Die Regeln sind denkbar einfach: Pfeift der Schiedsrichter einen Freistoß, ist klar, was nun kommt. Bevor der Freistoß ausgeführt wird, muss der Ball ruhig am Boden liegen, das heißt der Freistoß wird mit einem ruhenden Ball ausgeführt. Alle Spieler der verteidigenden Mannschaft müssen sich in einem Abstand von mindestens 9,15 m zum Ball oder auf der eigenen Torlinie zwischen den Pfosten befinden. Doch in der Praxis führen Freistöße und das richtige Stellen der Mauer für Keeper immer wieder zu Problemen.
Wir gehen also der Frage nach: Wie soll sich ein Torhüter bei einem gegnerischen Freistoß verhalten?
Ein erstes Problem, welches sich für die Torhüter stellt, ist die Frage, wie eine richtige Mauer gestellt werden soll. Thomas Schlieck, Torwartkoordinator von Schalke 04, erklärt gegenüber torwart.de dazu: „Es hängt immer davon ab, in welcher Liga du spielst. Man muss zwischen Profi- und Amateurbereich unterscheiden. Im Profibereich weißt du absolut, was dich erwartet, daher gibt es dort auch klarere Richtlinien für die Gestaltung der Mauer und das Positionsspiel und Verhalten des Torwarts.“
Jede Freistoßposition in der Nähe des Tores erfordert die volle Konzentration des Torhüters und der gesamten Mannschaft. Auch im Amateur- oder Jugendbereich sollten schon klare Aufgaben und Zuordnungen für den Fall eines gegnerischen Freistoßes vor dem Spiel verteilt werden.
Entscheidend für das Stellen der Freistoßmauer, das Position des Torwartspiels und das Verhalten der übrigen Abwehrspieler ist die Freistoßsituation.
Die Freistoßmauer dient hauptsächlich dazu, den Torhüter bei der Verteidigung des Tores (=Zielverteidigung) zu unterstützen. „Die Mauer verkleinert das für den Torhüter zu verteidigende Tor maßgeblich“, erläutert Thomas Schlieck. Daraus leitet sich natürlich ab, dass bei zentralen und sehr strafraumnahen Freistoßsituationen die Mauer aus mehreren Spielen bestehen muss. „Bei einer zentralen und sehr torgefährlichen Position besteht die Mauer aus bis zu 5-6 Spielern. Der Torwart kann somit sein zu verteidigendes „virtuelles“ Tor deutlich verkleinern. Selbst bei harten und gezielten Schüssen, die der Torhüter auf sein kleines virtuelles Tor erwartet, hat er sehr gute Chancen den Torerfolg zu verhindern“, führt Schlieck weiter aus.
Ein Spieler in der Mauer, am besten der Zweitäußerste, dreht sich zum Torwart und stellt so auch die Mauer. Der äußere Spieler solle dies nicht übernehmen, da ansonsten die Gefahr des Zirkelns um die Mauer besteht. Aber auch das Verhalten innerhalb der Mauer sollte ebenfalls gut überlegt sein. Vor dem Schuss des Freistoßschützen sollte niemand hochspringen, sondern auf Zehenspitzen stehen und abwarten, ob der Ball ggf. flach geschossen wird.
Einen Sonderfall stellt der indirekt ausgeführte Freistoß dar. Der indirekt ausgeführte Freistoß aus zentraler Strafraumnähe ermöglicht der angreifenden Mannschaft durch ein kurzes Anspiel auf den Schützen, das kleine virtuelle Tor wieder zu vergrößern. Im Extremfall kann ein indirekt ausgeführter Freistoss dazu führen, dass durch die neue Position des Balles die Mauer keinen Beitrag zur Abdeckung des Tores leistet.
Wie sollen die Abwehrmauer und der Torhüter nun darauf reagieren?
Sobald ein Anspiel auf den Freistossschützen erfolgt, muss der Torhüter sein Positionsspiel in Sekundebruchteilen wieder neu ausrichten, um die optimale Abwehrposition einzunehmen. Hier ist eine gute und schnelle Beinarbeit gefragt. Selbst kleinste Positionsveränderungen zur Seite oder leicht diagonal nach vorne können sehr effektiv sein und die Abwehrchance des Torhüters erhöhen. „Ein häufiger Fehler dabei ist, dass die Torhüter während des Schusses noch in Bewegung sind und keinen Bodenkontakt mit den Füßen haben“, sagt Thomas Schlieck.
Ein weiteres Hilfsmittel für die Entschärfung gefährlicher indirekter Freistosssituation ist, dass der ballnächste Spieler der Mauer sofort nach Ausführung des kurzen Anspiels den Schuss des Schützen blockt. Wichtig ist, dass sowohl die Abwehr und der Torhüter damit rechnen, dass ein geblockter Schuss auch leicht zu einem abgefälschten Schuss führen kann und der Ball weiter im Spiel bleibt.
Je seitlicher oder weiter weg die Freistosssituation auftritt, umso mehr ist die Aufgabenstellung weniger das Tor direkt zu verteidigen, sondern mehr verteidigt er mit den Abwehrspielern den Raum vor seinem Tor (=Raumverteidigung).
Besonders schwierig sind dabei die Freistöße, die z.B. in der Nähe der Strafraumecken ausgeführt werden. Hier muss der Torhüter sowohl damit rechnen, dass die Bälle direkt auf das Tor gespielt werden (=Zielverteidigung), als auch, dass der Freistoß in den Raum vor das Tor gespielt wird (=Raumverteidigung). Die Herausforderung für den Torhüter liegt damit im Coaching seiner Mitspieler: der Torhüter stellt seine Mauer und muss zudem seinen Abwehrverband zur Verteidigung des Raums unmittelbar vor dem Tor organisieren.
Ein besonderer Fall ist, wenn ein indirekter Freistoß im eigenen Strafraum ausgeführt wird. Einige erinnern sich noch sicherlich noch an das Pokal-Viertelfinale von Holstein Kiel gegen den BVB, als Kiel-Keeper Morten Jensen sichtlich überfordert war und die Mauer am Ende das Tor nicht abdecken konnte. Wie also sollte ich mich als Torwart dabei verhalten? „Die zentrale Frage ist, wie nahe ist der Ball am Tor? Ist der Ball im Bereich des Fünfmeterraums sollte der Torwart immer vor der Mauer stehen und er ist derjenige, der sich zum Ball bewegt. Im Grunde könnten alle Spieler das Tor komplett abdecken“, sagt Schlieck.
Am besten übt man die Freistosssituationen im Training. Denn dort werden die Grundlagen für das Verhalten bei Standardsituationen trainiert. Hilfsmittel gibt es dabei genügend, auch mit Mauermännchen aus Pappe oder Kunststoff sowie einem Mitspieler, der die Freistöße schießt, kann man solche Situationen gut simulieren und trainieren. Schließlich zählen Tore nach Freistößen in Strafraumnähe zu den häufigsten Torerfolgen im Fußball.
Kommentare (0)
Keine Kommentare vorhanden!