torwart.de
hatte die Gelgenheit mit Richard Avis ein Interview zu führen. Richard Avis lebt
in den USA und ist der weltweit verantwortliche Manager bei NIKE im Research&Development
Bereich für die Einführung u.a. neuer Torwarthandschuhe und von neuem
Torwartequipment.
Das Interview beschäftigt sich intensiv mit dem wichtigsten Werkzeug des
Torhüters, den Torwarthandschuhen, und ist somit Pflichtlektüre für jeden
Torhüter. In 24 Fragen gibt Richard Avis detaillierte Antworten zu den Themen
Entwicklung, Materialien, Individualisierung und Produktion von
Torwarthandschuhen. Dadurch bietet das folgende Interview einen umfassenden
Einblick in das weite und komplexe Feld der Torwarthandschuhentwicklung.
1. torwart.de: Wie viele Einzelteile benötigt man, um einen
gewöhnlichen Top-Torwarthandschuh wie den NIKE T90 Wired herzustellen?
Richard Avis: Um die 20 pro Hand.
2. torwart.de: Wie viele Schritte müssen bewältigt werden bis ein
Handschuh spielbar ist, und was sind diese Schritte im Einzelnen (nur Produktion
- nicht Entwicklung)?
Richard Avis: Je nachdem wie detailliert man die Schritte betrachtet
gibt es 10, innerhalb welcher es aber eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen
gibt.
3. torwart.de: Was ist wohl die nächste Stufe in der Entwicklung der
Torwart-Handschuhe?
Richard Avis: Nun, wenn ich ehrlich sein soll, arbeiten wir bei Nike
gerade daran. Aber die Informationen sind vertraulich, sorry.
4. torwart.de: Seit wann stellt Nike Torwarthandschuhe her?
Richard Avis: Die erste weltweite Kollektion wurde 1997 eingeführt.
5. torwart.de: Warum sind die gängigsten Handschuh-Schäume eigentlich
weiß?
Richard Avis: Die weiße Farbe kommt vom Gebrauch von Titaniumdioxid
bei der Herstellung. Titaniumdioxid ist ein Pigment und wird dazu verwendet,
diversen Materialien mit mehr Volumen und einer weißen Farbe zu versehen. Dieses
Verfahren nutzt man z.B. auch bei normaler Wandfarbe oder Künstlerfarben. Die
Industrie kann mittlerweile eine Vielzahl von Farben herstellen, ohne die
Leistung des Handschuhs negativ zu beeinflussen. Früher waren die Versuche zu
Färben sehr kläglich, und sie beeinflussten die Leistungseigenschaften des
Handschuhs sehr negativ. Diese Auffassung ist immer noch weit verbreitet, obwohl
es keine Unterschiede mehr in der Haftung gibt.
6. torwart.de: Gibt es Pläne anti-allergische Nike-Handschuhe
herzustellen (Latex-Allergie) und wenn ja, ab wann werden sie erhältlich sein?
Richard Avis: Es ist schon sehr unglücklich für diejenigen mit einer
solchen Allergie. Im Moment haben wir allerdings noch keine konkreten Pläne.
7. torwart.de: Wie lange dauert der Prozess von der ersten Skizze bis
zur tatsächlichen ersten Lieferung an einen Kunden?
Richard Avis: Das hängt davon ab, wie viel neue Entwicklungsarbeit in
das Produkt investiert werden muss. Handelt es sich um eine komplette
Neuentwicklung brauchen wir sicherlich mehr Zeit als für das Update eines
bestehenden Produktes. Es kann ein paar Monate oder auch ein paar Jahre dauern.
8. torwart.de: Wie ist normalerweise die Vorgehensweise bei der
Neuentwicklung eines Torwarthandschuhs?
