torwart.de hatte die Möglichkeit ein ausführliches Gespräch mit Hans-Jörg Butt von Bayer Leverkusen zu führen. Butt gabs Auskunft über seine Tricks beim Elfmeter, seinen Einstieg in den Profibereich sowie aktuelle Ausblicke auf die Bundesliga sowie die WM.
Teil III: Das Torwartspiel und Torwarttraining von Jörg Butt
torwart.de: Du wirkst immer sehr abgeklärt und gelassen, wenn Du im Tor stehst? Woher nimmst Du diese Ruhe und Gelassenheit?
Butt: Das ist sicherlich eine Charaktereigenschaft. Ich denke, es hängt damit zusammen, dass ich immer alles sehr nüchtern und realistisch betrachte. Für Außenstehende mag der rasante Aufstieg vom Nobody zum Publikumsliebling traumhaft sein. Dabei kann man aber auch leicht abheben. Ich habe meine Entwicklung in Hamburg niemals zu euphorisch gesehen und konnte die Dinge, die um mich herum passierten, realistisch einordnen. Dabei war es sehr wichtig, immer den engen Kontakt zu Familie und Freunden aufrecht zu erhalten.
torwart.de: Weshalb schießt ein Torwart bessere Elfmeter?
Butt: Das hat sich bei mir einfach so entwickelt. Ich habe sehr lange in der Jugend im Feld gespielt, dabei auch im Sturm. Das kommt meinem Torwartspiel heute sehr zu Gute. Die ersten Elfer schoss ich in Oldenburg. In einem Regionalligaspiel gegen St. Pauli wurde Elfmeter gepfiffen – doch kein Feldspieler war bereit, diesen zu schießen. Ich hatte zuvor im Training das Elfmeterschießen trainiert. Ein Feldspieler forderte mich daher auf, anzutreten. Ich ging nach vorne und verwandelte. Im selben Spiel gab es einen weiteren Elfmeter, den ich ebenfalls erfolgreich absolvierte. In den folgenden Spielen erhielten wir in Oldenburg weitere drei Elfmeter, die ich schoss und in Tore umwandelte. In den Aufstiegsspielen zur 2. Bundesliga gegen TeBe Berlin konnte ich dann einen besonders wichtigen Elfmeter verwandeln. Das alles hatte sich dann sehr schnell in den entsprechenden Fussballerkreisen herumgesprochen.
Ähnlich verlief es beim HSV. Nachdem Yeboah verschoss, bat Pagelsdorf mich, den nächsten Elfmeter zu schießen. Kurze Zeit später gab es den nächsten Elfmeter, den ich verwandelte. Und so war ich auch in Hamburg und in der Bundesliga Elfmeterschütze.
Natürlich kann ich mich beim Schießen der Elfmeter in die Rolle des Torwarts hineinversetzen. Das ist schon ein Vorteil. Aber auch für mich als Torwart ist es gut, dass ich einschätzen kann, wie ein Schütze schießt oder schießen kann.
torwart.de: Wie oft habt Ihr Torwarttraining?
Butt: Wir machen in jeder Trainingseinheit Torwarttraining. In der Regel ist die ganze Aufwärmphase für das Torwarttraining vorgesehen. Das dauert zwischen 20 und 45 Minuten. Anschließend machen wir im Training bei der Mannschaft mit. Dabei werden beispielsweise Torschußübungen oder spezielle taktische Spielformen durchgeführt. Es gibt auch mal einzelne Einheiten, in denen wir ausschließlich Torwarttraining zwischen einer Stunde und 90 Minuten machen.
torwart.de: Wie gehst Du mit den Tipps und Hinweisen Deines Torwarttrainers um?
Butt: Es gibt im Profibereich sehr viele unterschiedliche Torwarttypen. Im Grunde hat jeder Typus seine Berechtigung, so dass man nicht sagen kann, dass dieser Torwarttyp richtig und der andere falsch sei. Ich für mich höre mir Hinweise der Torwarttrainer an und versuche für mich zu bestimmen, was ich davon übernehmen sollte und wie ich mich dadurch verbessern kann. Ich habe immer ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu den Torwarttrainern gehabt. Sehr viele Dinge werden besprochen, doch für mich ist es wichtig, dass ich meinen eigenen Weg gehen kann. Wenn ein Torwarttrainer zum Beispiel von mir fordern würde, dass ich meinen ganzen Bewegungsablauf beim Fangen einer Flanke verändern sollte, würde das nicht funktionieren. Ich würde dadurch all meine automatisierten Bewegungsabläufe verändern, würde anfangen, bei jeder Aktion nachzudenken, so dass das einen negativen Effekt auf meine gesamte Leistung haben würde.
torwart.de: Gibt es die Grundtechniken. Oder kann man verschieden Varianten sehen?
Butt: Die Ausführung der Grundtechniken im Torwartspiel kann sehr unterschiedlich sein und von vielen verschiedenen Faktoren abhängen. Es gibt Leute, die sagen, dass man z.B. niemals übergreifen sollte. Andere wiederum meinen, dass das Übergreifen normal sei. Das letztlich Entscheidende ist, dass Du den Ball hältst. Wie Du das machst, ist eigentlich zweitrangig.
torwart.de: Du hattest mit Toni Schumacher einen sehr prominenten Torwarttrainer. Wie war das Training mit ihm?
