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Richard Avis - "Hautnah" bei torwart.de (07.08.03)

Interview mit Richard Avis von NIKE

torwart.de hatte die Gelgenheit mit Richard Avis ein Interview zu führen. Richard Avis lebt in den USA und ist der weltweit verantwortliche Manager bei NIKE im Research&Development Bereich für die Einführung u.a. neuer Torwarthandschuhe und von neuem Torwartequipment.

Das Interview beschäftigt sich intensiv mit dem wichtigsten Werkzeug des Torhüters, den Torwarthandschuhen, und ist somit Pflichtlektüre für jeden Torhüter. In 24 Fragen gibt Richard Avis detaillierte Antworten zu den Themen Entwicklung, Materialien, Individualisierung und Produktion von Torwarthandschuhen. Dadurch bietet das folgende Interview einen umfassenden Einblick in das weite und komplexe Feld der Torwarthandschuhentwicklung.


1. torwart.de: Wie viele Einzelteile benötigt man, um einen gewöhnlichen Top-Torwarthandschuh wie den NIKE T90 Wired herzustellen?

Richard Avis: Um die 20 pro Hand.

2. torwart.de: Wie viele Schritte müssen bewältigt werden bis ein Handschuh spielbar ist, und was sind diese Schritte im Einzelnen (nur Produktion - nicht Entwicklung)?

Richard Avis: Je nachdem wie detailliert man die Schritte betrachtet gibt es 10, innerhalb welcher es aber eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen gibt.

3. torwart.de: Was ist wohl die nächste Stufe in der Entwicklung der Torwart-Handschuhe?

Richard Avis: Nun, wenn ich ehrlich sein soll, arbeiten wir bei Nike gerade daran. Aber die Informationen sind vertraulich, sorry.

4. torwart.de: Seit wann stellt Nike Torwarthandschuhe her?

Richard Avis: Die erste weltweite Kollektion wurde 1997 eingeführt.

5. torwart.de: Warum sind die gängigsten Handschuh-Schäume eigentlich weiß?

Richard Avis: Die weiße Farbe kommt vom Gebrauch von Titaniumdioxid bei der Herstellung. Titaniumdioxid ist ein Pigment und wird dazu verwendet, diversen Materialien mit mehr Volumen und einer weißen Farbe zu versehen. Dieses Verfahren nutzt man z.B. auch bei normaler Wandfarbe oder Künstlerfarben. Die Industrie kann mittlerweile eine Vielzahl von Farben herstellen, ohne die Leistung des Handschuhs negativ zu beeinflussen. Früher waren die Versuche zu Färben sehr kläglich, und sie beeinflussten die Leistungseigenschaften des Handschuhs sehr negativ. Diese Auffassung ist immer noch weit verbreitet, obwohl es keine Unterschiede mehr in der Haftung gibt.

6. torwart.de: Gibt es Pläne anti-allergische Nike-Handschuhe herzustellen (Latex-Allergie) und wenn ja, ab wann werden sie erhältlich sein?

Richard Avis: Es ist schon sehr unglücklich für diejenigen mit einer solchen Allergie. Im Moment haben wir allerdings noch keine konkreten Pläne.

7. torwart.de: Wie lange dauert der Prozess von der ersten Skizze bis zur tatsächlichen ersten Lieferung an einen Kunden?

Richard Avis: Das hängt davon ab, wie viel neue Entwicklungsarbeit in das Produkt investiert werden muss. Handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung brauchen wir sicherlich mehr Zeit als für das Update eines bestehenden Produktes. Es kann ein paar Monate oder auch ein paar Jahre dauern.

8. torwart.de: Wie ist normalerweise die Vorgehensweise bei der Neuentwicklung eines Torwarthandschuhs?