Richard Avis: Wir arbeiten sehr eng mit Torhütern aller
Leistungsniveaus und Altersklassen zusammen. Dies sind internationale
Spitzenleute wie z.B. Jens Lehmann (Nike Vapor Grip³) von Arsenal London oder
auch Tim Howard (Nike T90 Wired), der momentan bei Manchester United die Nummer
1 ist und eine sehr erfolgreiche Saison spielt. Wir holen uns aber auch Feedback
von Amateur-Torhütern aus unteren Ligen überall in der Welt. Weiterhin sind wir
in der glücklichen Lage zwei Rasenplätze mit internationalem Standart und einen
Kunstrasen direkt in unserem Welt-Hauptsitz zu haben. Außerdem haben wir ein
Futsal Feld und einen Hallenkomplex in nur 5 Minuten Entfernung. Lokale
Praxistests sind also kein Problem. Wir machen sehr viele Materialtests und
experimentieren sehr viel. Wenn bei uns ein Handschuh ein gewisses Level
erreicht, reisen wir mit ihm zu unseren Top-Torhütern und lassen sie den
Handschuh testen. Wir notieren uns ihre Eindrücke, lassen diese in die
Weiterentwicklung einfließen und wiederholen den Vorgang bis das Produkt fertig
ist.
9. torwart.de: Warum gibt es in verschiedenen Ländern verschiedene
Handschuh-Modelle?
Richard Avis: Gute Frage. Es gibt auf jeden Fall Unterschiede in den
Vorlieben der einzelnen Länder. Oversized Design, eng anliegende Finger mit
negativer Nahtführung, Gun Cut (runde Finger), usw... Die Wurzeln dessen wurden
in der Vergangenheit festgelegt, denn die jungen Torhüter tragen das, was sie
bei anderen Torhütern in ihrem heimatlichen Umfeld sehen. Wenn man sich einmal
an was gewöhnt hat und auch zufrieden damit ist, wird es sehr schwer werden
jemanden zu einem Wechsel zu bewegen.
10. torwart.de: Warum variiert die Qualität und die Haltbarkeit des
Schaums manchmal, obwohl es sich um das selbe Model handelt?
Richard Avis: Latex-Schaum ist einerseits sehr simpel andererseits
aber auch wieder sehr komplex. Es gibt wenige Grundbestandteile, aber viele
Bestandteile, die nur einen geringen Anteil am Schaum ausmachen. Die
Verhältnisse der Bestandteile bestimmen das Ergebnis. Im Prinzip ist es wie
Kuchen backen. Man nimmt jedes mal das gleiche Rezept und die gleichen Zutaten,
aber der Kuchen schmeckt nie genau gleich. Sogar die Temperatur und
Luftfeuchtigkeit in der Fabrik, können sich auf den Schaum auswirken.
11. torwart.de: Aus was für einem Material ist der Draht im Nike T90
Wired gemacht?
Richard Avis: Aus gerundeten, gehärteten, rostfreien
Edelstahl-Spiralen. Vergleichbar mit einer Feder, wie sie in Kugelschreibern
verwendet wird - aber natürlich deutlich robuster - die plattgedrückt wurde.
Alle Windungen der Feder zeigen in die selbe Richtung. Es gibt keine scharfen
Kanten.
12. torwart.de: Gibt es Unterschiede zwischen dem T90 Wired und dem
Junior-T90 Wired ?
Richard Avis: Nur in den Proportionen der einzelnen Teile.
13. torwart.de: Wie wirkt sich das Material von Fußbällen auf die
Entwicklung von neuen Schäumen für Handschuhe aus? Haben Nike-Torwarthandschuhe
eine bessere Haftung bei Nike-Bällen?
Richard Avis: Die Oberfläche der Fußbälle ist so unterschiedlich, dass
es keinen Sinn machen würde diesen Faktor in die Entwicklung mit einzubeziehen.
Wichtig ist, dass der Faktor Haftung nicht über allem steht. Klar wollen wir
auch einen guten Haftungsfakor bei unseren Handschuhen, aber es geht eben doch
nichts über gut abgestimmtes Paar Hände, gute Auge-Hand Koordination und gute
Beinarbeit, die dann letztendlich die Hände zum Ball zu führen.
