Birgit Leitner ist österreichische Nationaltorhüterin,
spielt in Deutschland beim FC Bayern München in der Frauen-Bundesliga und
hat somit fußballerische Einblicke in beide Länder. torwart.de-Redakteur
Jörg Scharnweber hat mit Birgit Leitner ein Interview geführt.
Sie gibt Auskunft darüber, wie Torhüterausbildung in Österreich aufgestellt
ist, wie sie vom FC Bayern entdeckt wurde und wie das Torwarttraining an der
Säbener Str. abläuft.
torwart.de: Bitte erzählen Sie uns kurz etwas zu Ihrem sportlichen Werdegang.
Birgit Leitner: Ich war eine echte Spätzünderin in Sachen Fußball. Erst
mit 18 Jahren habe ich so richtig mit dem Fußball in Hallein/Österreich begonnen
- ein Alter, in dem andere Fußballerinnen bereits mehrere internationale Einsätze
vorweisen können. Ursprünglich fing ich als Stürmerin an. Doch die Torhüterin
unserer Mannschaft verließ den Verein und so landete ich - eigentlich als Notlösung
gedacht - zwischen den Pfosten. Doch ich schien meine Sache gut gemacht zu haben,
denn aus der geplanten Übergangszeit ergab sich für mich eine feste Position
im Tor. Kurze Zeit später wechselte ich zum USK Hof, mit dem ich bis Sommer
2004 in der 2. Liga Österreichs spielte. Im Juli 2004 wechselte ich dann zum
FC Bayern nach München, wo ich bis heute als Torfrau spiele. Mein erstes Länderspiel
für Österreich machte ich 2001 gegen Ungarn. Mittlerweile habe ich 18 A-Länderspiele
absolviert. Doch ich mußte auch mit einigen Rückschlägen kämpfen, so erlitt
ich im Januar 2006 einen heftigen Kreuzbandriß.
torwart.de: Wie sind Sie denn überhaupt mit dem Fußball in Berührung gekommen? Oder sind Sie eine Quereinsteigerin, die vorher eine andere Sportart ausgeübt hat?
Leitner: Eigentlich wollte ich als 6-jähriges Mädchen bereits einem
Verein beitreten. Nur: Meine Teamkameraden wären lauter Jungen gewesen. Für
mich war das kein Problem, denn viele heute aktive Fußballerinnen spielten in
ihren Anfangstagen in Jungenmannschaften. Für den Salzburger Fußballverband
stellte das schon eher ein Problem dar und so wurde mein Wunsch von offizieller
Seite aus abgelehnt. Vermutlich war die Zeit nicht reif für fußballspielende
Mädchen in einer Welt, die damals ausschließlich von Jungen und Männern dominiert
wurde. In den Jahren danach kickte ich dann mit meinem Bruder und den Nachbarn
im Garten, bevor ich mit 11 Jahren Volleyball für mich entdeckte. Diesem Sport
blieb ich sehr lange treu, auch noch zu einer Zeit, als ich mit 18 Jahren ernsthaft
mit dem Fußball begann. Zwischen 1999 und 2001 habe ich beide Sportarten parallel
ausgeübt. Jeder, der mal in einer ähnlichen Situation steckte, kennt die Anspannung,
unter der man permanent steht, wenn man Trainingszeiten und Punktspiele zweier
Sportarten miteinander koordinieren muß. Irgendwann war aber der Punkt erreicht,
wo ich mich für eine der beiden Sportarten entscheiden mußte. Da ich im Fußball
die eindeutig besseren sportlichen Perspektiven gesehen habe, fiel die Entscheidung
dann zu Ungunsten des Volleyballs aus.
torwart.de: Wie wurden Sie vom FC Bayern entdeckt?
Leitner: Meine Teamkameradin Sonja Spieler empfahl mich der Trainerin
des FC Bay-ern, Sissy Raith. Im Juni 2004 rief Sissy mich an und lud mich zum
Probetraining nach München ein. Meine gezeigten Leistungen müssen die Verantwortlichen
überzeugt haben und so wechselte ich kurze Zeit später zu den Bayern.
torwart.de: Was macht das Torwarttraining beim FC Bayern aus?
Leitner: Das Torwarttraining ist sehr umfangreich und dabei stets abwechslungsreich. Mit Peter Kargus, einem Torwarttrainer aus dem Herrenbereich, haben wir einen sehr guten Trainer, von dessen Erfahrungsschatz wir profitieren können. Peter Kargus vermittelt uns Torhüterinnen viele neue Dinge und läßt uns an seiner langjährigen Praxis teilhaben. Immerhin hat er selber jahrelang als Torwart gespielt und kennt diese Position von der Pike auf.
torwart.de: Gibt es große Unterschiede zwischem dem deutschem und österreichischem Torwarttraining?
