Als am 6. Februar 2006 Martin Stranzls Knie das Gesicht von Andreas Reinke zerschmettert, entgeht der Torhüter von Werder Bremen nur knapp dem Tod. Noch heute hat der 40-Jährige mit den Folgeschäden seiner Verletzung zu kämpfen.
torwart.de: Andreas Reinke, wo stecken Sie gerade?
Reinke: In Güstrow, meiner Heimatstadt, zusammen mit meiner Frau Kirsten und meinem Sohn, Pepe.
torwart.de: Was ist mit Ihrem Job als Torwarttrainer der U21?
Reinke: Den mache ich nicht mehr.
torwart.de: Warum?
Reinke: Kann ich Ihnen auch nicht so genau sagen. Die Mannschaft hat einen neuen Trainer bekommen, der sein neues Trainerteam gleich mitgenommen hat. Andreas Köpke hat mich drei Tage vor dem Freundschaftsspiel gegen Irland Bescheid gegeben, dass ich nicht mehr kommen brauche.
torwart.de: Und jetzt?
Reinke: Ich trainiere Kinder in Fußball-Schulen. Vor allem in den Ferien, ist ja bald wieder so weit. Ich habe genug zu tun, Langeweile kommt nicht auf.
torwart.de: Sollten Sie nicht eigentlich Torwart-Trainer bei Werder Bremen sein?
Reinke: So war das damals mit Klaus Allofs abgemacht. Wenn Budde aufhört (Dieter Burdenski, d. Red.), sollte ich seinen Posten übernehmen. Hat aber leider nicht so geklappt. Nachdem ich meine Karriere beendet hatte war das plötzlich nicht mehr aktuell.
torwart.de: Ihr brutaler Zusammenstoß mit dem Stuttgarter Martin Stranzl im Frühjahr 2006 ist allen Beobachtern von damals noch in Erinnerung. Haben Sie eigentlich Folgeschäden davon getragen?
Reinke: Rein äußerlich sieht man davon nichts mehr. Da ist alles verheilt. Die Innereien haben Schaden davon getragen. Ich habe andauernd Kopfschmerzen, Geruchs- und Geschmacksverlust und noch einige andere Dinge.
torwart.de: Hat man Ihnen Hoffnung gemacht, dass wieder vollständig gesunden?
Reinke: Die Chancen sind nicht wirklich groß. Der Unfall ist jetzt drei Jahre her, und die zerfetzten Nerven wachsen nicht mehr richtig zusammen.
torwart.de: Welche Verletzungen haben Sie damals konkret davon getragen?
Reinke: Meine Nase war komplett weg, acht oder neun Brüche im vorderen Gesichtsbereich. Stirnhöhle, Augenhöhle, alles war gebrochen. Ich wollte eigentlich weiterspielen, ich war ja nicht bewusstlos. Bis ein Betreuer zu mir sagte: Andy, leg dich lieber hin, du hast schon zu viel Blut verloren. Da habe ich gemerkt, dass vielleicht ein bisschen mehr kaputt ist.
torwart.de: Verursacht durch einen unglücklichen Zusammenstoß…
Reinke: So was passiert ja sehr selten, aber wenn es passiert, dann knallt es richtig. Bei der Aktion kam alles Pech zusammen. Ich habe einen Querpass vor dem Tor abgefangen und lag schon auf dem Boden, als Martin Stranzl in mich reingegejagt ist. Der war irgendwie ausgerutscht. Sein Knie wurde mich direkt in die Augenhöhle gerammt. Hätte er mich ein Stück weiter oben getroffen, wäre ich wohl mit einer Beule oder einer Schramme davon gekommen. Stranzl und ich sind keine Leichtgewichte, bei einem Zusammenprall kommt einiges an Masse und Kraft zusammen. Die Ärzte haben mir später gesagt, dass sie solche Verletzungen sonst nur bei Unfallopfern sehen würden, die mit ihrem Auto frontal gegen einen Baum gefahren sind. Letztlich haben Millimeter darüber entschieden, dass ich noch am Leben bin.
torwart.de: Sie sollen vor der Operation so etwas, wie ein Testament geschrieben haben.
Reinke: Man hat mir einen Zettel in die Hand gedrückt und ich habe irgendetwas da darf gekritzelt. Das, was mir einfiel in meinem Schmerzwahn. Man war sich nicht ganz sicher, ob es nach der OP jemals wieder würde schreiben können.
torwart.de: Stattdessen standen Sie nach nicht einmal drei Monaten wieder auf dem Platz.
Reinke: In meinem damaligen Wahn dachte ich, dass ich so schnell, wie möglich wieder spielen muss. Das war ein Fehler. Ich hatte Schmerzen und spürte die Nachwirkungen. Die Form, die ich vor der Verletzung hatte, habe ich nie mehr erreichen können. Ich war nicht mehr der Alte.
torwart.de: Was meinen Sie mit Wahn?
Reinke: Ich habe in meiner gesamten Karriere nie lange gefehlt. Egal ob es Bänderrisse, Knochenbrüche oder Zerrungen waren, ich wollte immer wieder so schnell, wie möglich auf den Platz zurück. Der Mannschaft helfen.
torwart.de: Wirklich Fuß gefasst haben Sie später in Bremen nicht mehr. Nach dem Ende bei Werder gab es einige Angebote, warum hat das nicht geklappt?
Reinke: Stimmt, es gab Anfragen. Ich hatte auch ernsthaft überlegt weiter Fußball zu spielen, aber das Risiko wollte ich nicht noch einmal eingehen. Ich bin mit einem Augenzwinkern aus diesem Unfall davon gekommen, danach sieht man einige Dinge anders. Ich bin froh, dass ich noch lebe. Dazu kamen die Schmerzen und meine Form. Fast 15 Jahre war ich Profifußballer, bin dauernd durch die Gegen gereist. Irgendwann musste mal Schluss sein mit dem Zigeunerleben.
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