Richard Avis: Wir arbeiten sehr eng mit Torhütern aller Leistungsniveaus und Altersklassen zusammen. Dies sind internationale Spitzenleute wie z.B. Jens Lehmann (Nike Vapor Grip³) von Arsenal London oder auch Tim Howard (Nike T90 Wired), der momentan bei Manchester United die Nummer 1 ist und eine sehr erfolgreiche Saison spielt. Wir holen uns aber auch Feedback von Amateur-Torhütern aus unteren Ligen überall in der Welt. Weiterhin sind wir in der glücklichen Lage zwei Rasenplätze mit internationalem Standart und einen Kunstrasen direkt in unserem Welt-Hauptsitz zu haben. Außerdem haben wir ein Futsal Feld und einen Hallenkomplex in nur 5 Minuten Entfernung. Lokale Praxistests sind also kein Problem. Wir machen sehr viele Materialtests und experimentieren sehr viel. Wenn bei uns ein Handschuh ein gewisses Level erreicht, reisen wir mit ihm zu unseren Top-Torhütern und lassen sie den Handschuh testen. Wir notieren uns ihre Eindrücke, lassen diese in die Weiterentwicklung einfließen und wiederholen den Vorgang bis das Produkt fertig ist.

9. torwart.de: Warum gibt es in verschiedenen Ländern verschiedene Handschuh-Modelle?

Richard Avis: Gute Frage. Es gibt auf jeden Fall Unterschiede in den Vorlieben der einzelnen Länder. Oversized Design, eng anliegende Finger mit negativer Nahtführung, Gun Cut (runde Finger), usw... Die Wurzeln dessen wurden in der Vergangenheit festgelegt, denn die jungen Torhüter tragen das, was sie bei anderen Torhütern in ihrem heimatlichen Umfeld sehen. Wenn man sich einmal an was gewöhnt hat und auch zufrieden damit ist, wird es sehr schwer werden jemanden zu einem Wechsel zu bewegen.

10. torwart.de: Warum variiert die Qualität und die Haltbarkeit des Schaums manchmal, obwohl es sich um das selbe Model handelt?

Richard Avis: Latex-Schaum ist einerseits sehr simpel andererseits aber auch wieder sehr komplex. Es gibt wenige Grundbestandteile, aber viele Bestandteile, die nur einen geringen Anteil am Schaum ausmachen. Die Verhältnisse der Bestandteile bestimmen das Ergebnis. Im Prinzip ist es wie Kuchen backen. Man nimmt jedes mal das gleiche Rezept und die gleichen Zutaten, aber der Kuchen schmeckt nie genau gleich. Sogar die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Fabrik, können sich auf den Schaum auswirken.

11. torwart.de: Aus was für einem Material ist der Draht im Nike T90 Wired gemacht?

Richard Avis: Aus gerundeten, gehärteten, rostfreien Edelstahl-Spiralen. Vergleichbar mit einer Feder, wie sie in Kugelschreibern verwendet wird - aber natürlich deutlich robuster - die plattgedrückt wurde. Alle Windungen der Feder zeigen in die selbe Richtung. Es gibt keine scharfen Kanten.

12. torwart.de: Gibt es Unterschiede zwischen dem T90 Wired und dem Junior-T90 Wired ?

Richard Avis: Nur in den Proportionen der einzelnen Teile.

13. torwart.de: Wie wirkt sich das Material von Fußbällen auf die Entwicklung von neuen Schäumen für Handschuhe aus? Haben Nike-Torwarthandschuhe eine bessere Haftung bei Nike-Bällen?

Richard Avis: Die Oberfläche der Fußbälle ist so unterschiedlich, dass es keinen Sinn machen würde diesen Faktor in die Entwicklung mit einzubeziehen. Wichtig ist, dass der Faktor Haftung nicht über allem steht. Klar wollen wir auch einen guten Haftungsfakor bei unseren Handschuhen, aber es geht eben doch nichts über gut abgestimmtes Paar Hände, gute Auge-Hand Koordination und gute Beinarbeit, die dann letztendlich die Hände zum Ball zu führen.

