FC Bayern: Kann Oliver Kahn an seinem Posten festhalten?
Inmitten der sportlichen Krise bei den Bayern wird Kahn stark kritisiert
Autor: T. Rübe - 25.04.2023
Als Spieler hat Oliver Kahn mit dem FC Bayern München alles gewonnen, was möglich war. Der damals 25-Jährige wechselte 1994 vom KSC nach München. In München zeichnete sich Kahn durch seinen beinahe unbändigen Ehrgeiz aus. So prägte der Torwart, der später einmal angab, nie der talentierteste zu sein, dafür aber mehr arbeitete, als jeder andere, letztlich eine Ära bei den Bayern. Am Ende seiner Karriere als Aktiver standen so der Gewinn von 8 Meisterschaften, jeweils 6 Siege im Liga- und DFB-Pokal sowie jeweils einmal den UEFA Cup, die Champions League und den Weltpokal. Trotz mehrerer Wechselangebote, allen voran von Manchester United, blieb Kahn in München, auch wenn er es nach seiner aktiven Zeit bereute.
Für ihn sei es nach eigener Aussage wichtiger gewesen, in München eine Ära zu prägen, was ihm auch sportlich absolut gelang - und zwar so gut, dass in den nächsten Jahren weder der designierte Nachfolger Michael Rensing noch der überraschend zur von Trainer Louis Van Gaal zur Nummer 1 ausgerufene Thomas Kraft in seine Fußstapfen treten konnten. Erst Manuel Neuer gelang etwas Vergleichbares. Als Oliver Kahn dann 2020 in die Vorstandsetage des FC Bayern wechselte und dort einen Fünfjahresvertrag, wurde er sofort als Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzender aufgebaut. Nun sollte Oliver Kahn auch als Funktionär eine neue Ära bei den Bayern prägen. Seit Juli 2021 ist Kahn nun die Figur, die die Geschicke des Klubs leiten soll, doch wird nun die Kritik an dem ehemaligen Weltklasse-Torhüter immer lauter - und das auch nicht zum ersten Mal.
Schon bei dem Thema Katar im Herbst 2021 wirkte der Vorstandsvorsitzende ungewohnt blass und zurückhaltend. Die von den Fans geforderte klare Kante, die Kahn als Aktiver auszeichnete, zeigte der neue Vorstandsvorsitzende nicht. Vor allem auf der berühmten Mitgliederversammlung fehlte ein klares Statement. Das lag aber vor allem auch an dem Umstand, dass Qatar Airways ein Sponsor der Bayern ist und in den letzten Jahren auch dort mehrfach Trainingslager abgehalten wurden. Vor allem 2021 waren die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie allgegenwärtig, auch bei den Bayern. Das Geld, dass der Sponsoren-Deal mit dem Emirat bzw. dessen Firmen, einspielt ist beachtlich. Dem Vernehmen nach kassieren die Bayern bis 25 Millionen Euro jährlich. Dass Kahn daher auch die finanzielle Komponente bei der Diskussion um das Sponsoring aus Katar im Blick haben musste, ist verständlich. Dennoch fehlte hier das Profil, was die Granden Rummenigge und Hoeneß immer gezeigt hatten, wenngleich sie natürlich das Sponsoring erst abgeschlossen hatten.
Es zeigte, dass Oliver Kahn auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden deutlich bedachter bezüglich seiner Wortwahl war und bisweilen auch eher zögerlich, da er in seinen Entscheidungen nunmehr mehrere Betrachtungsweisen einfließen lassen musste und auch nach wie vor muss. Selbst dann, wenn er sich im ersten Moment in der Öffentlichkeit sehr überzeugt zeigt, gibt es im Anschluss doch wieder Situationen, die eine klare Haltung Kahns vermissen lassen. So sagte der ehemalige Welttorhüter, dass der Verein Robert Lewandowski nicht verkauft werden würde. Garniert wurde diese Aussage mit einem viel zitierten „Basta“. Letztlich wurde der Torjäger doch verkauft.
Doch vor allem in den letzten Monaten fehlte nach außen hin die klare Führung des Vorstandsvorsitzenden. Der Saisonstart in der Bundesliga verlief schleppend, doch konnten sich die Münchner bis zum Ende der Hinrunde wieder stabilisieren. So war man in der Bundesliga wieder auf Kurs Meisterschaft, im Pokal erreichte man locker das Achtelfinale und in der Champions League setzte man sich in der Gruppenphase mit 6 Siegen gegen Schwergewichte wie den FC Barcelona und Inter Mailand durch.
Die erste wirkliche Unruhe kam durch die Verletzung von Manuel Neuer auf. Relativ schnell positionierte sich die sportliche Führung in Person von Julian Nagelsmann, Hasan Salihamidžić und eben auch Oliver Kahn, dass ein weiterer Torwart verpflichtete werden sollte. Man traute dem eigentlichen Vertreter von Manuel Neuer, Sven Ulreich nicht zu, dass er für das Erreichen des Triples die notwendige Leistung erbringe. Gleichsam entschied man sich auch öffentlich relativ schnell für Yann Sommer, offenbar auch auf Wunsch des Cheftrainers. Ebenso gab es schon zu diesem Zeitpunkt Spannungen zwischen Nagelsmann und Tapalovic. Die Führungsetage hatte es in diesem Moment aber nicht geschafft, im Sinne des Vereins zu vermitteln, was aber retrospektiv betrachtet notwendig gewesen wäre. Vor allem Oliver Kahn hätte klar sein müssen, wie wichtig der Torwarttrainer auch im Mannschaftsgefüge sein kann. Als aktiver Keeper arbeitete Oliver Kahn über viele Jahre vertrauensvoll mit Sepp Maier zusammen, sowohl bei den Bayern als auch in der Nationalmannschaft. Maier war auf sportlicher Ebene regelrecht eine Art Ziehvater für Kahn. Von daher hätte Kahn es überblicken müssen, was Differenzen zwischen Nagelsmann und Tapalovic auslösen kann, gerade da der Torwarttrainer auch über das Torwartteam hinaus im Binnenklima große Auswirkung auf die Mannschaft hatte.
