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Bernard Lama - "hautnah" bei torwart.de (29.05.09)
Torhüter, Weltmeister, Europameister, Fußballer des Jahres, Kiffer, Wohltäter: Bernard Lama, der etwas andere Keeper. Wer war er eigentlich, dieser verrückte Typ, der so vielen Stürmern das Fürchten lehrte?
Es sind die ersten Fußballerinnerungen, die ich bis heute nicht vergessen habe. Es sind Erinnerungen an einen Mann, einen Torwart, der für mich unbezwingbar schien. Diese Ausstrahlung, dieses Können und diese Überlegenheit in seinen Handlungen: Als kleiner Kerl war ich mir ganz sicher, niemand könnte jemals ein Tor gegen Bernhard Lama erzielen. Es waren die Vorberichte über diesen Mann afrikanischer Abstammung, sein Erscheinungsbild und dann dieses Testspiel gegen Deutschland vor der EM 1996. Lange hatte die deutsche Elf kein Spiel mehr verloren, aber gegen Lama war kein Kraut gewachsen. Bei mir hinterließ er, eine wahre Furie im Kasten, mehr Eindruck, als Olli Kahn es in seinen besten Tagen hätte tun können. 0:1 ging das Spiel verloren und in meinen Augen konnte niemand anderes als Frankreich Europameister werden. Wie auch, ein Gegentor würden die Franzosen garantiert nicht kassieren. Schon dieser böse, unmenschliche Blick Lamas auf dem Spielfeld hätte mich erstarren lassen, wäre ich frei stehend auf ihn zugelaufen. Doch so schnell und gigantisch wie sich dieser Mythos aufgebaut hat, so schnell ist er auch wieder verflogen. Frankreich schied im Halbfinale gegen Tschechien nach Elfmeterschießen aus und schon bei der WM 1998 war Lama nicht mehr die französische Nummer Eins. Ein Glatzkopf aus Monaco hatte ihn verdrängt, den Grund dafür kannte ich damals nicht.
Bernard Lama wurde 1963 in Frankreich geboren, doch schon als er drei Jahre alt war, zog es seine Familie nach Französisch-Guayana, ein Überseedepartement in Südamerika, gelegen zwischen Surinam und Brasilien. Zum Fußball brachte den für sein Alter Großgewachsenen, dunkelhäutigen Jungen die WM 1970. Ein gewisser Edison Arantes do Nascimento vernaschte nicht nur seine Gegenspieler, er begeisterte auch den jungen Lama für diesen Sport. Bis heute ist Pele sein großes Idol. Ihm wollte er es gleich tun, als er an den Stränden Südamerikas angefangen hat zu kicken. Doch es dauerte nicht lange und er entdeckte seine Leidenschaft für das Fliegen. Tore verhindern machte für ihn mindestens den gleichen Reiz aus wie sie zu erzielen. Er spielte zwar so oft es möglich war, aber so etwas wie eine professionelle Torwartausbildung hat er nie genossen. Er stellte sich in den Kasten und machte einfach das, was er am besten konnte: Verhindern das der Ball in den Kasten geht und den Gegnern gehörig Angst einflößen. Erst 1981, Lama hatte gerade die Volljährigkeit erreicht, wurde man in der französischen Heimat auf das große Talent aufmerksam.
Er ging zum OSC Lille, einer von nur zwei Vereinen, für den er während seiner 20-Jahre langen Karriere mehr als eine Saison spielen sollte. Damit konnte in seiner ersten Saison als Profi noch niemand rechnen. Das der vom Strand gekommene 18-jährige Keeper nicht auf Anhieb spielen würde, schien allen klar, nur ihm selbst nicht. Nach einer Saison verabschiedete er sich aus Lille, tourte kurz durch Frankreich, um nach zwei Jahren wieder zurückzukehren. Lama, kräftiger gebaut als Tim Wiese vor seiner Diät, überzeugte durch spektakuläre, unorthodoxe Flugeinlagen, die man bis dahin noch nicht gesehen hatte. Fünf Jahre hütete er für Lille den Kasten in der französischen Ligue 1, dann suchte er eine neue Herausforderung. Es begann seine zweite Tour durch Frankreich und gleichzeitig weitere drei Jahre, in denen er mit seinen jeweiligen Clubs im Tabellenmittelfeld landete.