14. torwart.de: Wann plant Nike einen Handschuh mit der populären Duo-Technologie auf den Markt zu bringen?

Richard Avis: Wir sind gerade dabei, ein paar sehr interessante Dinge zu entwickeln und sind nicht so sehr daran interessiert auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Im übrigen war ich noch nie vollständig von dieser Duo-Technologie überzeugt.

15. torwart.de: Wann plant Nike ein Handschuh-Model herauszubringen, welches einen speziellen Schaum für feuchte Witterungsverhältnisse hat?

Richard Avis: Wir denken, dass unsere aktuellen Schäume sehr gut funktionieren und so denken auch unsere Vertragstorhüter. Der Begriff wird überbewertet. Echter Hochleistungsschaum für feuchte Witterung steht auf unserer Agenda, aber wir werden keinen beliebigen Schaum auf den Markt bringen und von ihm behaupten, dass er im Nassen anderen überlegen wäre.

16. torwart.de: Wie viel kostet die Entwicklung eines Hochleistungshandschuhs wie dem VAPOR Grip³ oder dem T90 Wired?

Richard Avis: Eins kann ich ihnen sagen, es ist nicht annähernd so teuer, wie die Entwicklung von Bällen. Es variiert und ist abhängig von dem technischen Aufwand für verschieden Dinge. Von daher gibt es keine genauen Zahlen.

17. torwart.de: Wann wird es für den Endverbraucher möglich sein sich seinen eigenen Handschuh, mit mehreren Variationsmöglichkeiten, zu kreieren? Und wie viel wird so ein paar Handschuhe voraussichtlich kosten?

Richard Avis: Wieder eine gute Frage. Ich denke, dass es in den nächsten Jahren dazu kommen wird, aber die anfänglichen Investitionen werden enorm teuer sein. Als Torhüter möchten wir alle glauben, dass unsere Produktkategorie die wichtigste Sache der Welt sei, aber in der Summe von allem sind Handschuhe nur ein Tropfen auf den heißen Stein, auf den Markt bezogen. Es würde sehr viele Jahre dauern, die Gelder zu armortisieren, welche investiert werden müssten, um das möglich zu machen und es gibt keine Garantie, ob dies überhaupt gelingt. Dies ist auch der Grund, warum es bis jetzt noch nicht geschehen ist. Die Technologie gibt es bereits, ich habe sie schon gesehen. Ich weiß nicht, was die Handschuhe kosten würden, da es vom Prozess und von der Effektivität der Produktion abhängig wäre. Es ist möglich, dass durch automatisierte Prozesse die Kosten gering gehalten werden könnten, aber ich denke, dass der Preis trotzdem um bis zu 50% steigen würde. Da wir wollen, dass sich auch die Jugendlichen weiterhin unsere Handschuhe leisten können, wollen wir im Moment noch von diesem Projekt absehen. Aber ich stimme euch zu, es wäre eine tolle Sache, wenn wir es eines Tages realisieren könnten.

18. torwart.de: Wie viele Mitarbeiter von Nike helfen bei der Entwicklung von Torwart-Equipment, speziell bei Torwarthandschuhen ?

Richard Avis: Glaubt es oder nicht, wir haben hier mehrere sehr gute Torhüter (ungefähr 10). Wir haben Ex-Profis, Nationaltorhüter und Top-Amateure. Ich habe in der ersten Division gespielt und vor ein paar Wochen hatten wir die US Frauen Nationalmannschaft hier. Auch die US Nationalmannschaft der Herren besucht uns regelmäßig. Weiterhin hatten wir im Sommer für einige Tage Manchester United zu Besuch. Ihr könnt euch vorstellen, daß wir solche Gelegenheiten nutzen, um mit unseren Vertragstorhütern intensiv an der Weiterentwicklung unserer Produkte oder Prototypen zu arbeiten.

