torwart.de: Ihr Vater Gerd Kostmann war in den 1960er Jahren zweimal Torschützenkönig der DDR-Oberliga. Wie hat Sie das beeinflusst?
Kostmann: Ich wollte auch auf einer Spiel entscheidenden Position spielen, aber zum Rennen war ich zu faul. Deshalb ging ich ins Tor. Dort habe ich mich dann immer gefragt, wie ich meinem Vater ein Schnippchen schlagen kann.
torwart.de: Ist es ein Problem, dass die Torleute im Alter von zirka 20 Jahren wenig Spielpraxis in ihren Vereinen haben?
Kostmann: Auf jeden Fall. Eine meiner Hauptaufgaben ist deshalb, Geduld zu vermitteln. Als Ersatztorwart darf man nicht beleidigt sein. Man muss eher ein Interesse daran aufbauen, was mt einem passiert, wenn man ein Jahr lang nicht spielt. Dabei arbeite ich eng mit unseren Psychologen zusammen.
torwart.de: Welche spezielle Philosophie verfolgen Sie beim Training mit den Torhütern?
Kostmann: Für mich ist der Torwart ein Schnellkraftsportler, bei dem es auf Explosivität ankommt. Er muss eine Situation schnell einschätzen und darauf reagieren können. Ich halte es für falsch, immer nur auf Power Wert zu legen. Bei mir sind auch Stabilisationsübungen für Gelenke und Wirbelsäule integrative Bestandteile des Trainings. Krafttraining kann nur in den Vereinen praktiziert werden. Das ist ein langer Prozess, für den es in der Nationalmannschaft zu wenig Zeit gibt.
torwart.de: Es ist auffällig, dass viele deutsche Top-Torleute aus der ehemaligen DDR stammen. Sie selbst sind dort groß geworden. Ist die Flut an ostdeutschen Spitzenleuten Zufall?
Kostmann: Meiner Ansicht nach hat das seine Gründe. In der ehemaligen DDR wurde von klein auf viel Wert auf fußballerische Fähigkeiten der Torhüter gelegt. Außerdem war in der Sportschule immer jemand da, mit dem man trainieren konnte. Das war sehr wichtig, man bekam dadurch eine Menge Praxis, die eine entscheidende Rolle für die Qualität eines Torhüters spielt.
torwart.de: Haben Sie einen deutlichen Unterschied gemerkt, als Sie 1991 in den Westen gewechselt sind?
Kostmann: Aber sicher. Als ich von Union Berlin zum 1. FC Saarbrücken wechselte, gab es dor keinen Torwarttrainer, auch nachdem wir in die Bundesliga aufgestiegen waren. Heinz Böhmann, ein ehemaliger Saarbrücker Keeper, wurde später als Torwartcoach aktiviert.
torwart.de: Waren die Saarbrücker Zustände damals eine Ausnahme?
Kostmann: Leider nicht. Bundesligavereine ohne Torwarttrainer gab es damals einige.
torwart.de: Wie lange dauert es, bis Sie das Talent eines Torwarts erkennen?
Kostmann: Das sehe ich nur im Training. Wenn man einen Torhüter im Spiel beobachtet, kann man ja Pech haben und der zu beobachtende Keeper bekommt nichts auf sein Tor. Schon beim Aufwärmen ist erkennbar, ob Bewegungstalent vorhanden ist. Beim Training ist auch schon zu erkennen, wie es um Mut, Wille und Schnelligkeit bestellt ist.
torwart.de: Die Bälle waren noch vor kurzem als „Flatterbälle“ ein Thema. Wieso spricht jetzt niemand mehr von ihnen?
Kostmann: Die Bälle flattern, das ist Fakt. Man hat sich aber schnell an die veränderten Flugeigenschaften gewöhnt, weil im Training permanent mit den Bällen gearbeitet wird.
torwart.de: Empfehlen Sie Ihren Torhütern, verstärkt zu fausten?
Kostmann: Einen Teufel werde ich tun. Jede Situation ist anders. Unsere Aufgabe ist es, den Torwart zu stärken, die Entscheidung im Spiel trifft er selbst.
torwart.de: Welche Entwicklungen kommen auf die Torleute als nächste zu?
Kostmann: Der Fußball wird noch schneller. Der Torwart wird deshalb immer mehr zu einer Anspielstation, um das Spiel zu verlagern. Er wird immer mehr zu einem taktischen Mittel. Das ist erstaunlich, früher hat man ihn ja nur in Notsituationen ins Geschehen mit einbezogen. Die künftigen Aufgaben des Torwarts erfordern noch mehr Beidfüssigkeit und Integration ins Mannschaftstraining.
torwart.de: Wie ist beim DFB die Arbeit der Torwarttrainer organisiert? Welche Leitlinien werden von Andreas Köpke vorgegeben?
Kostmann: Köpke hat ein Programm mit Leitsätzen für die Torwartausbildung vorgegeben. Es enthält als Schwerpunkte schnelle Spieleröffnung, Beidbeinigkeit, präzise Abschläge und Abwürfe, gute psychologische Vorbereitung und das Bewusstsein um die Einmaligkeitsstellung des Keepers innerhalb der Mannschaft. Er muss wissen, dass er ein Spiel entscheiden kann und mit diesem Bewusstsein gut umgehen können.
torwart.de: Der Württembergische Fußballverband und der Fußballverband Niederrhein gehen bei der Torwarttrainerausbildung momentan eigene Wege. Wie bewerten Sie die Notwendigkeit einer standardisierten Torwarttrainerausbildung beim DFB?
Kostmann: Es ist absolut notwendig, dass die Torwartschulung in den Trainerausbildungen auf eine breitere Basis gestellt wird.
torwart.de: Gibt es in Deutschland Bestrebungen, eine eigene Ausbildung für Torwarttrainer anzubieten?
Kostmann: Beim DFB erarbeiten Jörg Daniel und Andreas Köpke hierfür die Grundlagen. In der Schweiz und den Niederlanden gibt es ja schon eigene Ausbildungen zum Torwarttrainer.
torwart.de: Vielen Dank, Herr Kostmann. torwart.de wünscht für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg!
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