Wie so ein paar Spiele bei einer WM die eigene Karriere für immer verändern können, davon weiß Keylor Navas aus Costa Rica ein hübsches Lied zu singen. Als er mit seiner Mannschaft 2014 in Brasilien antrat, war er zwar kein Unbekannter mehr (nach einer hervorragenden Saison mit dem spanischen Erstligisten UD Levante wurde er 2013/14 als bester Torhüter in La Liga ausgezeichnet), aber immer noch ein Keeper unter vielen. Dann startete die Weltmeisterschaft und Costa Rica schaffte es, angeführt von diesem stillen Hexer im Tor, der selbst scheinbar unerreichbare Bälle noch aus der Gefahrenzone beförderte, bis ins Viertelfinale. Erst nach 120 Minuten und einem dramatischen Elfmeterschießen musste sich das kleine Land gegen die Niederlande geschlagen geben. Wenig später unterzeichnete Keylor Antonio Navas, 1,85 Meter groß, 80 Kilo schwer, einen Vertrag mit Real Madrid. Heute, vier Jahre nach seinem goldenen Sommer von Brasilien, ist Navas dreifacher Gewinner der Champions League und hütet noch immer das Tor der besten Vereinsmannschaft der vergangenen Jahre. Bevor man sich über die tatsächlichen Qualitäten des Schlussmanns unterhält, sollte man sich diese harten Fakten immer vor Augen halten. Mit einem Blinden im Tor wird keine Mannschaft der Welt dreimal in Folge Champions League Sieger.
Vielleicht liegt es an Reals gewaltigem Staraufgebot, dass einer wie Navas ein wenig untergeht. Regelmäßig musste er sich in der jüngeren Vergangenheit vorwerfen lassen, eigentlich nicht die Weltklasse zu besitzen, die ein Torwart in Madrid haben muss. Das Erbe des über Jahre dominierenden Iker Casillas wiegt schwer. Jetzt, wo Navas´ Förderer Zinedine Zidane den Klub überraschend verlassen hat, wollen die Gerüchte nicht verstummen, dass Real Navas bald durch einen größeren Namen ersetzen soll.
Und Navas? Spielte mit Real zwar nicht die beste Saison seines Lebens (31 Gegentore in 27 Ligaspielen), stand am Ende aber wieder als Sieger der Königsklasse da und erlaubte sich im Finale gegen den FC Liverpool – anders als sein bedauernswerter Gegenüber Loris Karius – keinen einzigen Fehler. Keylor Navas steht auch deshalb bei Real Madrid im Tor, weil er in den wichtigen Spielen auf den Punkt konzentriert ist und in den entscheidenden Momenten kalt wie Eis ist. Für ein Turnier ist so ein Mann wie geschaffen. Einer seiner Vorderleute, Innenverteidiger Kendall Waston, erklärte kurz vor dem Turnierstart das Wesen seines Keepers: „Er hilft uns in der Nationalmannschaft enorm. Er gibt in jedem Training und in jedem Spiel 100 Prozent, ist immer bei der Sache. Es gibt keine Tage, an denen er sich schont. Man empfindet einfach eine große Sicherheit, wenn es im Spiel zu gefährlichen Situationen kommen, wenn man weiß, dass er hinter uns steht und dass er zur Stelle sein wird.“
Aber es gibt auch immer wieder kritische Stimmen. Zuletzt sehr laut war die des ehemaligen Profis Lee Dixon, der in seiner Rolle als TV-Experte nach dem Testspielsieg der Engländer gegen Costa Rica hart mit Navas ins Gericht ging und ihn als „meist überschätzten Torwart der Welt“ bezeichnete, nachdem der einen wunderbaren, aber möglicherweise haltbaren Fernschuss von Marcus Rashford hatte passieren lassen. Und tatsächlich geht von Navas nicht diese Superhelden-Sicherheit, wie sie Manuel Neuer oder David de Gea ausstrahlen. Bei der WM in Russland hat Navas mal wieder Gelegenheit, sämtliche Kritiker Lügen zu strafen. Vor vier Jahren in Brasilien wurde er gleich dreimal zum „Man of the match“ gekürt. Lee Dixon war übrigens nie bei einer Weltmeisterschaft.