19. torwart.de: Professionelle und gesponserte Torhüter tragen oft individuelle Handschuhe. Warum sind diese dann oft nicht auf dem Markt erhältlich?

Richard Avis: Manchmal geht es dabei ums Ego. Aber es gibt natürlich sehr viele Situationen, wo ein Torwart ein spezielles Modell braucht, z.B. bei Verletzungen oder wenn sein bisheriger Handschuh nicht mehr produziert wird.

20. torwart.de: Wann entwickelt Nike neue Handschuhe mit neuen Technologien und wie stark werden professionelle bzw. gesponserte Torhüter von euch in diesen Prozeß mit eingebunden?

Richard Avis: Wir arbeiten permanent an der Weiterentwicklung unserer Produkte. Die Torhüter, die bei uns unter Vertrag stehen sind vom Anfang bis zum Ende in die Entwicklung mit eingebunden. Ihr Feedback ist uns sehr wichtig und wir legen größten Wert auf ihre Meinung.

21. torwart.de: Vor allem in England und den USA sind die runden Finger sehr beliebt (im Gegensatz zu den flachen). Plant Nike ein Modell mit runden Fingern auf den Markt zu bringen? Was sind ihrer Meinung nach die Vor und Nachteile dieser Technologie?

Richard Avis: Wir hatten mehrere Jahre ein "Gun-Cut" Modell mit runden Fingern. Wir haben es mit der Patentierung der Grip 3 Technologie vom Markt genommen. Die Grip 3 Technologie des Nike Vapor Grip³ ist einzigartig und leistet das, was sie verspricht. Die wichtigsten Finger für den Torhüter sind der Daumen, der Zeigefinger und der kleine Finger. Der Vapor Grip³ hat an diesen Fingern keine störenden Nähte mehr. Er "wickelt" die drei Finger regelrecht ein (ohne die Beweglichkeit einzuschränken) und hat auch sonst die Vorteile von Handschuhen mit runden Fingern. Lasst mich ein wenig weiter ausholen um die Hintergründe der Idee und Technologie zu erklären: Fußball ist ein viel schnelleres Spiel geworden als es noch vor ein paar Jahren war. Der Torwart ist nicht mehr "der letzte Mann der Verteidigung" sondern "der erste Mann des Angriffs". Was ich damit sagen will, ist dass heutzutage Torhüter sehr schnell agieren müssen und die Fähigkeiten des Ballhandlings viel stärker gefragt sind als früher. Der Torhüter muss, wenn er den Ball in den Händen hält, sehr oft und schnell umgreifen. D.h. er hat die Finger in einer anderen Position am Ball wenn er ihn fängt, als wenn er ihn wieder abwirft. Dadurch, dass wir die Nähte an den Innenseiten der Finger (Daumen, Zeigefinger und kleiner Finger) eliminiert haben hat der Torhüter immer vollen Kontakt zum Ball und dadurch ein Höchstmaß an Kontrolle - ohne Störeinflüsse durch dicke Nähte.

22. torwart.de: Welche Leute sind an der Entwicklung des Designs für einen Handschuh verantwortlich?

Richard Avis: Graphik-Designer und Marketing-Mitarbeiter.

23. torwart.de: Wie wichtig ist das Design für den Erfolg eines Handschuhs auf dem Markt?

Richard Avis: Sehr wichtig, vielleicht auch zu wichtig, aber ich bin in diesen Fragen auch eher konservativ.

24. torwart.de: Welche Farbe würden sie nie für einen Torwarthandschuh wählen? Warum?

Richard Avis: Ich kenne ganz ehrlich keine Farbe, die ich für einen Handschuh absolut verbieten würde. Ich habe mich schon vor langer Zeit davon verabschiedet, über diese Punkte Entscheidungen zu treffen. Mein Augenmerk gilt der Qualität.

torwart.de bedankt sich bei Richard Avis für das Interview.

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