Nein, diesen Schuss hätte Jürgen Macho nicht halten können, besser
gesagt, nicht halten dürfen. Zu schön war der Freistoß von Michael Ballack
in der 49. Minute, der Deutschland ins Viertelfinale der EM brachte. Und hätte
Macho tatsächlich die Fingerspitzen an den Ball gebracht, seine Torwarthandschuhe
wären demnächst eine Nummer kleiner zu bestellen gewesen. Mit knapp 130 Km/h
rauschte Ballacks direkter Freistoß in den Winkel des Torwartecks. Es
war die einzige wirkliche Prüfung für den Österreicher Jürgen Macho im
zuvor viel diskutierten Spiel gegen den großen Nachbarn Deutschland gewesen.
90 Minuten lang konzentrierte sich die Torwartarbeit von Macho und Jens
Lehmann auf die wesentliche Grundelemente: Flanken abfangen, einfache Schüsse
sichern, Abwürfe, Abschläge, Viererkette organisieren. Beide machten ihre Sache
gut. Vor allem bei Lehmann durfte der deutsche Fan erfreut feststellen,
dass sich der Neu-Stuttgarter in einer durchaus souveränen Form präsentierte.
Anders als in den Partien gegen Polen und Kroatien war Lehmann der Fixpunkt
in der Defensive, abgeklärt und routiniert nahm er mit seinem sicheren Eingreifen
den österreichischen Offensivdrang den Wind aus den Segeln. Bei den wenigen
Torschüssen der harmlosen Gastgeber blieb Lehmann kühl und ausgesprochen
beherrscht – scheinbar zum richtigen Zeitpunkt hat der deutsche Torhüter zu
seiner Form zurückgefunden. Auch Torhütern darf es schließlich gestattet sein,
Turnierspieler zu sein.
Jürgen Macho und seine Österreicher konnten sich immerhin würdevoll
von der Europameisterschaft verabschieden. Zwar offenbarte die Mannschaft von
Josef Hickersberger auch gegen Deutschland eklatante Schwächen im Aufbauspiel,
doch die knappe 0:1-Pleite gegen die „Piefkes“ hat die heimische Volksseele
besänftigt. Nur einen Tag nach dem letzten Gruppenspiel titelten die österreichischen
Zeitungen: „Meister der Herzen“. Der österreichische Fußballfan ist im allgemeinen
sehr genügsam.
Das sagt torwart.de-Experte
Lars Leese
„Lehmann hat für mich die Ruhe ausgestrahlt, die ihm in den ersten Spielen noch gefehlt hat. Allerdings wurde er auch vor keine großen Prüfungen gestellt. Ganz wichtig war seine Körpersprache: Man hat gesehen, dass er wesentlich engagierter und aggressiver auf dem Platz zu erkennen war. So etwas machst du als Torhüter, wenn du mit dir zufrieden bist. Das pusht die Mitspieler, gerade Lehmann kann das gut. Zum Glück, denn gegen die Portugiesen brauchen wir einen Torhüter in Bestform. Wie sich Lehmann auf die Offensivkünstler einstellen wird? Mit Sicherheit wurden die Best-Of-Videos von Ronaldo und Co. mehr als einmal angeschaut, die Nationalmannschaft – und Lehmann – werden wissen, was auf sie zukommt. Ricardo, der Keeper der Portugiesen, muss dann gefordert werden, bislang war er einer der schwächeren Torhüter des Turniers. Die Deutschen müssen Ricardo zu Fehlern provozieren.
Jürgen Macho hat gut gespielt, beim Tor von Ballack trifft ihn, meiner Meinung nach, keine Schuld. Ja, es war die Torwartecke, aber was war das bitteschön für ein Brett? Der Ball kam doch mit fast 130 Km/h angeflogen. Da muss man die Kirche im Dorf lassen und sagen: Das war nicht Machos Fehler.“
Österreich:
Macho - Garics, Stranzl, Martin Hiden, Pogatetz - C. Fuchs - Aufhauser
- Ivanschitz - Harnik, Korkmaz, Hoffer
Einwechslungen:
55. Leitgeb für Martin Hiden
63. J. Säumel für Aufhauser
67. Kienast für Harnik
Deutschland:
Lehmann - A. Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm - Frings, Ballack - C.
Fritz , Podolski - Klose, Gomez