Pascal Formann (VfL Wolfsburg): „Koen Casteels spielt auf sehr hohem Niveau und gehört zu den besten Torhütern in dieser Saison!“ - Teil (2/3)
von Marcel Schäfer - März 2021
torwart.de: Was macht den perfekten Torhüter und dessen Torwartspiel aus?
Pascal Formann: Das Torwartspiel von Koen Casteels gehört zweifellos zu den besten in der Bundesliga. Er ist ein sehr kompletter Torwart. Er hat enorme Qualitäten in der Raumverteidigung, Zielverteidigung und ist fußballerisch mit beiden Füßen in der Spieleröffnung sehr stark. Sehr gut gefällt uns sein Spielverständnis. Er kann die verschiedenen Spielsituationen sehr gut einschätzen, ist dem Gegner immer wieder einen Schritt voraus und trifft so sehr gute Entscheidungen. Trotz seiner Größe ist er sehr dynamisch, was ihm in der Ausführung der Torwarttechniken in der Raum- und der Zielverteidigung immer wieder zugutekommt. Neben seiner Konstanz in der Ausführung seiner Aktionen, besitzt er eine enorme mentale Stärke und Ruhe. Sein Auftreten und seine allgemeinen Fähigkeiten geben der Mannschaft eine sehr hohe Sicherheit. Koen ist ein absoluter Musterprofi wie auch die anderen Torhüter im Team. Im Training ist es sehr professionell und immer an Verbesserungen orientiert. Er setzt unsere Idee des Torwartspiels sehr gut um und weiß, welche Details von ihm gefordert sind.
Infos zu Pascal Formann:
Nationalität: Deutschland
Geburtstag: 16.11.1982
Geburtsort: Werne, Deutschland
Vereine als Trainer: Charlton Athletic (Torwart-Trainer, Koordinator Torwartbereich), VfL Wolfsburg (Torwart-Trainer U15-U19), Seit 2017 Torwart-Trainer der Profis vom VfL Wolfsburg, UEFA A-Lizenz Torwart-Trainer
Vereine als Spieler: Duisburg U19, Nottingham Forest, Grantham Town FC, Arminia Bielefeld, 1.FC Saarbrücken, BV Cloppenburg, KSV Hessen Kassel
Größe (cm): 188
torwart.de: Die Videoanalyse ist ein Bestandteil der Bewertung der Torhüterleistung im Spiel. Auf welche Details achtest du dabei?
Pascal Formann: Ich betrachte in der Spielanalyse alle Szenen, bei denen der Torhüter beteiligt ist. Dabei sollen sich die guten und schlechteren Szenen die Waage halten. Als Trainer muss ich berücksichtigen, dass ich auf der Bank oder im Video einen unterschiedlichen Blickwinkel auf die Spielsituation gegenüber dem Torhüter habe. So kann eine unterschiedliche Einschätzung der Aktion entstehen. Am Ende wollen wir zur gleichen Bewertung der Szene kommen. Das für mich wichtigste Detail im Torwartspiel ist die Position des Torhüters. Hat sich der Torhüter in die bestmögliche Position gegeben, um den Schuss oder den Ball in den Raum zu entschärfen? Wo und wie stand der Torhüter beim Torabschluss? Hat er sich ausreichend Tiefe geholt, um noch rechtzeitig reagieren zu können? Hätte der Torhüter schon vorher die Situation entschärfen können, wenn er seine Position angepasst hätte? War die Entscheidung richtig, aber die technische Ausführung nicht optimal? Auch das Verhalten des Torwarts bei der Spielfortsetzung schauen wir uns im Detail an. Ist die Spielfortsetzung optimal für unser Spiel? Hat er eine gute oder weniger gute Entscheidung getroffen?
torwart.de: Welche Torhüter konnten in der bisherigen Bundesligasaison auf sich aufmerksam machen? Welche Überraschungen gab es für dich?
Pascal Formann: Es ist immer schwierig über andere Torhüter, die nicht bei uns spielen, zu urteilen. Es fehlen doch einige Details, die man z.B. in der täglichen Arbeit mit den Torhütern erst erkennen kann. Ich denke, dass die Torhüter, die in den letzten Jahren konstant gut gespielt haben, auch in der bisherigen Saison erneut überzeugen konnten. Dazu zählen für mich Manuel Neuer, Koen Casteels und Peter Gulacsi. Diese drei Torhüter sind für mich die komplettesten Torhüter in der Liga. Gulacsi und Casteels ähneln sich in der Spielweise sehr stark. Manuel Neuers Torwartphilosophie unterscheidet sich in einigen Punkten. Seine Leistungen in den letzten Monaten waren wieder auf höchstem Niveau. Gut gefällt mir auch Florian Müller, der mit dem Wechsel zum SC Freiburg einen sehr guten Schritt vollzogen hat und sich in dieser Saison sehr gut weiterentwickelt hat. Es gibt auch in der Bundesliga Torhüter, die aufgrund ihrer spektakulären Spielweise („Monsterparade“) in der Öffentlichkeit überdurchschnittlich gehypt werden. Wir Torwarttrainer haben hierzu jedoch eine andere Einschätzung und achten auf andere Details als die Medien. Details in Bezug auf Technik, Taktik und Entscheidungen sind für uns wichtige Kriterien in der Einschätzung der Torhüter und deren Spielleistungen.
torwart.de: Welche aktuellen Trends kannst du momentan bei den Torhütern und deren Spielweise auf höchstem Niveau erkennen?