14. torwart.de: Wann plant Nike einen Handschuh mit der populären
Duo-Technologie auf den Markt zu bringen?
Richard Avis: Wir sind gerade dabei, ein paar sehr interessante Dinge
zu entwickeln und sind nicht so sehr daran interessiert auf einen fahrenden Zug
aufzuspringen. Im übrigen war ich noch nie vollständig von dieser
Duo-Technologie überzeugt.
15. torwart.de: Wann plant Nike ein Handschuh-Model herauszubringen,
welches einen speziellen Schaum für feuchte Witterungsverhältnisse hat?
Richard Avis: Wir denken, dass unsere aktuellen Schäume sehr gut
funktionieren und so denken auch unsere Vertragstorhüter. Der Begriff wird
überbewertet. Echter Hochleistungsschaum für feuchte Witterung steht auf unserer
Agenda, aber wir werden keinen beliebigen Schaum auf den Markt bringen und von
ihm behaupten, dass er im Nassen anderen überlegen wäre.
16. torwart.de: Wie viel kostet die Entwicklung eines
Hochleistungshandschuhs wie dem VAPOR Grip³ oder dem T90 Wired?
Richard Avis: Eins kann ich ihnen sagen, es ist
nicht
annähernd so teuer, wie die Entwicklung von Bällen. Es variiert und ist abhängig
von dem technischen Aufwand für verschieden Dinge. Von daher gibt es keine
genauen Zahlen.
17. torwart.de: Wann wird es für den Endverbraucher möglich sein sich
seinen eigenen Handschuh, mit mehreren Variationsmöglichkeiten, zu kreieren? Und
wie viel wird so ein paar Handschuhe voraussichtlich kosten?
Richard Avis: Wieder eine gute Frage. Ich denke, dass es in den
nächsten Jahren dazu kommen wird, aber die anfänglichen Investitionen werden
enorm teuer sein. Als Torhüter möchten wir alle glauben, dass unsere
Produktkategorie die wichtigste Sache der Welt sei, aber in der Summe von allem
sind Handschuhe nur ein Tropfen auf den heißen Stein, auf den Markt bezogen. Es
würde sehr viele Jahre dauern, die Gelder zu armortisieren, welche investiert
werden müssten, um das möglich zu machen und es gibt keine Garantie, ob dies
überhaupt gelingt. Dies ist auch der Grund, warum es bis jetzt noch nicht
geschehen ist. Die Technologie gibt es bereits, ich habe sie schon gesehen. Ich
weiß nicht, was die Handschuhe kosten würden, da es vom Prozess und von der
Effektivität der Produktion abhängig wäre. Es ist möglich, dass durch
automatisierte Prozesse die Kosten gering gehalten werden könnten, aber ich
denke, dass der Preis trotzdem um bis zu 50% steigen würde. Da wir wollen, dass
sich auch die Jugendlichen weiterhin unsere Handschuhe leisten können, wollen
wir im Moment noch von diesem Projekt absehen. Aber ich stimme euch zu, es wäre
eine tolle Sache, wenn wir es eines Tages realisieren könnten.
18. torwart.de: Wie viele Mitarbeiter von Nike helfen bei der
Entwicklung von Torwart-Equipment, speziell bei Torwarthandschuhen ?
Richard Avis: Glaubt es oder nicht, wir haben hier mehrere sehr gute
Torhüter (ungefähr 10). Wir haben Ex-Profis, Nationaltorhüter und Top-Amateure.
Ich habe in der ersten Division gespielt und vor ein paar Wochen hatten wir die
US Frauen Nationalmannschaft hier. Auch die US Nationalmannschaft der Herren
besucht uns regelmäßig. Weiterhin hatten wir im Sommer für einige Tage
Manchester United zu Besuch. Ihr könnt euch vorstellen, daß wir solche
Gelegenheiten nutzen, um mit unseren Vertragstorhütern intensiv an der
Weiterentwicklung unserer Produkte oder Prototypen zu arbeiten.
