Es gibt kaum einen Torhüter, über den es mehr Anekdoten und Geschichten gibt als über Sepp Maier: Er trat als Clown im Zirkus Krone auf, er sprang einer Ente auf dem Spielfeld hinterher, flüchtete in Trainingslagern auf kuriose Weise vor den Trainern, um nicht erwischt zu werden und dennoch war er viel mehr als "Gaudibursch", oder wie er sich selbst einmal treffend beschrieb - eine Kultfigur. Doch rein auf den Fußball bezogen, war er der erste deutsche Torwart, der als Weltklasse- Torwart weltweite Beachtung fand.
Die Anfänge beim FC Bayern
Am 28.02.2024 feiert der ehemalige Torhüter des FC Bayern seinen 80. Geburtstag. Demzufolge wurde Joseph Dieter "Sepp" Maier am 28.02.1944 im niederbayrischen Meppen geboren. Später zog die Familie nach Haar, wo Maier in der Jugend beim TSV Haar spielte. Noch in der B-Jugend spielte er auf der Mittelstürmerposition und war gekränkt, wenn er doch hin und wieder bei Spielen im Tor stehen musste. Lediglich im Training stand er mitunter freiwillig im Tor - "zum Spaß", wie er es selbst beschrieb.
Maiers Aufstieg zum Stammtorhüter
Bei einem Pokalspiel war es dann mal wieder soweit und musste auf der eher unbeliebten Position spielen. Allerdings machte er es so gut, dass er fortan als Torwart dauerhaft spielen sollte und wurde im Jahr 1958 von Spähern des FC Bayern München entdeckt. Ein Jahr später, wechselte der damals 15-Jährige in die bayrische Landeshauptstadt. 3 Jahre später wurde er Vertragsspieler, war aber zunächst hinter Fritz Kosar, die Nummer 2 in der Regionalliga. Ein Jahr später wurde Maier Stammtorhüter und stieg 1965 mit den Bayern in die Bundesliga auf. Der Torwart selbst sagt bis heute, dass er bei den Bayern nie einen Vertrag hatte, zumindest nicht in schriftlicher Form. Die Vereinbarungen, die er mit dem Verein geschlossen hatte, sowohl als Spieler denn auch als Trainer, wurde mittels Handschlag fixiert.
Triumphe auf nationalem und internationalem Parkett
Zum Zeitpunkt des Aufstieges war Sepp Maier bereits Nationalspieler, nachdem er im Mai 1963 erstmals von Helmut Schön für die Länderspiele der Amateure in den Kader aufgenommen wurde. 2 Jahre zuvor wurde er ebenfalls von Helmut Schön in die Jugendnationalmannschaft berufen. Das erste Länderspiel indes absolvierte am 04.05.1966 gegen Nordirland und gehörte auch zum WM-Kader der Deutschen Mannschaft, war aber hinter Hans Tilkowski lediglich Ersatzmann.
Die sportlich große und erfolgreiche Zeit begann für den 1,85 m großen Torhüter und die Bayern ab 1966, als man erstmalig den DFB-Pokal gewann, im darauffolgenden Jahr diesen Triumph wiederholte und darüber hinaus auch noch den Pokal der Pokalsieger gewann. Erstmalig Meister wurden die Bayern 1969. Diesen Titel wiederholte man noch in den Jahren 1972, 1973 und 1974 und dominierte auch fortan auf internationaler Ebene. Den Europapokal der Landmeister, den Vorgänger-Wettbewerb der Champions League gewannen die Münchner von 1974 bis 1976 dreimal in Folge und sicherten sich 1976 auch noch den Weltpokal.
Die Katze von Anzing: einzigartiger Spielstil und Rekorde
Doch nicht nur auf Klub-Ebene gewann Sepp Maier, der spätestens ab dem Ende der 60er Jahre als einer der weltbesten Torhüter galt, alles. 1972 wurde Maier, der ab dem Jahr 1969 die deutsche Nummer 1 war, Europameister. 2 Jahre später folgte bei der Weltmeisterschaft 1974 im eigenen Land der größte Triumph als die deutsche Nationalmannschaft mit einem alles überragenden Sepp Maier, die Niederlande besiegte. TV-Kommentator Rudi Michel ließ sich euphorisch bei der Finalübertragung zu einem mittlerweile legendären Satz hinreißen: "Maier, immer wieder Maier."