Pascal Formann: Die Konstanz eines Torhüters spielt eine wichtige Rolle im heutigen Torwartspiel. Auch wenn Torhüter keine Maschinen sind, wird eine geringe Fehlerquote in allen Bereichen erwartet. Gerade bei den Spitzenteams, die nicht viel im Spiel zulassen, ist ein stetig hohes Niveau der Torhüter sehr wichtig. Da die guten Mannschaften sehr hochstehen und hohes Pressing anwenden, muss der Torhüter sehr gut hinter der Abwehr mitspielen und den Raum hinter der Abwehr verteidigen können. So können die starken Torhüter bereits viele Situationen mit gutem Mitspielverhalten entschärfen. Ein gutes Coaching der Vorderleute ist ebenso sehr wichtig geworden. Mental müssen sich die Torhüter auf den Punkt konzentrieren können und stets gedanklich aktiv im Spiel sein. Viele Torhüter der schwächeren Mannschaften werden viel mehr beschäftigt und es ist einfacher im Spiel zu sein. Bei Spitzenteams hat der Torhüter 2 bis 3 Szenen, bei denen er sich auszeichnen kann. Und da ist es wichtig, dass der Torhüter auf den Punkt da ist. Zudem sind die Torhüter von Spitzenteams immer wieder im 1-gegen-1 gefordert, da immer wieder die Gegner mit schnellem Umschaltspiel vor das Tor kommen. Diese Torhüter müssen auch ein hohes Maß an Spielintelligenz mitbringen. Sowohl im gegnerischen als auch im eigenen Ballbesitz sind die Torhüter dahingehend enorm gefordert.
Karriere-Daten: Bundesliga (186), DFB-Pokal (17), Europa League (7), Champions League (2)
Größe (cm): 197
torwart.de: Wie sieht das Scouting in Corona-Zeiten aus und wie interessant ist momentan der Torwartmarkt in Hinblick auf interessante Talente?
Pascal Formann: In Sachen Scouting haben wir für alle Positionen der Torhüter 1 bis 4 immer alternative Möglichkeiten auf dem Schirm. Vor Corona waren wir sehr viel in den Stadien unterwegs und konnten vor Ort sichten. Mittlerweile sichten wir sehr viel per Video. In einigen Ligen wie z.B. im U-Bereich finden momentan nicht sehr viele Spiele statt, so dass wir während der Corona-Zeit teilweise auch weniger Eindrücke der Spieler sammeln können. Es gibt jedoch einige sehr interessante Torhüter. Neben den Torhütern, die in aller Munde sind, sichten wir auch sehr vielversprechende Torhüter in den Nachbarländern. Dort gibt es einige jüngere Torhüter, die bereits bei den ersten Mannschaften in der jeweiligen Topliga im Einsatz sind. Überzeugen uns die Jungs, so sind wir als Verein mit den Torhütern bzw. deren Beratern in Kontakt und bekunden frühzeitig unser Interesse.
torwart.de: Wie weit sind die Planungen im Torwartbereich beim VfL Wolfsburg zur neuen Saison bzw. welche Planungen sind schon weit fortgeschritten?
Pascal Formann: Koen Casteels und Pavao Pervan haben ihre Verträge ja verlängert und auch Lino Kasten hat noch Vertrag. Bei Niklas Klinger treffen wir zeitnah eine Entscheidung. Auf den Positionen 3 und 4 unseres Torhüterteams wollen wir in der Regel junge Torhüter mit Perspektive und hohem Entwicklungspotential einbauen. Wenn wir neue Torhüter verpflichten, müssen sie jedoch besser als unsere aktuelle Besetzung sein. Unser Torwartteam passt sehr gut zusammen, so ist es auch möglich, dass wir mit einem unveränderten Torwartteam in die neue Saison gehen werden. Im Endeffekt laufen die ganze Saison schon die Planungen auf der Torhüterposition. Wir wollen als Verein immer gut vorbereitet sein und nicht kalt erwischt werden, wenn einer unserer vier Torhüter den Verein verlassen würde. Wie oben erwähnt haben wir daher für alle Positionen Alternativen und Möglichkeiten im Blick und arbeiten hier mit dem Scouting eng zusammen.
torwart.de: Momentan lässt sich ein Trend erkennen, dass ein Großteil der Spielerwechsel auf Leihbasis durchgeführt werden. Inwiefern beeinflusst dies die Entwicklungsmöglichkeiten der Torhüter?
Pascal Formann: Für Vereine, die keine U23 haben, ist das Verleihen eines Torwarts eine gute Alternative. Ein Leihgeschäft muss natürlich auch Sinn machen. Wenn ein junger Torwart per Leihe oder Verkauf mit Rückkaufsrecht zu einem unterklassigen Verein wechselt, sollte auch gewährleistet werden, dass er Spielpraxis bekommt. Hier haben wir dann die Problematik. Es wird kaum ein Drittligist einen sehr jungen Torhüter zur Nummer eins machen, wenn es um Erfolge oder ums Überleben in der Liga geht. So haben wir in der Corona-Zeit tatsächlich weniger Wechsel im Torwartbereich trotz der Bereitschaft zur Leihe sehen können. Die Vereine behalten momentan lieber ihre Torhüter, bei denen sie wissen, welche Schwächen und Stärken sie haben. Zudem ist es für junge Torhüter schwerer, sich für neue Vereine momentan zu empfehlen, da wenig Einsätze durch Ausfälle in der U23 oder in der U19 waren. Im Sommer wird die Situation wieder neu begutachtet und es sind häufigere Wechsel im Torwartbereich zu erwarten.
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