Der erste Gedanke, wenn man Tom Mickel zum ersten Mal aus größerer Entfernung bei der Arbeit zuschaut, drängt sich auf. „Hat Michael Rensing einen Bruder?“, fragt sich der Betrachter bei den Fangübungen des Torwarts, denn der Nachwuchskeeper von Energie Cottbus ähnelt in seiner äußeren Erscheinung dem Kollegen vom FC Bayern München in verblüffender Weise. Wie Rensing kommt Mickel als Kraftpaket mittlerer Körpergröße daher. Um den Torhüter der deutschen U 20-Nationalmannschaft jedoch richtig kennen zu lernen, empfiehlt sich ein Besuch hinter des Keepers Gehäuse. Schon beim Training wird deutlich, dass in ihm das Feuer des Ehrgeizes in beträchtlichem Ausmaß lodert. Lautstark verleiht Mickel seinen Emotionen und Kommandos für die Mitspieler Ausdruck, auch wenn es nur um die zehn Euro geht, die für den Sieger des Trainingsspiels ausgelobt wurden. Ein paar Prozent seiner Impulsivität entstammen Mickels derzeitiger Situation beim FC Energie. Im Cottbusser Regionalliga-Team kommt der Nachwuchstorwart selten zum Zug. Konkurrent Philipp Pentke soll sich bei der Reserve Spielpraxis holen, um als Ersatz für Bundesligakeeper Gerhard Tremmel fit zu sein. Dass Mickel derzeit wenige Einsätze hat, scheint auch mit dessen Flirt mit dem Hamburger SV zusammen zu hängen. Dorthin wollte der talentierte Ballfänger im Sommer 2008 wechseln, doch die Cottbusser Verantwortlichen schoben dem Transfer einen Riegel vor. In der U 20-Nationalmannschaft indes hatte Mickel im Oktober Gelegenheit, weiter auf seine Fähigkeiten aufmerksam zu machen. Beim 3:2 gegen die Altersgenossen aus der Schweiz fiel auf, dass er bei entsprechender Spielpraxis vor allem als Torwart, der viele Spielsituationen durch Antizipation entschärft, seinen Mann stehen kann.
torwart.de: Was war bisher dein größtes Erlebnis als Torhüter?
Tom Mickel: Obwohl ich nicht gespielt habe, war die U 19-Europameisterschaft für mich das herausragende Erlebnis. Vor allem das Halbfinale, als alle Zuschauer gegen uns waren, hat mich beeindruckt.
torwart.de: Wie hast du die U 19-EM von der Ersatzbank aus erlebt?
Mickel:: Auch wenn ich nur zugeschaut habe, hatte ich immer den Respekt meiner Mitspieler. Das hat es mir auch einfach gemacht, mich als vollwertiges Mitglied des Teams zu fühlen und voll mitfiebern zu können. Es war bei der EM spürbar, dass alle ein Ziel hatten: den EM-Titel nach Deutschland zu holen.
torwart.de: Du bist von der Jugend An gewohnt, im Tor immer die Nummer eins zu sein. Wie gehst du jetzt mit der Situation um, nicht spielen zu dürfen?
Mickel:: Ich muss damit leben, nur wenige Einsätze zu haben. Deshalb versuche ich, mich im Training, so gut es geht, für Einsätze anzubieten.
torwart.de: Wie eng ist dein Kontakt zu den Profis bei Energie Cottbus?
Mickel:: Mit den Profis trainiere ich nie, nur mein Kollege Philipp Pentke. Dass ich nicht bei den Profis dabei bin, hängt wohl damit zusammen, dass ich im Sommer einen Profivertrag in Cottbus abgelehnt habe.
torwart.de: Warum?
Mickel:: Ich wollte nicht in Cottbus bleiben, da ich in Kontakt mit dem Hamburger SV stand. Energie verweigerte mir aber die Freigabe, weil mit Martin Männel schon ein Torwart den Verein verließ und zu Erzgebirge Aue wechselte.
torwart.de: Wie unbefriedigend stellt sich für dich deine Situation dar?
Mickel:: Positiv ist nur, dass ich weiterhin mit dem Cottbusser Torwarttrainer Ronny Zeiß zusammen arbeiten kann. Schlecht ist, dass ich kaum Spielpraxis bekomme. Für mich ist die Situation insgesamt deprimierend.
torwart.de: Gibt es die Chance, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert?
Mickel:: Nein. Mir wurde mitgeteilt, dass ich nur noch bei den Amateuren zum Einsatz komme, wenn Pentke verletzt ist.
torwart.de: Was betrachtest du als deine Stärken?
Mickel:: Obwohl ich momentan nicht so viel Spielpraxis habe, klappt das schnelle Herauslaufen gut, weil ich Spielsituationen richtig einschätzen kann. Außerdem bin ich mit meinen Reflexen ganz zufrieden.
torwart.de: Wer sind deine Vorbilder?
Mickel:: René Adler und Manuel Neuer sind schon gute Torhüter. Sie haben beide eine starke letzte Saison gespielt. Sie verkörpern beide das moderne Torwartspiel mit schneller Spieleröffnung. Außerdem verzichten beide auf unnötige Showeinlagen.
torwart.de: Dein Kollege Sebastian Mielitz hat früher auch bei Cottbus gespielt. Ist es Zufall, dass von dort so viele gute Torhüter kommen?
Mickel:: Das kann kein Zufall sein und hängt wohl mit der Arbeit von Torwarttrainer Ronny Zeiß zusammen. Er erarbeitet mit uns viele technische Grundlagen bis ins kleinste Detail. Vor allem legt Zeiß Wert darauf, dass man mit beiden Beinen ballsicher ist.
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