Slaven Bilic konnte es nicht fassen. Schwerlich unterdrückte er seine
Tränen und suchte vergebens in seinem Kopf nach der deutschen Sprache. Trotzdem
schaffte er es in einem Satz die vergangenen 120 Minuten präzise wiederzugeben.
„ Deshalb lieben alle Leute Fußball,“ stocherte der ehemalige KSC-Verteidiger
in das Mikrofon. Kurz danach verabschiedete er sich mit den Worten: „ Sorry
I can’t anymore.“
Verständlich für jeden, der das Viertelfinale zwischen Kroatien und der Türkei
verfolgt hat. Ein Spiel ohne sonderliche Klasse, aber mit einer einzigartigen
Dramaturgie, wobei am Ende erneut die Türken feierten. Ein Mann rückte dabei
besonders in den Mittelpunkt. Torhüter Legende Rüstü Recber lieferte
eine Leistung ab, die selbst ARD-Kommentator TomBartels völlig
aus dem Gleichgewicht brachte. In den ersten 60 Minuten geriet der 35 jährige
Rüstü in das Schussfeuer des Tribünenexperten. Minutiös achtete er auf
jeden Schritt des 117fachen Nationalspielers und stilisierte ihn zum großen
Unsicherheitsfaktor hoch. Zu diesem Zeitpunkt vollkommen zu Recht. Rüstü zeigte
erhebliche Schwächen in der Strafraumbeherrschung und hatte Glück, dass die
Kroaten sein unentschlossenes Herauskommen nicht ausnutzen konnten. In der Schlussphase
explodierte er dann plötzlich und holte einen Freistoß von Srna aus dem Winkel.
Tom Bartels konnte sich in der Folge kaum bremsen. Aus dem zu „alten,
nervösen“ Rüstü wurde schnell der „erfahrene, coole“ Schlussmann, den
man in solch engen Spielen braucht. In der Verlängerung wurde nahezu jede alltägliche
Ballaufnahme von Bartels mit einem euphorisierten „Rüstü hält die Kugel fest“
oder „Rüstü zeigt keine Nerven“ beglückwünscht.
Kurz vor dem Elfmeterschießen musste Bartels allerdings sein Fähnchen noch
mal schnell in eine andere Richtung halten. Rüstü irrte erneut im Strafraum
herum, vergeblich auf der Suche nach dem Spielgerät, das Modric gedankenschnell
in die Mitte zirkelte, wo Klasnic frei ins Leere Tor köpfte (119.), während
Rüstü noch an der Außenlinie zurücksprintete. Bartels ist mit
dem plötzlichen Fehler etwas überfordert und bemerkt, dass im Nachhinein die
Türken wahrscheinlich mit der zweifelhaften Sperre der etatmäßigen Nummer Eins
Volkan Demirel hadern würden. Viel Zeit bleibt jedoch nicht den Fehler
verbal auszuschlachten, denn die Türken schafften postwendend den Ausgleich
durch Semih (120.). Bitter für Stipe Pletikosa, denn der Schuss
war abgefälscht und dadurch unhaltbar. Zuvor musste der Keeper eigentlich kaum
angreifen und wenn legte er die in dem Turnier von ihm gewohnte Sicherheit an
den Tag.
Im darauf folgenden Elfmeterschießen wurde er zwei Mal klassisch verladen und
hatte beim ersten Elfer von Arda Pech, dass der Ball unter seinem Oberkörper
durchflutschte. Anders lief es für Rüstü, der den vorentscheidenden Elfmeter
von Petric halten konnte. Die Türkei zog ins Halbfinale ein und Bartels
entschied sich letztlich dafür, dass Rüstü nicht der Trottel, sondern der Held
von Wien sei.
Kroatien:
Pletikosa - Corluka, R. Kovac, Simunic, Pranjic - N. Kovac - Srna, Modric, Rakitic - Kranjcar - Olic