Butt: Im Vergleich zu seiner aktiven Zeit ist Toni als Trainer schon deutlich ruhiger geworden. Als er mein Torwarttrainer war, hatte ich bereits ein gewisses Alter, so dass es eher Kleinigkeiten waren, über die wir uns unterhielten und an denen wir gezielt arbeiteten. Es ging dabei eher um die tägliche Arbeit, wie z.B. die Erarbeitung der geforderten Fitness.
torwart.de: Hattest Du Probleme bei der Einführung der Rückpassregel?
Butt: Glücklicherweise fiel mir das Spielen mit der Rückpassregel leicht. Zum einen hatte ich im Jugendbereich auch im Feld gespielt und zum anderen bin ich gerade vom Jugendbereich in den Aktivenbereich gewechselt als die Rückpassregel eingeführt wurde.
torwart.de: Wenn Du auf Deine Profijahre nun zurückblickst. In welchen Bereichen hast Du Dich nochmals wesentlich weiterentwickelt?
Butt: Ich denke, wenn man mal in der Bundesliga angekommen ist, müssen die technischen und körperlichen Grundfähigkeiten einfach vorhanden sein. Was man noch verbessern kann, sind Kleinigkeiten. Die Fähigkeit, Spiele lesen und bestimmte Spielsituationen rechtzeitig antizipieren zu können, kann man auf alle Fälle auch als Profi noch stark verbessern. Das Grundgerüst muss einfach da sein, die Bewegungsabläufe müssen automatisiert sein. Dazu gibt es auch Beispiele, dass Torhüter im Profibereich einen neuen Torwarttrainer bekommen, der eine abweichende Torwartphilosophie vertritt. Alle Versuche, den Torhüter wesentlich zu verändern, scheitern in der Regel.
Auch wenn die Verbesserungen nur in kleinen Schritten voranschreitet, ist es für mich wichtig, ständig an mir zu arbeiten und mich verbessern zu wollen. Wenn diese Einstellung nicht mehr vorhanden ist, dann geht es mit der Leistungskurve nach unten.
torwart.de: Wie gut kann man einen Torhüter nach Fernsehausschnitten beurteilen?
Butt: Es ist schwierig, die Leistung der Torhüter nach kurzen Bildausschnitten zu bewerten. Es gibt Spiele, bei denen man überragend hält. Dabei musste man jedoch keine einzige Flugaktion zeigen. Ich versuche, sehr sachlich zu spielen und durch gutes Mitspielen gefährliche Situationen schnell zu bereinigen. Es ist klar, dass derartige weniger spektakuläre Situationen nicht in der Sportschau zu sehen sind. Wenn Du Dich allerdings entschließt, den Steilpass nicht abzulaufen und sich daraus eine 1-gegen-1- Situation ergibt, dann wird diese Szene natürlich im Spielausschnitt gezeigt. In der Regel kommen Torhüter, die auf der Linie spektakulär halten, besser weg.
torwart.de: Viele Torhüter pflegen zu den anderen Torhütern ein sehr gutes Verhältnis. Woher kommt das?
Butt: Die Torhüter wissen, dass sie eine gewisse Sonderstellung in der Mannschaft einnehmen. Somit tauscht man sich natürlich gerne mit Gleichgesinnten aus. In der Regel geben sich die Torhüter vor einem Spiel die Hand, was Ausdruck dieser gegenseitigen Wertschätzung ist. Von Torhüter zu Torhüter lassen sich viele Dinge ganz anders beurteilen. Wenn ich mit einem Stürmer über ein Tor diskutiere, sieht das ganz anders aus, als wenn ich mit einem Torwart darüber sprechen würde. Die Torhüter wissen genau, dass Fehler und auch kuriose Dinge bei jedem Torwart passieren können.
torwart.de: Welche Bedeutung haben für Dich die Torwarthandschuhe?
Butt: Die Handschuhe sind für mich das tägliche Arbeitsmittel. Das bedeutet für mich, dass sie optimal sein müssen. In meiner ganzen Profizeit und auch schon davor habe ich ausschließlich mit Handschuhen der Firma uhlsport gespielt. Hierbei ist für mich die Kontinuität in diesem Bereich sehr wichtig. Ein ständiger Wechsel zwischen verschiedenen Marken kommt für mich nicht in Frage. Ich habe uhlsport und die Ansprechpartner als sehr verlässlich kennen gelernt. Als ich in der Jugend angefangen habe, Torwart zu spielen, gab es nicht viele Wahlmöglichkeiten. Im Grunde konnte man sich lediglich zwischen den Marken Reusch und Uhlsport entscheiden. Ich kam zu den Uhlsporthandschuhen und war von Beginn an sehr zufrieden damit. Heute kennen wir uns schon so lange, dass Uhlsport genau weiß, welches Material ich benötige und ich weiß, welche Möglichkeiten uhlsport hat. Ich hatte einmal eine Fingerverletzung und uhlsport entwickelte für mich einen Spezialhandschuh. Innerhalb von 1-2 Tagen hatte ich den Handschuh, so dass ich ohne große Verzögerung wieder spielen und trainieren konnte. Heute ist die Beziehung zu Uhlsport natürlich auch sehr persönlich geprägt.
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