Erinnern wir uns: Petr Cech ist ein Weltklassetorhüter, noch mehr:
2005 wurde er sogar zum Welttorhüter - sozusagen der Beste seiner Zunft - gewählt. Ein eigentlich unfehlbarer Schlussmann, mit einem unglaublichen Talent gesegnet,
beim FC Chelsea seit Jahren ein immens sicherer Torhüter. Einer, von dem man sagt,
er mache keine Fehler. Seit Sonntag, den 15. Juni 2008, ist Cechs Torhüterdasein
auf den Kopf gestellt. Zumindest für den Moment. 2:1 steht es für seine Tschechen
im entscheidenden Gruppenspiel gegen die Turkei. Die Osteuropäer sind überlegen
in diesem Spiel, der starke Keeper Volkan hat zwar die beiden Gegentore
nicht verhindern können, doch ohne seine Taten stünde es hier bereits 4:0. Cech
dagegen hat einen verhältnismäßig beschäftigungslosen Abend. Lediglich mit gezielten
Abwürfen und weiten Abschlägen kann der schlacksige Hüne auf sich aufmerksam machen.
Dann kommt diese Flanke in den Strafraum, die den Perfektionisten Petr Cech noch
lange verfolgen wird. Der neue, sehr glatte Spielball dieses Turniers ist nass,
die Flanke angeschnitten, mit Effet. Weg vom Tor. Doch Cech hat in seiner Karriere
schon hunderte, tausende dieser Flanken abgefangen, in England macht das keiner
so routiniert, wie er. Doch diese eine türkische Flanke bleibt nicht an seinen
großen Händen kleben, plötzlich hat er Probleme und der Ball rutscht ihm aus den
Handschuhen. Im Fallen fehlt ihm nun die Orientierung, wo ist der Ball?!
Dann beginnt die zweite große Geschichte des verregneten Abends. Es ist die
von Türken-Stürmer Nihat, der in der spanischen Liga wie am Fließband traf,
bei der Europameisterschaft allerdings noch blass geblieben ist. Er steht bei
besagter Flanke von Hamit Altintop im Strafraum, die 87. Minute ist angebrochen
und die Türken haben alles nach vorne geworfen. Nihat weiß, dass er im Kopfballduell
mit den riesigen Verteidigern keine Chance hat und trotzdem steht er da. Was
soll er auch machen? Als Cech der Ball aus den Händen fällt, ist es der gewitzte
Türke, der am schnellsten reagiert: er hält einfach den Fuß hin und der Ball
rollt ins Netz. Die Türken können ihr Glück kaum fassen, beim Stand von 2:2
winkt das nicht mehr für möglich gehaltene Elfmeterschießen. Cech sitzt
am Boden und sein Gesicht ist leer, sein Schutzhelm lässt ihn in diesem Moment
noch betröppelter aussehen.
Aber noch sind einige Minuten zu spielen, und die
Tschechen drängen nach vorne. Der anschließende Ballverlust ist unnötig, scheint
aber nicht gefährlich. Doch über wenige Stationen gelangt der Ball erneut zu
Nihat. Der blickt kurz aufs Tor und zieht ab: sein Wahnsinns-Schuss prallt an
die Latte, von dort an Pfosten und ins Tor. An die Stange, wie die Österreicher
sagen.
Tschechien ist geschlagen, die Türken im Viertelfinale. Daran kann auch der
Platzverweis für Volkan nichts ändern – Tuncay muss für die letzten
Aktionen das Hemd seines Keepers überziehen, Trainer Terim hat schon dreimal
gewechselt. Das Märchen der Türken geht weiter und wenn es 1001 Nächte andauert,
man würde sich nicht mehr wundern.
Türkei:
Volkan - Hamit Altintop, Emre Güngör, Servet, Hakan - Mehmet Topal, Mehmet Aurelio - Tuncay, Arda - Nihat, Semih