19. torwart.de: Professionelle und gesponserte Torhüter tragen oft
individuelle Handschuhe. Warum sind diese dann oft nicht auf dem Markt
erhältlich?
Richard Avis: Manchmal geht es dabei ums Ego. Aber es gibt natürlich
sehr viele Situationen, wo ein Torwart ein spezielles Modell braucht, z.B. bei
Verletzungen oder wenn sein bisheriger Handschuh nicht mehr produziert wird.
20. torwart.de: Wann entwickelt Nike neue Handschuhe mit neuen
Technologien und wie stark werden professionelle bzw. gesponserte Torhüter von
euch in diesen Prozeß mit eingebunden?
Richard Avis: Wir arbeiten permanent an der Weiterentwicklung unserer
Produkte. Die Torhüter, die bei uns unter Vertrag stehen sind vom Anfang bis zum
Ende in die Entwicklung mit eingebunden. Ihr Feedback ist uns sehr wichtig und
wir legen größten Wert auf ihre Meinung.
21. torwart.de: Vor allem in England und den USA sind die runden
Finger sehr beliebt (im Gegensatz zu den flachen). Plant Nike ein Modell mit
runden Fingern auf den Markt zu bringen? Was sind ihrer Meinung nach die Vor und
Nachteile dieser Technologie?
Richard Avis: Wir hatten mehrere Jahre ein "Gun-Cut" Modell mit runden
Fingern. Wir haben es mit der Patentierung der Grip 3 Technologie vom Markt
genommen. Die Grip 3 Technologie des Nike Vapor Grip³ ist einzigartig und
leistet das, was sie verspricht. Die wichtigsten Finger für den Torhüter sind
der Daumen, der Zeigefinger und der kleine Finger. Der Vapor Grip³ hat an diesen
Fingern keine störenden Nähte mehr. Er "wickelt" die drei Finger regelrecht ein
(ohne die Beweglichkeit einzuschränken) und hat auch sonst die Vorteile von
Handschuhen mit runden Fingern. Lasst mich ein wenig weiter ausholen um die
Hintergründe der Idee und Technologie zu erklären: Fußball ist ein viel
schnelleres Spiel geworden als es noch vor ein paar Jahren war. Der Torwart ist
nicht mehr "der letzte Mann der Verteidigung" sondern "der erste Mann des
Angriffs". Was ich damit sagen will, ist dass heutzutage Torhüter sehr schnell
agieren müssen und die Fähigkeiten des Ballhandlings viel stärker gefragt sind
als früher. Der Torhüter muss, wenn er den Ball in den Händen hält, sehr oft und
schnell umgreifen. D.h. er hat die Finger in einer anderen Position am Ball wenn
er ihn fängt, als wenn er ihn wieder abwirft. Dadurch, dass wir die Nähte an den
Innenseiten der Finger (Daumen, Zeigefinger und kleiner Finger) eliminiert haben
hat der Torhüter immer vollen Kontakt zum Ball und dadurch ein Höchstmaß an
Kontrolle - ohne Störeinflüsse durch dicke Nähte.
22. torwart.de: Welche Leute sind an der Entwicklung des Designs für
einen Handschuh verantwortlich?
Richard Avis: Graphik-Designer und Marketing-Mitarbeiter.
23. torwart.de: Wie wichtig ist das Design für den Erfolg eines
Handschuhs auf dem Markt?
Richard Avis: Sehr wichtig, vielleicht auch zu wichtig, aber ich bin
in diesen Fragen auch eher konservativ.
24. torwart.de: Welche Farbe würden sie nie für einen Torwarthandschuh
wählen? Warum?
Richard Avis: Ich kenne ganz ehrlich keine Farbe, die ich für einen
Handschuh absolut verbieten würde. Ich habe mich schon vor langer Zeit davon
verabschiedet, über diese Punkte Entscheidungen zu treffen. Mein Augenmerk gilt
der Qualität.
torwart.de bedankt sich bei Richard Avis für das Interview.
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