Auf die Frage, ob er sich denn im holländischen Fußball noch auskennen würde,
antwortete Guus Hiddink selbstbewusst: „Ja ich weiß alles über den Verband
und ihre Spielweise. Deshalb wird mein Team perfekt vorbereitet sein auf das
Viertelfinale.“ Seine Spieler ließen den vollmundigen Ankündigung ihres Trainers
Taten folgen und besiegten die Niederlande hochverdient mit 3:1 n.V. (1:1).
Für Marco Van Basten brechen durch das unerwartete Ausscheiden voraussichtlich
schwere Zeiten an. Hat sein Wechselspiel im letzten Vorrundenspiel die Fahrt
aus der Stammelf genommen? Wieso musste Arjen Robben 120 Minuten auf
der Bank schmoren? War es richtig das holländische Dogma 4-3-3 nach Jahrhunderten
zu verwerfen? Und wie soll man in Zukunft ohne Edwin Van der Sar auskommen?
Fragen, denen sich der auch der neue Bondscoach, Bert van Marweik, in den nächsten
Wochen stellen muss, denn niemand kann nach der überragenden Vorrunde mit der
Endplatzierung zufrieden sein. Hauptsächlich letztere Frage sollte dem ehemaligen
Weltklassestürmer van Basten Kopfzerbrechen bereiten, mit Hinblick auf die WM
In Südafrika.
Van der Sar allein war es zu verdanken, dass die Holländer solange ihm
Spiel geblieben sind. Sensationelle Paraden zeigte der diesjährige Champions-League
Sieger. Gleich zwei so genannte unhaltbare Schüsse lenkte der schlaksige Schlussmann
mit den Fingerspitzen am Tor vorbei. In der Luft agierte er wie immer ohne Fehler
und griff sich jeden Ball der auch nur in die Nähe des Elfmeterpunkts flatterte.
Zudem verpuffte ein gefühltes Dutzend Ecken der Russen in den Handschuhen van
der Sars. Auch seine Körpersprache war ein Sinnbild für absolute Entschlossenheit.
Immer wieder peitschte er seine Vorderleute an, stand im ständigen Kontakt zu
seiner Abwehrreihe. Vor dem Anpfiff der Verlängerung schnappte er sich Superstar
Sneijder und redete wie wild auf ihn ein. Doch er reagierte auf die Worte
des Kapitäns mit einer gehörigen Portion Desinteresse. Eine ähnlich Situation
konnte man Beobachten als Robin van Persie die einzige wirkliche Torchance
der Niederländer in der zweiten Halbzeit kläglich verballerte. Statt seinen
Kameraden aufzubauen, trabte Sneijder wütend zurück und schenkte van
Persie ein lapidares Abwinken.. Der zufällige Ausgleich durch „ Van The
Man“ (86.) resultierte aus einer Standardsituation zu einem Zeitpunkt, als sich
die „Oranjes“ mit der Niederlage bereits abgefunden hatten.
Für Torwarttalent Igor Akinfeev war es eine undankbare Situation. Van
Niestelrooy kommt zwar am zweiten Pfosten im Fünfmeterraum zum Kopfball,
aber ein Herauskommen war eigentlich nicht möglich, denn der Freistoß wurde
von Sneijder aus dem Halbfeld mit viel Schnitt und Härte zum Tor gebracht.
Eben einer der Freistöße, bei denen man als Torwart oft schlecht aussieht, egal
ob man rauskommt oder auf der Linie bleibt. In der Verlängerung wunderte sich
Akinfeev vermutlich, dass er wieder kaum ins Spiel angreifen musste. Seine Mitspieler
rannten unbeirrt auf van der Sars Kasten und schafften es mit einem Doppelpack
durch Torbinsky ( 112.) und dem alles überragenden Arsahvin (116.)
das Spiel vor dem Elfmeterschießen zu entscheiden. Van der Sar war bei allen
Gegentoren machtlos, denn die Russen spielten sich ähnlich wie bei den Treffern
gegen Schweden bis 5-9 Meter vor das gegnerische Gehäuse, so dass sich van
der Sar einer 1-gegen-1-Situation stellen musste. Beim 3:1 hatte er dann
auch noch Pech, dass Arshavins Schuss abgefälscht wurde und nur so durch
seine Beine rutschte. Ärgerlich für van der Sar, dass er sich nun den Rekord
von 16 absolvierten EM Spielen mit Lilian Thuram teilen muss.
Niederlande:
van der Sar - Boulahrouz, Ooijer, Mathijsen, van Bronckhorst - de Jong,
Engelaar - Kuijt, van der Vaart, Sneijder - van Nistelrooy