Ignacio Palacios-Huerta hat Tausende von Elfmetern analysiert und ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben. torwart.de sprach exklusiv mit dem Experten aus London über die Geheimnisse beim Elfmeter und einer möglichen Vorbereitung.
torwart.de: Wie haben Sie Ihr Interesse an Elfmetern eigentlich gefunden?
Ignacio Palacios-Huerta: Sie erinnern Sich vielleicht an den Film „A Beautiful Mind“, der unter anderem auch einen Oscar gewonnen hatte und das Leben sowie die Arbeit von John F.Nash Jr. portraitiert. Nash bekam einen Wirtschaftsnobelpreis 1994. Dabei sollte man denken, dass die Theorie eines Nobelpreisträgers in allen möglichen Richtungen durchdacht ist. Aber das war es nicht. Ein Teil seiner theoretischen Forschungen handelte von Menschen wie sie in strategischen Situationen entscheiden sollen, wenn keine einzige immer die beste Entscheidung sein kann. Aber in der Praxis wurde das bisher so gut wie nie getestet. Dann hatte ich 1998 realisiert, dass Elfmeter die beste Möglichkeit ist dieses auszuprobieren. Und ich hatte dann die Daten von 1.100 Elfmetern in fünf Jahren gesammelt und 2003 einen Artikel “Professionals Play Minimax” veröffentlicht. Und das verblüffende war: Die Spieler folgen den Theorien von Herrn Nash nahezu komplett.
torwart.de: Was ist die mathematische Chance für einen Torwart einen Elfmeter zu halten?
Palacios-Huerta: Die Chance ist bei etwa 15%. Die Daten kommen von 11.000 Elfmetern in meiner Datenbank über die letzten zwei Jahrzehnte. Dabei ist die Rate der Treffer 80 %. Das hängt natürlich auch von den Ligen und dem Zeitpunkt im Match ab, aber das ist marginal. Dazu gehen noch fünf Prozent der Schüsse an den Pfosten oder neben das Tor.
torwart.de: Was für Eigenschaften muss ein Elfmeterkiller mitbringen?
Palacios-Huerta: Ich nehme an drei Stück: Selbstvertrauen, Selbstvertrauen, Selbstvertrauen. Selbstverständlich gibt es verschiedene Möglichkeiten und Vorbereitungen seine eigene Chance zu erhöhen.
torwart.de: Was ist der größte Fehler, den ein Spieler machen kann, wenn er einen Elfmeter schießt`?
Palacios-Huerta: Ich würde sagen, dass der Spieler nicht zu viel denken darf. Der ideale Schütze nach Nash würde sich überhaupt nicht vorher entscheiden, auf welche Seite er zielt und dann spontan entscheiden – wie bei einem Münzwurf. Denn der ideale Schütze ist spontan und unberechenbar und hat keine Lieblingsseite.
torwart.de: Was kann ein Torhüter noch machen um einen Ball zu halten?
Palacios-Huerta: Erst einmal muss der Keeper die richtige Seite erahnen. Gehen wir davon aus, dass er das getan hat: Interessanterweise gibt es hier eine Asymmetrie: Die Trefferrate ist höher, wenn der Ball auf die natürlich Seite geschossen wird (rechte Seite des Goalies wenn der Schütze Rechtsfuß ist oder die linke Seite des Keepers wenn der Schütze linksfuß ist). Der Grund ist, dass der Schütze den Ball stärker treffen kann auf seiner „natürlichen Seite“. Wenn der Keeper sich also dafür entscheidet, dann hat er größere Chancen, dazu kommt ein erhöhter Fokus, die Hände zusammen halten usw.
torwart.de: Jens Lehmann hatte 2006 sich einen Zettel angeschaut wo die Schützen hinschießen. Stimmt es, dass die Schützen weitgehend in die selbe Richtung schießen?
Hoek: Nein, das stimmt nicht. Zwar schießen sie in der Mehrheit auf ihre Lieblingsseite (60 Prozent), aber auch mit 40 Prozent in die andere Richtung. Es stimmt jedoch, dass nicht regelmäßige Elfmeterschützen weniger variieren und häufiger in ihre Lieblingsrichtung schießen, weil sie nicht so sicher und trainiert sind.
torwart.de: Wer ist eigentlich der erfolgsreichste Keeper bei Elfmetern?
Palacios-Huerta: Unter denen, die häufig Elfmeter hielten (also eine große Anzahl, dass man nicht nur von „Glück“ spricht“), ist Diego Alves aus Valencia der erfolgsreichste Keeper. Er erahnt zwar nicht die Richtung häufiger als andere Keeper, wenn er jedoch die richtige Ecke erahnt, dann ist er mit einer Quote von 40 % (Nur 15 Treffer bei 36 Elfmetern) erfolgreich. Über 60 Prozent seiner Elfmeter hat er also gehalten. Das ist natürlich äußerst gut im Vergleich zu der Mehrheit, die nur eine Rate von 10-30 % haben.
torwart.de: Was ist die witzigste Geschichte, die Sie über Elfmeter gehört haben?
Palacios-Huerta: Ich war in einem U16 Turnier in Österreich vor einigen Jahren und dort gab es ein Elfmeterschießen. Einer der Spieler hatte seinen Ball gerade auf den Elfmeterpunkt gelegt. Als er gerade anlief pfiff der Schiedsrichter in die Pfeife: Der Schütze hatte den Ball auf den 16 Meterpunkt gelegt und nicht auf den Elfmeterpunkt. Er war so nervös, dass er den Ball fünf Meter dahinter gelegt hatte. Ich hatte ihn nach dem Spiel darauf angesprochen und er gab zu, dass er sehr nervös war.
torwart.de: Sepp Blatter will das Elfmeterschießen abschaffen, weil es nicht fair ist. Ihre Meinung dazu?
Palacios-Huerta: Meine Meinung dazu, ist dass er nach den Fakten zwar recht hat, aber falsch in der Maßnahme ist. Es ist nicht fair, weil es keine 50-50 Chance ist, sondern eine 60-40 Lotterie. Denn das Team, welches anfängt, hat eine 60 prozentige Chance. Also entscheidet die Münze schon über den Vorteil. Und das sollte nicht sein. Denn der, der anfängt, hat weniger Druck „nachzuziehen“ und ist daher erfolgreicher. Daher gäbe es andere Vorschläge: Dass du zum Beispiel zwei Spieler aus dem anderen Team zweimal schießen lassen könntest: A B A B A B A B … oder in der Order: A B B A A B B A A B B …
In meinem Buch Beautiful Game Theory: How Soccer Helps Economics, welches gerade im Princeton University Press Verlag erschien, habe ich bewiesen, dass wenn wir dem Tennis folgen würden, hätten wir eine 50-50 Chance. Das wäre also super fair! Und das würde doch sicherlich auch das Elfmeterschießen spannender machen, oder nicht?
torwart.de: Danke für das interessante Gespräch.
Palacios-Huerta: Gerne doch!
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