torwart.de: Welches sind Ihre größten Qualitäten und welches sind Ihre Schwächen?
Peruzzi: Ich würde sagen, dass meine Willenskraft, meine Konstanz, meine Hartnäckigkeit, die ich im Training tagtäglich zeige, und die Ruhe und Sicherheit im Spiel meinen großen Stärken sind. Wenn man schon sehr lange wie ich in der Serie A dabei ist, hat man natürlich auch eine enorme Erfahrung. Torwarttechnisch gesehen, habe ich meine Stärken mit meiner Reaktionsschnelligkeit auf der Linie und bei flachen Bällen. Aufgrund meiner Statur habe ich das eine oder andere Problem bei hohen Bällen.
torwart.de: Wo wir gerade von Ihrer Statur sprechen. Wollen Sie uns Ihren Spitznamen mitteilen?
Peruzzi:: (lachend.) Sicherlich. Meine zwei gängigsten Spitznamen sind “Cinghialone” (dtsch: Wildschein/Eber) und “Tyson”. Wie Sie wissen, habe ich eine für einen Torhüter eher ungewöhnliche Statur, die Parallelen zu diesen Spitznamen aufweist.
torwart.de: In der Nationalmannschaft treffen Sie wieder auf Ihren langjährigen Trainer bei Juve, Marcello Lippi. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Peruzzi: Lippi ist ein Erfolgstrainer, der ein absoluter Fußballexperte ist. Er weiß, wie man mit der Mannschaft kommunizieren und ansprechen muss. Zu ihm habe ich immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Wir kennen uns sehr gut, da wir gemeinsam 5 Jahre bei Juventus Turin verbracht haben, und damals sehr viele Erfolge gefeiert hatten. Später waren wir auch noch ein Jahr bei Inter, welches allerdings weniger erfolgreich verlief.
torwart.de: Welcher Spieler der italienischen Nationalmannschaft kann bei der WM zum herausragenden Spieler werden?
Peruzzi: Ich glaube, dass Luca Toni, der sich momentan auf dem Höhepunkt seiner Karriere befindet, ein herausragendes Turnier spielen kann. Luca Toni hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt, und konnte bei den schwächeren Teams, bei denen er spielte, sich die notwendige Reife erarbeiten. Er ist den letzten zwei Jahren förmlich explodierte. Er ist konditionell in einer hervorragenden Verfassung. Im Abschluss hat er kontinuierlich getroffen. Toni erzielte 31 Tore in der abgelaufenen Saison. Wenn der den notwendigen Enthusiasmus für das Abenteuer WM aufbringt, kann es eine sehr gute WM für ihn und Italien werden.
torwart.de: Welche anderen Qualitäten oder möglicherweise auch Schwachpunkte bei der sehen Sie bei der italienischen Nationalmannschaft?
Peruzzi: Technisch gesehen sind wir sehr stark. Wir sind dabei auf allen Positionen sehr gut besetzt. Wir glauben, dass der Gewinn des Titels durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Wir müssen jedoch als Team auftreten und eine solide Leistung als Mannschaft zeigen. Wir müssen hochkonzentriert sein und unsere mentale Einstellung muss vorzüglich sein. Wir sollten nicht den Fehler machen, dass wir nicht an unsere Fähigkeiten glauben.
torwart.de: Was ist Ihre Meinung bezüglich der italienischen Gruppe mit den USA, Ghana und der tschechischen Republik?
Peruzzi: Bei einem WM-Turnier sind alle Mannschaft ernst zu nehmen und sehr leistungsstark. Zudem gibt es immer wieder Mannschaft, die überraschen und über sich hinauswachsen. Wir haben das z.B. bei der Mannschaft von Südkorea 2002 und bei der Euro2004 bei der Mannschaft von Griechenland erlebt. Vor diesem Hintergrund ist unsere Gruppe sehr schwer.
Speziell unser Auftaktspiel gegen Ghana wird sehr schwer für uns werden. Die Mannschaft von Ghana ist physisch in einer sehr guten Verfassung und die Spieler werden bei ihrem WM-Debüt sehr motiviert sein.
Die USA haben ebenfalls eine sehr gute Mannschaft, welche sich in der vergangenen Zeit sehr schnell positiv entwickelt hatte. Bei der WM2002 waren sie bereits gut genug, eine Mannschaft wie Portugal zu überraschen und das Viertelfinale zu erreichen. Dort verloren sie gegen die deutsche Mannschaft, welche immerhin das Finale erreichte.
Schließlich noch die tschechische Republik, deren kraftvolles und solides Spiel weltbekannt ist. Diese Mannschaft hat herausragende Spieler wie Pavel Nedved von Juventus Turin und Torwart Cech von Chelsea London. Dieses Team hat sicherlich das Potential, bei der WM ganz weit nach vorne zu kommen.
torwart.de:: Reden wir über die Berufung der Torhüter für eine WM-Mannschaft. Glauben Sie, dass es besser ist, bereits lange vor Start des WM-Turniers eine klare Hierarchie bei den Torhütern festzulegen, oder sollte man einen offenen Konkurrenzkampf zwischen den Torhütern bis kurz vor Beginn des Turniers aufrechterhalten?
Peruzzi: Situationen, wie diese, erlebt jeder Charakter unterschiedlich. Das Wissen stets im Wettbewerb zu stehen, treibt alle an, tagtäglich das Beste aus sich herauszuholen und zu geben. Es kann jedoch auch Nervosität und übermäßigen Druck verursachen, wenn sich die Dinge nicht gut entwickeln. Im Falle einer WM muss man erwarten, dass die Motivation bei jedem Spieler sehr hoch sein sollte – egal ob Stammspieler oder nicht.