1992 hatte sich Lama, dessen Markenzeichen die lange Hose war, endgültig als einer der besten Torhüter Frankreichs etabliert. Er, der unkonventionelle Flieger, der zwar hier und da mal einen einfachen Ball durchrutschen ließ, dafür wiederum zehn Bälle parierte, die kaum ein Anderer gehalten hätte. Im selben Jahr beendete Joël Bats, Torhüter von Paris St.Germain und Lamas späterer Torwarttrainer, seine Karriere. Paris brauchte einen neuen Mann zwischen den Pfosten und Lama wollte, mal wieder, den Verein wechseln. Nach Jahren im Niemandsland der Tabelle holte er mit dem PSG endlich das, was ein großer Keeper braucht: Titel. Er wurde mit seinem Team zweimal Pokalsieger, holte die Meisterschaft, gewann den Europapokal der Pokalsieger und zur Krönung wurde er 1994 zum Fußballer des Jahres in Frankreich gewählt. Das er ab 1993 auch das Tor der Equipe Tricolore hütete, war die logische Konsequenz.
Die besagte Halbfinalniederlage bei der Euro 1996 schmerzte zwar, aber sein großer Karrierehöhepunkt sollte dem 33-jährigen mit dem Zopf und dem Schnauzer noch bevorstehen: Die WM im eigenen Land. Alles schien zu passen, Lama spielte in der Form seines Lebens, doch beging er 1997 den größten Fehler seiner Karriere: Er ließ sich zum Konsum von Cannabis hinreißen. Damit war er nicht der erste französische Fußballer, denn bereits ein Jahr zuvor wurde Fabien Barthez, sein großer Widersacher im Kampf um die Nummer Eins Frankreichs, positiv getestet, auch auf Cannabis. Lama flog aus der Nationalelf und wurde für fünf Monate gesperrt, wovon drei zur Bewährung ausgesetzt wurden. Heute sagt er im Interview: »Ich kann nur jedem mit auf den Weg geben, nicht den gleichen Mist zu bauen, wie ich es getan habe. « Er, der fast ganz oben war, musste wieder von vorne anfangen, und das mit 34. Er versuchte sein Glück bei Westham in der Premier League, doch schon nach einem glücklosen halben Jahr kehrte er zum PSG zurück.
Nationaltrainer Aimé Jacquet machte zwar nach seiner Sperre den acht Jahre jüngeren Barthez zur neuen Nummer Eins Frankreichs, doch er ließ Lama nicht fallen und nominierte ihn als Nummer Zwei für die WM. Frankreich wurde mit einem zwei »Kiffern im Kasten«, wie Boulevardblätter titelten, Weltmeister und zwei Jahre später Europameister. Bei der EM kam Lama im letzten Vorrundenspiel gegen Holland noch einmal zum Einsatz und absolvierte damit sein letztes von 44 Länderspielen. Als seine Frau 2001 ein Kind erwartete, sah der inzwischen 38-jährige Lama nach 20 Jahren als Fußballprofi den richtigen Zeitpunkt gekommen, um die Schuhe bzw. die Handschuhe an den Nagel zu hängen.
Bernard Lama wohnt heute wieder in Paris, genießt es aber, so oft es geht nach Französisch-Guayana zu reisen, wo er ein Sportgeschäft führt. Das Land hat große Probleme durch die Goldsuche, ein Großteil des Wassers mit Quecksilber verseucht. Lama, der sich nirgendwo so wohl fühlt, wie an den Stränden Guayanas, kämpft dagegen an und hat zwei Firmen zur Aufbereitung des Trinkwassers gegründet. Weniger erfolgreich als sein Kampf für sauberes Trinkwasser war sein Engagement als Nationaltrainer Kenias. Er verlor 2006 ein WM-Qualifikationsspiel gegen Eritrea und nach nur zwei Monaten gab er den Posten wieder auf, was einmal mehr beweist, auch Bernhard Lama ist nur ein Mensch und auch er ist zu bezwingen.
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