Marco Kostmann ist Vollbluttorwart. Auch wenn der ehemalige Bundesliga-Profi des 1. FC Saarbrücken und des Hamburger SV nicht mehr selbst bei Spielen zwischen den Pfosten steht. Seit Beendigung seiner aktiven Laufbahn lebt Kostmann seine Leidenschaft für den Job mit der Nummer eins als Torwarttrainer aus. Aktuell betreut er die Keeper der deutschen U 20-Nationalmannschaft. Seine zentrale Botschaft: „Ich bin für den Spieler da – nicht umgekehrt.“
torwart.de: Ist es Zufall, dass verhältnismäßig viele Torhüter nach ihrer Karriere Torwarttrainer werden?
Marco Kostmann: Nein, das ist eigentlich der normale Verlauf. Als ehemaliger Torwart weiß man, was man selbst gerne trainiert hat. Man kann sagen, durch den Trainerjob bleibt das Hobby nach der aktiven Karriere Beruf. Leider bleibt das Hobby dadurch auf der Strecke. Es liegt auch an der hohen physischen und psychischen Belastung, die das Spiel auf der Torwartposition mit sich bringt. Generell ist das Torwartspiel weitaus intensiver als das eines Feldspielers.
torwart.de: Kann auch ein Feldspieler ein guter Torwarttrainer sein?
Kostmann: Bei entsprechendem Einfühlungsvermögen ja. Ich kenne aber keinen. Für wichtig halte ich es aber, mit den Feldspielern über unser Training zu reden. Ich sage immer zu den Kollegen: „Schaut bei uns mal drauf. Ist da etwas dämlich?“ Das mache ich deshalb, weil ich es für wichtig halte, offen für Input von außen zu sein und die Neugier zu bewahren.
torwart.de: Welchen Stellenwert nimmt für Sie das Thema Psychologie ein?
Kostmann: Die Psyche ist ein Hauptpunkt unserer Arbeit. Bei der Nationalmannschaft arbeiten wir schon im Jugendbereich eng mit Psychologen zusammen. Das Thema Psychologie wird für Torhüter immer wichtiger, da ab einem gewissen Leistungslevel alle Keeper gut ausgebildet sind. Die entscheidende Frage ist aber: Wer hält vor 40.000 Zuschauern oder mehr den entscheidenden Ball? Da muss ein Torwart alle störenden Faktorenausblenden können.
torwart.de: Wie individuell gestalten Sie das Torwarttraining?
Kostmann: Für völlig unterschiedliche Torwarttypen muss es auch unterschiedliche Trainingsinhalte geben. Ich muss den Spieler als Trainer dort abholen, wo er sich befindet. Das heißt: Für jeden Torwart gibt es bei mir nur die Übungen, die er braucht. Ich bin als Trainer für den Spieler da, nicht umgekehrt. Während der eine Torwart schwerpunktmäßig Stabilisationsübungen braucht, benötigt ein anderer eher Schnellkraftübungen. Ich halte nichts davon, wenn zwei Torleute dieselbe Übung machen.
torwart.de: Arbeiten Sie mit psychologischen Tricks?
Kostmann: Ich stelle mich auf die Psyche des jeweiligen Torwarts ein. Direkt vor dem Spiel kann ich zum Beispiel keine Übung anbieten, mit der mein Torwart Schwierigkeiten hat. Zum Beispiel kann ich ihm unmittelbar vor Spielbeginn eine komplizierte Koordinationsübung anbieten, wenn er sich beim Aufwärmen lieber auf seine starken Reflexe fokussieren möchte.
torwart.de: Was waren bisher die größten Talente, die Sie bisher trainierten?
Kostmann: Manuel Neuer und Florian Fromlowitz haben es bisher am weitesten gebracht. Das Wichtigste an meinem Job ist jedoch, jeden Torwart weiter zu bringen. Die Arbeit als Torwarttrainer der Elfenbeinküste beim Africa-Cup 2008 hat genauso Spaß gemacht.
torwart.de: Zum Abschied von Oliver Kahn schrieb Christof Kneer in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel mit dem Titel „der letzte Torwart“. Stirbt der klassische Torwart aus?
Kostmann: Das hört sich für mich sehr negativ an. Die Anforderungen an die Schlussleute haben sich zwar grundlegend geändert. Aber deshalb zu sagen „mach das nicht wie Oliver Kahn“ wäre für mich undenkbar. Ein Torwarttyp wie Kahn ist auch noch in 100 Jahren gefragt.
torwart.de: Wie hat sich das Torwartspiel Ihrer Meinung nach verändert?
Kostmann: Wenn mein Sohn, als er klein war, gefragt wurde, was sein Vater beruflich macht, sagte er: „Papa passt auf, dass der Ball nicht über die Linie kullert.“ Das hat sich geändert. Heute ist der Torwart eher Offensivspieler. Dabei sind beidfüßige Keeper gefragt, keine reinen Kraftmeier. Ein Torhüter soll Bälle halten, nicht zerquetschen.
torwart.de: Wie hat sich im Hinblick auf das neue Anforderungsprofil ihre Arbeit verändert?
Kostmann: Ich habe seit sechs Jahren, in denen ich Trainer bin, immer die gleichen Methoden. Ich habe noch nie mit Medizinbällen gearbeitet. Die zentrale Frage ist doch: Was verlangt das Spiel von uns? Deshalb lege ich viel Wert darauf, dass der Torwart möglichst viele Situationen zu antizipieren lernt.
torwart.de: Ist Antizipation trainierbar?
Kostmann: Um eine Situation im Keim ersticken zu können, muss man sie wieder erkennen. Per Videoanalyse arbeiten wir deshalb Spielszenen auf, die in ähnlicher Form immer wieder auf den Torwart zukommen können. Nach der Aufarbeitung per Video kann er sich entsprechend auf die Szenen einstellen.
torwart.de: Welche weiteren Schwerpunkte setzen Sie in Ihrer Arbeit?
Kostmann: Die Integration des Torhüters ins Team ist besonders wichtig. Das heißt, ich trainiere mit den Torhütern nicht mehr isoliert als unbedingt notwendig.
torwart.de: Läuft man da nicht Gefahr, dem Torwart seine Individualität zu nehmen?
Kostmann: Den großen Gegensatz zwischen Feldspielern und Schlussmann gibt es nicht mehr. Ich sehe diese Entwicklung positiv, weil das Spiel immer schneller wird. Es ist zwar wichtig, viel mit dem Fuß zu machen. Aber eine sogenannte Revolution im Spiel der Torleute sehe ich nicht.
torwart.de: Torhüter gelten als Einzelkämpfer. Wie kann man trainieren, dass sie sich in die Mannschaft integrieren?
Kostmann: Kommunikation spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Damit die Mannschaft Vertrauen zum Torwart bekommt, muss man viel miteinander reden. Zwischen Feldspielern und Torhütern bestehen ja trotz aller Entwicklungen erhebliche Unterschiede. Der Torhüter will gerne am Spiel Teil nehmen, weshalb es für den Feldspieler zum Beispiel zu wissen wichtig ist, welcher Fuß des Torhüters der Stärkere ist.
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