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Die Renaissance des Weitschusses: Was bedeutet das für die Torhüter?

Bereits am 1. Spieltag fielen mehr Weitschusstore als an der gesamten WM 2022 in Katar

Autor: T. Rübe - 29.06.2024

Die Gruppenphase der Europameisterschaft ist nun vorbei und erste Schlüsse lassen sich schon anhand des ersten Teils des Turniers ableiten. Zum einen haben sich die ersten Favoriten auf den Titel nun deutlich abgezeichnet, zum anderen aber war auch zu beobachten, dass viele Tore gefallen sind. Nach absolvierten 36 von 51 Partien sind 81 Tore gefallen. Im Schnitt sind somit 2,25 Tore pro Partie gefallen. Insgesamt waren 7 dieser 81 Treffer Eigentore.  Somit waren 8,6 % aller Tore durch den eigenen Mann gefallen. Der Eigentor-Rekord von der EM 2021 mit insgesamt 11 Eigentoren wackelt bereits bedenklich. 

Nimmt man nun im Weiteren die 74 Gegentore genauer unter die Lupe, fällt auf, dass erstaunlich viele Weitschüsse und Weitschusstore zu beobachten waren. Insgesamt waren knapp 10 Weitschüsse pro Spiel bisher zu verzeichnen. Vor drei Jahren waren es lediglich 9,1 Weitschüsse pro Spiel. Insgesamt fallen 41 % Weitschüsse auf die bisherigen gesamten Abschlüsse bei der Europameisterschaft. Dabei wurden bisher 15 Tore von Schüssen außerhalb des Strafraums erzielt- also 20 %. Jedes fünfte Tor wurde durch einen Distanzschuss erzielt. Einen derartigen Wert gab es zuletzt in den letzten 30 Jahren nicht mehr. 

15 der 81 Tore bisher fielen aus der ferne - Rekordwert seit 30 Jahren

Dass es an dem Ball liegt, ist bisher eher ebenso wenig auszumachen, wie die mangelnde Qualität der Torhüter. Im Gegenteil. Bisher sind viele gute Torhüter-Leistungen zu bestaunen gewesen. Dennoch müssen die Weitschüsse im Hinblick auf das Torwartspiel genauer betrachtet werden. In der Tat hat sich die Struktur des Balles verändert. Schon ab 2006 beginnend mit dem "Teamgeist" wurde deutlich, dass der Ball schneller geworden ist und für den Torhüter auch aufgrund einer höheren Rotation, sofern der Ball richtig getroffen wird, schwieriger zu verteidigen. Im Hinblick auf die aktuelle Europameisterschaft liegt das Plus an Weitschusstoren vor allem auch an den kompakten Defensivreihen der Mannschaften, die trotz der Vielzahl der Tore sehr gut agieren und natürlich auch an bisweilen exzellenten Torhüterleistungen. 

Aufgrund der verstärkten Konzentration auf etwaige Weitschüsse muss der Torhüter auch ein besonders Augenmerk auf die eigene Position legen. Mitunter waren die Torhüter bei einigen Weitschüssen recht hoch, sodass sie vor allem bei hohen Schüssen auf das Tor, insbesondere wenn der Schuss mit Effet erfolgt, mitunter eine exorbitant gute Sprungkraft an den Tag legen müssten, um eine reale Abwehrchance zu haben. Diese ist bis zu einem gewissen Punkt noch mit Zwischenschritten zu kompensieren, doch erfolgen die Schüsse zumeist mit einer hohen Geschwindigkeit, die dem Torhüter meist nicht die Zeit lassen, um mit weiteren Schritten zu agieren. Auch die Sprungkraft gelangt aber irgendwann an ihre Grenzen. 

