Das internationale Torhüterspiel – ein ligenübergreifender Überblick - Teil 1: Dean Henderson (Manchester United / England)
von Johannes Jäger
„Ich habe zwei Nummer Eins“ – Manchester United Trainer Ole Gunnar Solskjaer generierte mit dieser Aussage vor dem Spiel gegen Brighton am 30. Spieltag in der Premier League eine hohe Aufmerksamkeitswelle. Der Cheftrainer ließ Taten folgen – Dean Henderson stand gegen die Seagulls im Tor und hatte seinen Anteil daran, dass Manchester United das Spiel mit 2:1 für sich entscheiden konnte.
Mit David de Gea, einen der bestbezahlten Torhüter im englischen Fußball und Nationaltorhüter Spaniens, auf die Ersatzbank zu setzen, wirft natürlich Fragen auf.
Dies kann durchaus als ein Signal gedeutet werden, dass sich in den europäischen Topligen ein Generationenwechsel auf der Torhüterposition anbahnt. Nicht nur in England, auch in Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland rücken vermehrt Torhüter in den Vordergrund, welche eine neue, junge Generation darstellen.
Für Experten und Trainer erlauben sie Einblicke in ein modifiziertes, torhüterspezifisches Anforderungsprofil.
Vor diesem Hintergrund sollen im Verlauf dieser 5-teiligen Reihe verschiedene, aufstrebende internationale Torhüter aus den großen europäischen Ligen vorgestellt und analysiert werden.
Autor Johannes Jäger geht dabei gezielt darauf ein, was die jeweiligen Torhüter ausmacht, wo die Stärken und Schwächen in deren Torwartspiel liegen, und welche Perspektiven und Potentiale sie in der mittelfristigen Zukunft haben werden?
Teil 1: Dean Henderson (Manchester United) - Premier League in England
Für den eingangs erwähnten Dean Henderson scheint die Zeit nun gekommen zu sein. Nach seiner Durchbruchsaison bei Sheffield United wird er nun vermehrt von Solskjaer in den Pflichtspielen berücksichtigt und kommt regelmäßig auf Spielzeit.
Gerade ein Blick auf seine Leistungen im Trikot von Sheffield gewährt einen detaillierten Einblick in das Spielerprofil des Eigengewächses von Manchester United. Der 24-Jährige beeindruckte in der Saison 19/20 besonders durch seine niedrige Gegentorquote. Mit 33 Gegentoren konnte er seinen PSxG (Referenzwert zur Erfassung der Wahrscheinlichkeit von Toren nach der Schussabgabe) von 38,2 übertreffen.
Im ligaweiten Vergleich lag er damit auf Rang Sechs und wies stärkere Zahlen gegenüber Torhütern wie de Gea oder Ederson (Manchester City) auf.
In der aktiven Verteidigung seines Tores zeichnet sich Henderson durch eine hervorragende Reaktionsfähigkeit gepaart mit passendem Stellungsspiel aus.
Zweiteres wird durch sein hohes taktisches Verständnis verstärkt. Sowohl bei Schüssen aus spitzen Winkeln als auch aus zentralen Positionen behilft sich Henderson oftmals durch eine geeignete Positionierung zu Ball und Tor.
Ebenfalls sucht er stets eine ausgeglichene Stellung in Relation zu beiden Pfosten (Winkelhalbierende), was seine situative Wahrnehmungs- und Einschätzungsstärke abermals verdeutlicht.
Infos zu Dean Henderson:
Nationalität: England
Geburtstag: 12. März 1997
Geburtsort: Whitehaven, England
Verein: Manchester United
Position: Torwart
Premier League-Spiele: 45
Liga: Premier League
Größe (cm): 188 cm
Bisherige Vereine als Spieler: Manchester United U-Mannschaften, Leihen nach Shrewsbury Town (2017 - 2018), Sheffield United (2018 - 2020)
Sein taktisches Verständnis versucht Henderson proaktiv im Spiel umzusetzen. Im 1-gegen-1 trifft er immer wieder die richtige Entscheidung zur Torverkleinerung und erhöht damit entscheidend die Wahrscheinlichkeit, das Duell gegen den Angreifer für sich zu entscheiden.
In der Raumverteidigung hat der 188cm große Henderson sogar deutliche Vorteile gegenüber de Gea. Dies lässt sich durch Statistiken belegen. Mit einer Abfangquote von 7,9% (de Gea: 5,3%) nach geflankten Bällen in den Strafraum befand sich Henderson in der Saison 19/20 in den Top Fünf dieser Kategorie in der Premier League.
Solche Zahlen verdeutlichen abermals den aktiven sowie offensiv ausgelegten Spielgedanken Hendersons. Des Weiteren agiert der englische Nationalspieler wesentlich häufiger außerhalb des Strafraums und konnte durch seine hohes Positionsspiel hinter der Abwehrkette 17mal die Bälle klären, die bei Pässen in die Tiefe gespielt wurden (Sweeps). De Gea konnte hierbei bisher 11 „Sweeps“ für sich verzeichnen. Jedoch reihen sich beide Torhüter in dieser Kategorie im Mittelfeld der Liga ein.
Die Spieleröffnung Hendersons war in der Saison 19/20 geprägt von langen Flugbällen. Generell war sein Passverhalten stark von längeren Distanzen abhängig, was auf den Spielstil von Sheffield United als Aufsteiger zurückzuführen ist. Hendersons wuchtiger Abschlag war dabei ein probates Mittel, um Pressinglinien zu überspielen und schnell in das letzte Drittel zu gelangen. Mit einer Passgenauigkeit von 29,5% fand jedoch nur knapp jeder dritte Flugball seinen Abnehmer, was als Defizit im Offensivspiel genannt werden muss.
Es bleibt daher abzuwarten, ob Henderson bei Manchester United, was als Spitzenteam häufig über eine kurze Spieleröffnung aus der Abwehrreihe agiert, sein Spiel mit dem Fuß anpassen kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Solskjaers Aussage vor dem Spiel gegen Brighton durchaus legitim erscheint. Henderson gilt als eines der größten Talente im englischen Fußball. Im englischen Nationalteam debütierte Henderson im Herbst 2020 in der Partie gegen Irland.
Er wird weiterhin Druck auf David de Gea aufbauen. Vielleicht verhilft der gesunde Konkurrenzkampf dem Spanier aber auch zu einer Leistungssteigerung, was ihn in seine Spur zurückbringen würde. Es bleibt also spannend am Old Trafford.
Kommentare (0)
Keine Kommentare vorhanden!