du mußt am Anfang einige gute Bälle
halten, Spiele mit entscheiden, eine gute Vorbereitung machen, dass Du die
erarbeitete Form im Training auch in das Spiel mitnehmen kannst. Das ist für
einen Torwart natürlich immens wichtig.
torwart.de: Eine gute und konstante Form hat sicherlich auch viel mit der
Psyche zu tun. Arbeitest Du im mentalen Bereiche nach bestimmen Methoden ?
Mathias Hain: Eigentlich arbeite ich nicht nach bestimmten Methoden.
Wir hatten in Fürth unter Benno Möhlmann einen Mentaltrainer, der regelmäßig mit
uns in der Mannschaftssitzung, in Kleingruppen oder auch in einer Einzelsitzung
mit uns gearbeitet hatte und uns einige psychologische und mentale Grundelemente
aufgezeigt hat. Im Bereich der Autosuggestion habe ich mir ein paar Dinge
angeeignet. Z.B visualisiere ich hin und wieder vor einem Spiel bestimmte
Spielsituationen und gehe diese vor meinem geistigen Auge vorab mal durch. Es
kommt auf die jeweilge Situation vor einem Spiel an, ob ich diese Technik
anwende. Beim Torwart ist vieles Kopfsache und so denke, ich dass einige
Methoden aus dem mentalen Bereich schon Sinn machen. Du kannst körperlich gut
drauf sein, Bälle gut festhalten, eine gute Reaktion haben, noch wichtiger als
all diese Faktoren ist die Fähigkeit, sich über 90 Minuten eines Spieles
vollkommen konzentrieren zu können.