Doch ging die Fehleinschätzung sogar noch deutlich weiter. So entließ man mit viel Getöse den Torwarttrainer und brachte damit nicht nur Manuel Neuer und Sven Ulreich gegen sich auf, sondern eben auch Teile der Feldspieler. Was dann in der Rückrunde in der Bundesliga folgte, war eine Reihe schlechter Ergebnisse und einige Punktverluste im Fernduell mit dem BVB, der nach der Winterpause immer stärker aufkam. Auch der im Winter verpflichtete Yann Sommer hielt lediglich solide, aber nicht auf einem Niveau, dass sich die Bayern-Bosse vorgestellt hatten. Dabei ist Yann Sommer ein ganz anderer Torwart-Typ als Manuel Neuer. Dass sich Sommer demnach erst auf eine auf Manuel Neuer ausgerichtete Mannschaft einstellen muss, hätte vor allem Oliver Kahn als ehemaliger Weltklasse-Torwart so sehen müssen. Doch waren die Entscheidungen gegen Tapalovic und für Sommer noch nicht die einzigen, bei denen Salihamdzic und Kahn keine allzu glückliche Figur abgaben. Direkt vor den Spielen gegen Freiburg im Pokal, Manchester City in der Champions League und Borussia Dortmund in der Bundesliga entließen die Bayern Cheftrainer Julian Nagelsmann mit der Begründung, dass er die Kabine verloren hätte. Dass aber die Entlassung des langjährigen Torwarttrainers Toni Tapalovic dazu maßgeblich beigetragen habe, wurde hingegen nicht erwähnt. Auch hat der neue Torwarttrainer Michael Rechner, ein Bekannter von Nagelsmann aus gemeinsamen Hoffenheimer Zeiten, Sommer nicht sofort auf die Bayern einstellen können. Ob dieser auch über den Sommer hinaus bei den Bayern bleiben wird, ist indes fraglich. So hatte der neue Cheftrainer Thomas Tuchel bei seiner Antritts.PK auf die Frage, ob Rechner auch unter ihm Torwarttrainer bliebe, zunächst mit „Nein“ geantwortet. Später hieß es, dass noch nicht abschließend darüber gesprochen wurde.
Einen knappen Monat nach der Trainerentlassung ist nur noch die Meisterschaft möglich. Im Pokal gab es eine Niederlage zu Hause gegen Freiburg und in der Champions League schied man gegen Manchester City aus. Vor allem nach dem Hinspiel erntete auch Yann Sommer erstmals heftige Kritik, wenngleich diese teilweise am eigentlichen Kernpunkt vorbeiging. Doch aber lassen sich all diese Entwicklungen im Kern auf Oliver Kahn als Vorstandsvorsitzenden zurückführen. Kahns Vertrag besitzt noch eine Gültigkeit bis zum 31.12.2024. Über eine Vertragsverlängerung wurde nach einem Bericht der „Bild“ noch nicht gesprochen. Viel mehr soll es nun intern Stimmen geben, dass Kahn sogar vorzeitig abgelöst werden könnte. Gehandelt wird indes der Sohn von Uli Hoeneß, Florian Hoeneß. Auslöser dieser Spekulationen war ein Tweet vom ehemaligen Bundesliga-Profi und norwegischen TV-Experten Jan-Aage Fjörtoft. Etwaige Anfragen der „Bild“ ließ Hoeneß unbeantwortet. Doch könnte Hoeneß selbst dafür sorgen, dass sich die Gerüchte bewahrheiten. Der langjährige Manager sitzt noch im Aufsichtsrat und dieser wiederum könnte jederzeit Kahn absetzen. Dieser hingegen kämpft um seinen Verbleib und versprach nunmehr auch jeden Stein umdrehen zu wollen. Aufgrund der derzeitigen sportlichen Lage in München- nach dem Selbstverständnis der Bayern ist die alleinige Meisterschaft deutlich zu wenig- ist es auch zwingend notwendig. Eine Saison ohne Titel könnte das vorzeitige Aus besiegeln. Gegenüber der „dpa“ dementierte Bayern-Präsident Herbert Hainer die Gerüchte. Sie träfen schlicht nicht zu. Wie die „tz“ aber berichtet, gibt es dennoch in Führungskreisen Diskussionen um Oliver Kahn. Die nächste Aufsichtsratssitzung findet turnusgemäß Ende Mai statt.
Bis dahin ist die Bundesliga-Saison abgeschlossen. Das Minimalziel muss also zwingend erreicht werden. Für Kahns Profil wiederum wäre es gleichsam wichtig, dass er den Ehrgeiz, den er als Spieler immer gezeigt hat, nun auch als Vorstandsvorsitzender öffentlich zeigt und möglichst schnell die Weichen für eine erfolgreichere kommende Saison stellt. Sollte dies nicht funktionieren, wird ihm als Funktionär das nicht tun können, was ihm als Spieler in München gelungen ist - eine Ära prägen.
Kommentare (0)
Keine Kommentare vorhanden!