Leitner: Nein, das Torwarttraining der österreichischem Nationalmannschaft und des FC Bayern unterscheidet sich nicht groß. Sicherlich hat jeder Torwarttrainer andere Schwerpunkte und arbeitet deshalb ein wenig anders. Das hängt wohl mit den Erfahrungen zusammen, die der
jeweilige Trainer in seiner eigenen aktiven Laufbahn als Spieler gemacht hat. Und natürlich, welche Ausbildung er nach Beendigung der aktiven Zeit durchlief: Hat er nach seiner Laufbahn Trainerscheine bei einem Fußballverband erworben oder vermittelt er sein Wissen rein aus
seinen eigenen praktischen Erfahrungen?
torwart.de: Wie sieht ein repräsentatives Torwarttraining beim FC Bayern aus?
Leitner: Wir Torfrauen gehen meistens schon 30 bis 45 Minuten vor den
anderen Spielerinnen auf den Platz, damit wir später noch am Mannschaftstraining
teilnehmen können. Unser Torwarttraining beginnt logischerweise mit einem Aufwärmprogramm,
welches immer auf den Hauptteil der Trainingseinheit abgestimmt ist. Während
der Meisterschaft weist uns Peter Kargus während des Trainings konsequent auf
die Stärken der kommenden Gegnerinnen hin und wir werden entsprechend vorbereitet.
Wir versuchen also, uns schon möglichst frühzeitig auf die Mannschaft der nächsten
Begegnung und deren spielerische Stärken einzustellen. Selbstverständlich versuchen
wir im Training die eigenen Schwächen im Torwartspiel abzustellen und die Stärken
weiter auszubauen. Während des letzten Teils des Trainings sind wir bei der
Mannschaft und arbeiten mit unseren Mitspielerinnen an Dingen wie Spielaufbau,
Torabschluß, Schußtraining oder auch dem Einstudieren von Spielzügen.
torwart.de: Bekommen Sie etwas vom Torwarttraining der Bayern-Männer mit?
Leitner: Nein, da wir Frauen unser Trainingsgelände in der Gemeinde Aschheim vor den Toren
Münchens haben, bekomme ich aufgrund der Entfernung zur Säbener Straße leider überhaupt nichts mit.
torwart.de: Das Torwarttraining wird bisher ausschließlich von Männern
durchgeführt. Warum gibt es so wenige Frauen, die als Torwarttrainerin arbeiten
wollen?
Leitner: Zumindest in Österreich wird Torwarttraining noch nicht in
dem Maße angeboten, wie es eigentlich notwendig wäre. Folglich gibt es auch
zu wenig ausgebildete Trainerinnen und Trainer. Zwischenzeitlich gibt es aber
deutliche Tendenzen, daß die Vereine den Sinn und Zweck eines gezielten Trainings
für ihre Torhüter erkennen und entsprechend durchführen. Doch es braucht einfach
noch seine Zeit: Wenn vorher jahrelang kein Wert auf ein vernünftiges Torhütertraining
gelegt und auch keine Trainer ausgebildet wurden, kann jetzt nicht plötzlich
eine Vielzahl von fachlich versierten Trainern zur Verfügung stehen. Ich selber
kenne nur eine Torwarttrainerin; sie ist für den SC Freiburg tätig.
torwart.de: Arbeiten Sie mit Sponsoren zusammen und wie sieht dieses Sponsoring aus?
Leitner: Nein, leider nicht. Ich arbeite mit keinen Sponsoren zusammen.
Der Frauenfußball wird auch von Sponsoren erst so nach und nach entdeckt.
torwart.de: Wird es durch die anstehende EM auch Impulse für den österreichischen
Frauenfußball geben? Wie ist der momentane Stand im österreichischen Frauenfußball?
Leitner: Ob die EM positive Effekte für den Frauenfußball erzielen
wird, kann ich kaum beurteilen. Durch den FC Bayern bin ich sehr viel in Deutschland
unterwegs und bekomme die Stimmung in Österreich kaum mit. Allerdings wurde
in Salzburg nun eine Kampagne für Mädchenfußball ins Leben gerufen. Ich hoffe
sehr, daß diese Kampagne einiges bewirken kann und nach der EM nicht gleich
in Vergessenheit gerät. Generell ist Frauenfußball im Osten Österreichs - also
in Nieder- und Oberösterreich sowie in Wien - viel präsenter als im Salzburger
Raum. In den letzten Jahren hat sich zwar einiges bewegt, aber im Vergleich
zum restlichen Österreich leider noch viel zu wenig.
torwart.de: Wir danken für das Gespräch und wünschen für die private und
sportliche Zukunft alles Gute!
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