Es war aber vor allem auch immer wieder die Art und Weise wie Maier spielte. Auf der Linie war Maier kaum zu bezwingen, gleichzeitig wirkte Maier anders als Oliver Kahn, sein späterer Schützling. Während Kahn bei seinen Hechtsprüngen bisweilen aufgrund seiner Statur beinahe brachial wirkte, agierte Maier deutlich anmutiger. Nicht grundlos bekam er den Beinamen "die Katze von Anzing". Der Torwart selbst beschrieb sich mitunter aber deutlich pointierter. So sagte er noch nach seiner aktiven Karriere, dass jedes Gegentor, das er hinnehmen musste, schlichtweg unhaltbar gewesen sei - denn sonst hätte er die Schüsse gehalten. Ähnlich süffisant bemerkte er zu seinem Spielstil: "Wennst richtig zum Ball stehst, brauchst net fliagen." Auch folgendes Zitat zur Tätigkeit des Torhüters stammt von Maier: "Du musst einen in der Waffel haben, sonst ergreifst du diesen Beruf nicht."
Gleichsam war Sepp Maier nie verletzt. So bestritt der Torhüter 442 Erstliga-Partien am Stück, ohne von einer etwaigen Sperre oder Verletzung ausgebremst zu werden. Dies entspricht 13 Jahren. Bis heute ist dieser alleiniger Rekord. Bezüglich etwaiger Verletzung sagte der Torhüter einst: "Wenn mir etwas weh tat, gab es eine Cortison-Spritze vom Arzt und anschließend stand ich mit leuchtendem Kopf auf dem Fußball-Platz." Mit 706 Pflichtspielen ist er bis heute Rekordspieler der Bayern.
Fakten zu Sepp Maier:
Geboren am 28.2.1944 in Metten, Niederbayern
Maier spielte 442 Bundesligaspiele in Folge und hält damit den Rekord
In 137 Spielen von 473 Spielen blieb er ohne Gegentor
Erfolge Nationalmannschaft:
Weltmeister 1974
Europameister 1972
Dritter WM 1970
Zweiter EM 1976
95 A-Länderspiele zwischen 1966 und 1979
Erfolge FC Bayern:
Meister 1969, 1972, 1973, 1974
DFB-Pokalsieger 1966, 1967, 1969, 1971
Europapokalsieger der Pokalsieger 1967
Europapokalsieger der Landesmeister 1974, 1975, 1976
Weltpokalsieger 1976
Diverse Erfolge als Torwarttrainer:
Weltmeister 1990
WM-Zweiter 2002
Europameister 1996
EM-Zweiter 1992
9-facher Deutscher Meister
6-facher DFB-Pokal-Sieger
Champions-League-Sieg 2001
Verkehrsunfall beendete Maiers Karriere abrupt
Seine aktive Karriere endete jäh mit einem selbstverschuldeten Verkehrsunfall 1979, als er bei Aquaplaning von der Fahrspur abkam und gegen ein entgegenkommendes Auto prallte. Zwar wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, doch erkannten die diensthabenden Ärzte nicht die Schwere der Verletzung. So ging man zunächst lediglich von mehreren Rippenbrüchen aus. Auf Initiative vom herbeigeeilten Uli Hoeneß, der gerade Manager der Bayern geworden war, und dem Vereinsarzt der Bayern wurde Maier ins Krankenhaus Großhadern eingeliefert. Die dort gemachten Röntgenbilder zeigten einen lebensbedrohlichen Lungenriss sowie ein Zwerchfell-Riss und über 2l Blut im Bauchraum. Eine sofortige Not-OP rettete dem damals 35-Jährigen gerade so das Leben. Die Karriere konnte aber danach nicht noch einmal fortgesetzt werden. Kurz zuvor lehnte er noch ein Angebot von Cosmos New York ab. Dort hätte er bei einem Jahresverdienst von einer Million Mark noch einmal zusammen mit Franz Beckenbauer zusammenspielen können. Doch für Maier gab es damals wie heute nur den FC Bayern München.
Karriere als Torwarttrainer beim DFB und FC Bayern
Das änderte sich auch nicht während seiner Trainertätigkeit. Von seinem langjährigen Freund Franz Beckenbauer wurde Maier dazu gebracht ab dem EM 1988 im eigenen Land als Torwarttrainer der deutschen Nationalmannschaft zu fungieren. Als Torwarttrainer der Nationalmannschaft erlebte er den Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 und den Titel des Europameisters 1992. 2002 wurde Deutschland mit einem überragenden Oliver Kahn Vizeweltmeister.
