Aus der Traum. Die deutsche Nationalmannschaft ist im Finale der Europameisterschaft
2008 an Spanien gescheitert. Ein Tor von Fernando Torres reichte gegen eine
teilweise hilflose und überforderte BRD-Auswahl für den ersten spanischen Titelgewinn
bei einem internationalen Turnier seit 1964. Die deutsche Auswahl bot dabei
in nahezu allen Mannschaftsteilen eine erschreckend harmlose Leistung. Müde
und kraftlos – wie schon im gesamten Turnier – wirkte Miroslav Klose als alleinige
Spitze, uninspiriert und ideenlos das Mittelfeld um Michael Ballack und Thorsten
Frings, fahrig und langsam die Viererkette. Einzig Torhüter Jens Lehmann,
der bei dieser Europameisterschaft mehr als einmal in das Kreuzfeuer der Kritik
geraten war, wurde mit seiner Darbietung den Ansprüchen eines Finales gerecht.
Auf der anderen Seite unterstrich der nicht häufig geprüfte Iker Casillas seine Ausnahme-Qualitäten, die ihn derzeit wohl zu dem besten Torhüter der Welt machen. Wenig Zweifel dürfte es daran geben, dass der Spanier zum besten Torhüter des Turniers gekürt wird.
torwart.de hat sich auch im letzten Spiel dieser EM auf die Leistungen der beiden Keeper konzentriert und stellt die Einzelanalyse vor.
Jens Lehmann stand nach dem Spiel nur erschrocken vor seinem Tor, das
er über 90 Minuten lang versucht hatte zu verteidigen. Mit Bravour hatte er
sich vor gegnerische Stürmer geworfen, mit einer tollen Parade verhinderte er
ein Eigentor von Metzelder (15.) und blieb konstant sicher bei Fernschüssen
– die er alle festhalten konnte. Nur in einer Situation zögerte Lehmann einen
Moment zu lange – Spaniens Starangreifer Torres spitzelte den Ball zwischen
Lahm und Lehmann vorbei ins Tor (33.). In der Folgezeit musste der deutsche
Torhüter hilflos mit ansehen, wie seine Vorderleute vom gefürchteten spanischen
Passspiel aus ihrer defensiven Haltung gelockt und mit schnellen Kontern bestraft
wurden. So sehr der Neu-Stuttgarter auch brüllte und gestikulierte: Sein Innenverteidigerduo
Mertesacker/Metzelder blieb harmlos und gehemmt, in einer Szene ließ sich der
baumlange Mertesacker sogar vom wesentlich kleineren Torres überspringen, sein
Kopfball landete am Innenpfosten (23.). Es wird aller Voraussicht nach Lehmanns
letztes Spiel als Nationalkeeper gewesen sein, auch wenn er sich dazu im anschließenden
TV-Interview nicht weiter äußern wollte. Der Konkurrenzkampf um seine Nachfolge
beginnt spätestens Ende der Woche: Dann haben auch die letzten Bundesligisten
die Saisonvorbereitung aufgenommen. Solltes es Lehmanns letztes Länderspiel
gewesen sein, so war der Verlauf des Finals doch eher ein trauriger Abschied
der deutschen Nummer in den vergangenen 2,5 Jahren.
Iker Casillas hat am Sonntag-Abend den Höhepunkt seiner Karriere erreicht.
Er krönte eine für ihn phantastische Saison mit dem EM-Titel in Wien. Dank seiner
Fähigkeiten hatte sich Real Madrid in der abgelaufenen Spielzeit den spanischen
Meistertitel gesichert, und auch die spanische Auswahl konnte sich bei ihren
sechs Turnierspielen (sechs Siege) auf die Dienste des 27-Jährigen verlassen.
Dabei war es vor allem die immense Konzentrationsfähigkeit des Madrilenen, die
ihn so stark machte: Kein anderer Torhüter bekam so wenige Bälle auf sein Tor
geschossen, doch Casillas hielt sie fast alle, nur drei Gegentreffer kassierte
der Kapitän – lange ist ein Europameister nicht mehr so verdient zum Titel gestürmt,
wie die Spanier mit Torhüter Iker Casillas. Zudem ist uns während des Turniers
aufgefallen, dass Casillas im Bereich der Strafraumbeherrschung enorme Fortschritte
machte. So konnte er im Finale den körperlich überlegenen Deutschen
die Bälle von den Köpfen pflücken.
Das sagt torwart.de-Experte
Lars Leese
"Schade, dass es nicht gereicht hat. Aber jeder, der das Spiel gesehen hat, muss anerkennen, dass Spanien verdienter Turniersieger ist. Gegen so eine Auswahl kannst du nur gewinnen, wenn du am Limit spielst, das haben die Deutschen nicht getan.
Jens Lehmann hat im Finale ein gutes Spiel gemacht, er hat die Entscheidung von Jogi Löw, ihn als Nummer Eins zu installieren, gerechtfertigt. Obwohl es müßig ist darüber zu reden, wie vielleicht ein anderer Keeper bei diesem Turnier gehalten hätte. Im Finale hat Lehmann jedenfalls keine Angriffsfläche geboten.
Ob Iker Casillas der beste Torhüter der Welt ist, lässt sich schwer sagen, einfach, weil die Dichte an guten Torhütern so hoch ist. Auf jeden Fall ist er am Zenit angelangt, seine breite Brust und sein Verhalten auf und neben dem Platz zeigen: Er ist unglaublich selbstbewusst. Ein Torhüter, mit dem man ein Turnier gewinnen kann. Casillas hat seine Exklusivität auch gegen Deutschland bewiesen. Die Flanken auf Kuranyi in der zweiten Halbzeit hat er abgefangen, im Gegensatz zu Ricardo oder Rüstü: So sind die deutschen Treffer gefallen. Mir ist aufgefallen, dass Casillas wesentlich athletischer geworden ist, als noch vor ein paar Jahren. Seit Kindesbeinen an spielt er auf einem hohen Niveau, inzwischen ist er auch aufgrund seiner mentalen Stärke ein sehr guter Torwart."