Claudio Filippi gilt als einer der renommiertesten und bekanntesten Torwarttrainer in Europa. Bei seinen bisherigen Stationen (u.a. AS Rom, AC Siena, Chievo Verona) arbeitete er schon mit vielen Weltklassetorhütern zusammen. Die bekannteste seiner zahlreichen Publikation ist die DVD „Ballangriff“, in der er seine Torwart-Philosophie mit vielen Beispielen und Trainingsübungen vorstellt. Am Rande des internationalen Torwarttrainertages „safe hands“ in der Sportschule Ruit konnte sich torwart.de mit dem Italiener unterhalten
torwart.de: Sie sind hier bei einem internationalen Torwartkongress. Wie wichtig ist es für Sie, internationalen Kontakt zu anderen Trainerkollegen zu haben?
Claudio Filippi: Es ist natürlich sehr schön, hier dabei zu sein. Alle haben meinen Job, sind also auch Torwarttrainer. So kommt ein gegenseitiger Austausch von Ideen, Techniken und Trainingsinhalten zu Stande. Wer diesen Job macht, muss neugierig sein und über die Grenzen hinweg schauen. Das halte ich für sehr wichtig.
torwart.de: Welchen Eindruck haben Sie von den anderen Referenten und deren Vorträge, z.B. von Thomas Schlieck?
Claudio Filippi: Bei Thomas Schlick ist mir aufgefallen, dass das Training sehr gut organisiert ist. Da er von den jüngsten Torhütern bis zu den Profis aktiv ist, hat er einen guten Überblick über die Torhüter und deren Entwicklung.
torwart.de: Kommen wir zum Thema Ballangriff. Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt, dass Gianluigi Buffon den Anstoß für diese Konzeption gegeben hat. Wie schnell haben Sie erkannt, dass aus dieser Grundidee eine fundamentale Änderung des Torwartspiels entsteht?
Claudio Filippi: Es ging eigentlich relativ schnell, diese Idee umzusetzen. Ich habe damals Cristiano Lupatelli trainiert, mit dem ich schon seit seiner Jugendzeit zusammengearbeitet habe. Er hatte die ähnlichen Grundvoraussetzungen wie Buffon, so dass wir sofort diese Dinge umsetzten und weiterentwickeln konnten.
torwart.de: Sie haben ebenso z.B. mit Luca Marchegiani zusammen gearbeitet, der eher ein Torhüter der älteren, traditionellen Prägung war. Wie schwierig war es, auch bei ihm diese neuen Gedanken durchzusetzen? Gab es Widerstände?
Claudio Filippi: Es war nicht so schwierig, da Marchegiani einfach zu den Besten gehört. Diese Art von Spielern sind meistens auch sehr intelligent und können viele Dinge sofort umsetzten. Deswegen hat auch er relativ schnell diese Philosophie verinnerlicht.
torwart.de:Buffon ist bei uns in Deutschland der bekannteste Torhüter aus Italien. Würden Sie sagen, dass Buffon 100%ig Ihre Idee des Ballangriffs verkörpert.
Claudio Filippi: Buffon verkörpert den modernen Ghezzi (italienischer Torhüter, spielte 1948-1965 u.a. bei Inter Mailand und AC Mailand, Anm. der Redaktion), der damals auch Kamikaze genannt wurde, weil er sehr aggressiv auf den Ball zugegangen ist. Das hat Buffon aufgenommen und auf eine moderne Art umgesetzt. Weil er aber auf sehr hohem Niveau und in sehr wichtigen Spielen spielt, muss er sich manchmal etwas zurück nehmen und kann nicht mit derartig hohem Risiko spielen. Aber im Grunde verkörpert er schon diesen Angriff auf den Ball.
torwart.de: Sie haben gesagt, Grundvoraussetzung für die Philosophie des Ballangriffs ist eine große Spielintelligenz des Torhüters. In Deutschland besteht das Problem, dass speziell die Taktik manchmal nicht so ausgeprägt ist und nicht so intensiv behandelt wird als in Italien. Was ist Ihr Ratschlag, wie man die Torhüter auch im Bereich der Spielintelligenz weiterbringen kann.
Claudio Filippi: Wichtig ist, im Training strukturiert zu arbeiten und, so gut es geht, reale Spielsituationen nachzustellen. Im Grunde kann man jede Situation, die im Spiel vorkommt, auch im Training üben. Je mehr man diese Nähe zum Spiel hat, umso besser kann der Torhüter diese Spielsituationen verinnerlichen.
torwart.de: Inwieweit ist es wichtig, dass der Cheftrainer genau die gleiche Philosophie des Torwartspiels hat? Gab es auch schon Situationen, in denen der Cheftrainer das offensive Spiel des Torhüters kritisiert hat?
Claudio Filippi: Bei dem Bergriff „Ballangriff“ ist es wichtig, dass man ihn auch richtig versteht. Es geht nicht darum, in jeder Situation wie wild auf den Ball los zu stürmen. Es geht viel mehr darum, immer die optimale Position zu haben und je nach Spielsituation die richtige Entscheidung zu treffen.
Durch die Spielentwicklung in den letzten Jahren, die durch verstärktes Spiel über Außen, mehr Flanken und mehr hohe Bälle in den Strafraum gekennzeichnet ist, ist es für die Torhüter zur Pflicht geworden, aktiver zu agieren und nicht nur abzuwarten. Dies ist auch für die Cheftrainer nachvollziehbar.
torwart.de: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung in Bereich des Torwartspiels? Was könnte das nächste große Thema werden?
Claudio Filippi: Eine Philosophie zu entwickeln braucht viel Zeit. Ich denke, was man in Zukunft noch mehr betrachten wird, sind Luftkämpfe.
torwart.de: Abschlussfrage. Wer sind für Sie derzeit die drei besten Torhüter der Welt?
Claudio Filippi: Als Nummer eins sehe ich Buffon. Dann Casillas, der trotz seiner geringeren Körpergröße oder gerade deswegen herausragend spielt, und Petr Cech.
torwart.de: Vielen Dank für das Interview.
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