Durch mangelnde Reichweite sind manche Torhüter anfälliger bei Fernschüssen

In den letzten Jahrzehnten wurde häufiger als noch in den 90er oder Anfang der 2000er Jahre auf sehr große Torhüter gesetzt. Andries Noppert bei der WM 2022 in Katar war ein besonderes Beispiel. Der Torhüter wurde vom damaligen Bondscoach Louis van Gaal vor allem aufgrund seiner Körpergröße von 2,02 m zur Nummer 1 bestimmt. Auch Thibaut Courtois ist mit exakt 2 m sehr groß, nimmt aber aufgrund Differenzen mit Belgiens Nationaltrainer Domenico Tedesco nicht an der Europameisterschaft teil. Belgiens derzeitige Nummer 1, Koen Casteels, ist wiederum lediglich 2 cm kleiner. Die Reichweite anhand der Körpergröße spielt bisweilen eine enorme Rolle. Torhüter mit einer Größe von rund 1,80 m oder geringfügig größer haben eher Seltenheitswert. Yann Sommer mit 1,83 m ist einer der kleinsten Torhüter bei der EM, konnte aber vor allem in der letzten Saison bei Inter Mailand absolut überzeugen. 

Sollte sich dieser Trend mit den vermehrten Weitschüssen und auch mit dem höheren Anteil an Toren aus der Distanz wird die Reichweite des Torhüters wieder eine größere Rolle spielen, sodass die jeweilige Körpergröße des Torhüters weiter in den Vordergrund rücken könnte. Aber auch die Sprungkraft sowie die Technik rund um den Abdruck muss dabei noch stärker beachtet werden. Mitunter sind auch technische Fehler zu beobachten, die einen starken oder sogar explosiven Abdruck zumindest deutlich erschweren. Im Training müsste daher ein stärkerer Fokus auf den Abdruck sowie die erforderlichen Bewegungsmuster gelegt werden. Eine Schule wie zu Zeiten des legendären Gerri Ehrmann muss das aber nicht zwingend zur Folge haben. Vielmehr kommt es auf Details an, sodass der Torhüter möglichst, im Grunde genommen sogar zwingend,  mit seiner Vorbereitung auf seine Abwehraktion fertig sein muss, wenn der Schuss erfolgt. Auch das richtige Sprungbein muss weiter forciert werden. Auch auf höchstem Niveau ist es mitunter zu beobachten, dass der Torhüter mit dem ballfernen Bein den Abdruck einleitet. Dies kostet allerdings wichtige Reichweite. 

Das Positionsspiel ist bei Distanzschüssen mit das wichtigste

Ein weiterer Punkt bei den Distanzschüssen ist natürlich auch die richtige Position. In den vergangenen Jahren mussten die Torhüter ihre Position immer mehr zugunsten einer offensiveren Spielweise nach vorn verschieben. Dadurch fehlt ihnen aber nunmehr mitunter die richtige Position im Sinne der konkreten Zielverteidigung. Steht der Torhüter zu hoch fehlt ihm die notwendige Zeit, um richtig zum Ball zu agieren. Gleichzeitig senken sich die Schüsse mitunter zum Tor noch einmal hin, sodass ein Keeper, der etwas zu weit vor dem Tor positioniert ist, keine reelle Abwehrchance mehr haben kann. Eine erneute Anpassung der grundsätzlichen Positionierung des Torhüters müsste somit erarbeitet werden oder aber fluider im Spiel erfolgen. Eine taktische Änderung im Torwartspiel könnte dadurch passieren- zumindest aber eine Anpassung des derzeitigen vorherrschenden Profils. 

Sollte es tatsächlich auch in der kommenden Saison und vielleicht auch darüber hinaus sowohl in den internationalen Wettbewerben als auch in den jeweiligen nationalen Wettbewerben zu einem spürbaren Anstieg der Distanzschüsse und der daraus resultierenden Toren kommen, müsste das Torwarttraining in den jeweiligen Nuancen angepasst werden. Ob dies wirklich erforderlich sein wird, lässt sich derzeit natürlich nicht abschließend beurteilen, einen kleinen Fingerzeig kann aber bereits die KO-Phase der EM darstellen. 


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