„Und jetzt kann Sara sich noch einen aussichtslos scheinenden Ball einholen,
Paß nach links herüber, es gibt Beifall für ihn, da kommt Krankl, vorbei diesmal
an seinem (...) Bewacher, ist im Strafraum – Schuss ... Tooor, Tooor, Tooor,
Tooor, Tooor, Tooor! I wer' narrisch! Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich!
Meine Damen und Herren, wir fallen uns um den Hals; der Kollege Rippel, der
Diplom-Ingenieur Posch – wir busseln uns ab. 3:2 für Österreich durch ein großartiges
Tor unseres Krankl…“
Der gute Edi Finger, möge er in Frieden ruhen. Seine legendären Sätze nach
dem entscheidenden Tor der Österreicher beim eigentlich bedeutungslosen WM-Spiel
zwischen Deutschland und Österreich, haben den charismatischen Radiokommentator
überlebt. In Österreich, wo am es am Montag in Wien zum letzten Gruppenspiel
der deutschen Mannschaft gegen den Gastgeber geht, kann man sich dem Gruppenspiel
der Weltmeisterschaft 1978 nicht entziehen.
Es war der letzte Sieg einer österreichischen Fußball-Mannschaft gegen den
großen Bruder Deutschland, die Piefkes, wie wir Deutschen im Land der Alpen
halb herablassend, halb neidisch bezeichnet werden. Die kleine Nation zwischen
Deutschland und Italien hofft am Montag-Abend auf ein neues „Cordoba“.
Wenn man es ganz genau nehmen will: auf ein neues Cordoba de la Nueva Andalucia.
So heißt die 1,3 Millionen-Stadt Argentiniens. Mehr Einwohner hat nur noch die
Hauptstadt Buenos Aires.
Gute Basketballer haben sie in Cordoba, Rekordmeister Atenas gilt als eine
der besten Mannschaften außerhalb der amerikanischen Profiliga NBA. Ob sich
die Menschen in Cordoba noch an den 21. Juni 1978 erinnern können? An das Gruppenspiel
zwischen Österreich und Deutschland? An die Tore von Rummenigge, Vogts, Hölzenbein
und Krankl? Wohl eher nicht. Im EM-Gastgeberland hingegen ist die exakt 11.896
Kilometer von Wien entfernt gelegene Stadt zu einem Mythos geworden.
Friedl Koncilia hieß der Torwart der siegreichen österreichischen Nationalmannschaft
damals. In die „Austria-Elf des Jahrhunderts“ haben sie ihn gewählt, im Nachbarland.
In die Mannschaft der besten Fußballer, die je für Austria Wien auf dem Platz
standen. Das wird seine Gründe haben. 84 mal hütete er den Kasten für sein Land.
526 Meisterschaftsspiele, 76 Pokalspiele und 51 Europacupspiele vervollständigen
das Bild eines der besten Torhüter der österreichischen Fußball-Historie. Sein
Karrierehighlight im Tor der Nationalmannschaft hatte auch Koncilia an jenem
21. Juni 1978.
Doch nur 19 Minuten nachdem Schiedsrichter Klein aus Israel das Spiel
um 17.45 Uhr Ortszeit angepfiffen hatte, musste Koncilia hinter sich
greifen. Karl-Heinz Rummenigge, der wendige Bayern-Stürmer, hatte ihn
überwunden. 40 Minuten mussten Kommentator Finger und seine Hörerschaft
warten, ehe Berti Vogts mit einem Eigentor den ersten Treffer für die Österreicher
erzielte. Bis heute gilt der ob seiner Physiognomie ohnehin für Spott und Slapstick
anfällige Vogts dafür als Lachfigur. Sepp Maier, in seinem letzten
Turnierspiel als Nationaltorwart, hatte keine Chance, gegen den abgefälschten
Ball seines Innenverteidigers. Hans Krankl erzielte in der 66. Minute sogar
die Führung, die Zuschauer wähnten eine Sensation, doch Bernd Hölzenbein,
der Frankurter, egalisierte nur zwei Minuten später auf 2:2.
Dann nahm der Mythos seinen Lauf. Krankl, der elegante Stürmer
vom FC Barcelona, hatte sich in der 88. Spielminute den Ball im Strafraum erhalten,
ein kurzer Wackler, ein Flachschuss und Weltklassekeeper Maier war überwunden,
wie ein Theken-Torwart. Am Montag fordern die österreichischen Fans ein zweites
„Cordoba“. Um 20.45 Uhr treffen beide Teams im Wiener Ernst-Happel-Stadion
aufeinander, exakt 29 Jahre und 360 Tage nach dem 3:2-Erfolg in der argentinischen
Basketballmetropole.