Vielleicht beginnen wir den Spielbericht zum letzten Viertelfinale der Europameisterschaft in Österreich/Schweiz einmal mit einer ganz anderen Geschichte und stellen die Frage: Was, in Gottes Namen, hatte sich die Stadionregie bei ihrer Musikwahl in der Pause zwischen dem Ende der regulären Spielzeit und der Verlängerung bloß gedacht? Als Fußballfan ist man an schlimme musikalische Verbrechen in den Stadien bereits gewöhnt, doch was der gute Mann in der kleinen Box weit oberhalb des Mittelkreises da ins weite Rund schickte, glich fast schon einer Veralberung des (viel zu viel) zahlenden Publikums: „Let me entertain you!!!!“, brüllte der unvermeidliche Robbie Williams durch die Boxen. Lass mich dich unterhalten, lasst uns euch mit gutem Fußball verwöhnen! Doch was Spanien und Italien im als Klassiker angekündigten Spiel über weite Strecken boten, war einfach nur zum Abgewöhnen. Ein ganz fades Fußballspiel, dass den Zuschauer allerdings daran erinnerte, warum vor knapp 30 Jahren das Elfmeterschießen eingeführt wurde. So eine Partie verdient kein Wiederholungsspiel, sondern das größte Glücksspiel, dass der Fußball zu bieten hat.
„Elfmeterschießen“, verriet uns torwart.de-Experte Lars Leese vor dem
Turnierbeginn, „hat mit dem Torwartspiel an sich eigentlich gar nichts zu tun.“
Man könnte Leeses Statement auch erweitern und sagen: Eigentlich hatte dieses
Viertelfinale nicht viel mit Fußball zu tun. Obwohl das auch wieder Quatsch
wäre, denn interessierte Taktikstrategen und Liebhaber des risikoarmen, raumverengenden
Mittelfeldfußballs sind beim Kick Spanien gegen Italien mit Sicherheit auf ihre
Kosten gekommen. Und diese Partie war auch ein Duell der Torhüter: Iker Casillas
auf Seiten der Iberer und Gianluigi Buffon im Tor der Italiener. Erstmals
bei dieser EM sah man zwei Torhüter bei der Seitenwahl vor dem Anpfiff in der
Mitte des Feldes stehen. Ein Zeichen für die Ausnahmestellung der beiden Ausnahmekönner
in ihren ebenfalls nicht gewöhnlichen Mannschaften. Casillas und Buffon
verkörpern den Typus des Leaders im Tor, beide erteilten auch am gestrigen Abend
lautstarke Anweisungen, wobei die Rolle Buffons als Organisator des Abwehrverbundes
nach dem Ausfall von Spitzenkraft Cannavaro noch höher zu bewerten war.
Lange mussten die beiden Kapitäne auf ihre ersten großen Aktionen warten.
Zu unentschlossen präsentierten sich die Angriffsreihen und zu stabil standen
die jeweiligen Defensivketten und Achsen vor dem eigenen Tor. Nach einer Stunde
bewies Casillas seine Fähigkeiten bei der Fußabwehr, ein Elementarteilchen
des Torwartspiels, dass Casillas in der schnellen spanischen Liga nahezu
perfektioniert hat: Zu weit war Casillas aus seinem Tor geeilt (ohne den Ball
zu erreichen), doch in letzter Sekunden stürmte der Madrilene in seinen Kasten
zurück und wehrt Camoranesis Flachschuss mit dem Fuß ab. Buffon,
vor der Partie noch als „San Buffon“ belobigt, konnte sich weitestgehend auf
seine cleveren Vorderleute verlassen, die mit striktem Arbeitsfußball keine
wirklichen Chancen zuließen. Seine größte Tat bestand darin eine scharfe Flanke
in der 80. Minute wegzufausten. Auch in der Nachspielzeit blieb den beiden Toptorhütern
lediglich die Rolle des Zuschauers, erst im Lotteriespiel Elfmeterschießen war
der Blick wieder auf die Torhüter gerichtet.
Zweimal konnte Casillas einen Strafstoß abwehren (von de Rossi
und di Natale), Buffon parierte Guizas Schuss – zu wenig
für Italien. Die Spanier bekommen es nun mit der russischen Mannschaft zu tun,
vielleicht wird Casillas seine Fähigkeiten dann noch öfter unter Beweis
stellen müssen. Allen nichtspanischen Fans sei so ein Verlauf gegönnt.