2004 fand die Torwarttraineraufgabe von Maier beim DFB sein Ende. Neuer Cheftrainer der Nationalmannschaft mit der Mission WM 2006 wurde Jürgen Klinsmann. Klinsmann veränderte im Umfeld der Mannschaft sehr viele Dinge. Für Klinsmann wurde auch schnell klar, dass er für sein Spielsystem auf den fußballerisch stärkeren Jens Lehmann im Tor setzen würde. Da Maier auch Kahns Torwarttrainer bei den Bayern war, entschloss sich Klinsmann, auf Maier zu verzichten und auf den „neutraleren“ Andy Köpke als Torwarttrainer zu setzen.
Wörtlich ist in dieser Debatte unter anderem folgender Satz von Maier als Torwarttrainer verbrieft: "Da kann sich Lehmann aufhängen - Oliver Kahn ist der Bessere." Spätestens in diesem Moment wurde allerdings auch wieder die besondere Nähe Maiers zum FC Bayern und zu den Bayern-Spielern deutlichen, denn zwischen 1982 und 2008 war Maier auch noch Torwarttrainer bei den Bayern. Dabei war Maier 1982 einer der ersten Torwarttrainer in der Bundesliga. Bayerns neuer Torwart, Jean-Marie Pfaff, fragte Maier, ob er ihn trainieren würde. Mit der Erlaubnis von Uli Hoeneß und vereinbartem Benzingeld wurde Maier zum ersten Torwarttrainer bei den Bayern.
Ab 1994 war Maier fest angestellter Torwarttrainer bei den Bayern. Oliver Kahn wechselte vom KSC zu den Bayern und Maier bekam den Auftrag den jungen Torwart zur Weltklasse zu entwickeln, was ihm in den folgenden Jahren eindrucksvoll gelang.
2008 wiederholte sich die Geschichte. Jürgen Klinsmann wurde Trainer bei den Bayern. Damit endete die Zeit als Torwarttrainer bei den Bayern.
“Neuer ist für mich die Nummer 1 bei der EM”
Bis heute hält im Übrigen die große Sympathie Maiers zu den Bayern-Spielern an. In der aktuellen Debatte, wer bei der Heim-EM im Sommer die deutsche Nummer 1 sein soll, bezog Maier unlängst Stellung: "Nur der Neuer.(...) Manuel Neuer war lange verletzt nach seinem Ski-Unfall. Aber jetzt ist er wieder fit. Man kann einen Spieler, der so viele Länderspieler hat und schon so viel Erfolg mit der Nationalmannschaft hatte, nicht einfach sagen, du spielst nicht. Sonst geht es Neuer wie Olli Kahn 2006." Maier ging noch konkreter auf die Entscheidung zur WM 2006 ein: "Kahn war auch jahrelang die Nummer 1 - und bei der WM spielte er nicht, weil es dem Bundestrainer so einfiel. Weil er den Jens Lehmann ins Tor tun wollte. Den Stammtorhüter haben sie rausgenommen. So wäre es auch jetzt mit Neuer. Natürlich ist er ins Alter gekommen. Aber Neuer ist für mich trotzdem noch die Nummer 1 in Deutschland, logisch. Man kann nicht alles vergessen. Er war Welttorhüter. Er hat 117 Länderspiele. Er hat alles schon gespielt, Weltmeisterschaften, Europameisterschaften." Neuer ist im Übrigen der absolute Rekordtorhüter der Nationalmannschaft. Auf Rang 2 ist aber immer noch ebenjener Sepp Maier mit 95 Länderspiele. Diese Bestmarke hatte die Katze von Anzing bis November 2020 inne.
Bisweilen ist die Wortwahl von Maier sicher etwas überzogen gewesen, doch wollte der Keeper manchmal auch einfach über das Ziel hinausschießen, denn wie sagte er selbst auch einmal über seine eigene Karriere: "Eigentlich hätte ich Schauspieler werden sollen- ein ganz großer sogar. Irgendwie aber bin ich Torwart geworden." Aber auch hier war er einer der großen und bis heute einer der größten Torhüter aller Zeiten.
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