Lehmann weitgehend beschäftigungslos
Fernsehmann Belá Rethy ist ein äußerst erfahrener TV-Kommentator, er saß bereits
hinter dem Mikro als die meisten der heutigen Jung-Reporter noch mit der Blechpauke
um den Tannenbaum rannten. Eine gewisse Erfahrung und ein Gespür für die Situation
werden ihm also auch die schärfsten Kritiker nicht absprechen können. Rethy
brachte es dann Mitte der zweiten Halbzeit im letzten Test der DFB-Auswahl gegen
Serbien auf den Punkt als er das Bild des Kaugummi-malträtierenden Jens Lehmann
mit dem mystischen Satz unterlegte: „Für Jens Lehmann ist dieser Abend ein Alptraum.
Er war bislang völlig beschäftigungslos.“ Eigentlich ein Widerspruch in sich,
doch was Rethy damit meinte, war folgendes: Jens Lehmann, der in den letzten
Tagen arg in die Kritik geratene erste Mann im deutschen Tor, hatte einfach
kein Gelegenheit bekommen mit seinem Können die Kritiken verstummen zu lassen.
Und dennoch stand es nach einer Stunde Spielzeit in der Arena AufSchalke 1:0
für den Gast und Sparringspartner Serbien. Die erste Möglichkeit, die sich ihnen
bot, hatten die Serben in Person von Jankovic eiskalt genutzt.
Der stolze Lehmann, Uefa-Cup-Sieger, mehrfacher nationaler Meister und WM-Dritter,
war dabei auch noch getunnelt worden. Eine Abwehrmöglichkeit hatte er bei dem
Treffer nicht gehabt. Zu präzise war der Ball durch seine langen Beine gespitzelt
worden. Anschließend hätte sich Lehmann auch der intensiven Rasenpflege widmen
können oder die Einleitung seiner Memoiren verfassen können. Es passierte einfach
nichts mehr in seinem Strafraum. Serbien, das aufgrund seiner nahezu typengleichen
Spielweise zu Deutschlands Vorrunden-Gegner Kroatien eingeladen worden war,
verbarrikadierte neun Feldspieler in der eigenen Hälfte, mit Ausgangssperre.
Einzig Hertha-Wirbelwind Marco Pantelic durfte noch versuchen, der deutschen
Defensive Arbeit aufzubürden. Lehmann kaute weiter fleißig Kaugummi. Mal fand
ein Rückpass den dankbaren Abnehmer, doch ein großer Fußballer wird der Routinier
in diesem Leben nicht mehr.
Viel lieber hätte Lehmann bewiesen, dass er gerade in Drucksituationen sein
Können ausspielen kann. Dann nämlich erfassen seine schnellen Augen jede mögliche
Angriffssituation des Gegners, und sein wortgewaltiges Organ kann jede Defensive
der Welt an die richtigen Positionen dirigieren. Wenn dann mal ein Schuss, eine
Flanke auf Lehmanns Tor fliegt, kommt ihm seine enorme Fangsicherheit zu Gute.
Man muss schon weit zurück gehen in der Lehmannschen Biografie, um einen Fangfehler
des Westfalen aufzudecken. Diese Stärken werden es auch sein, die Joachim Löw
und sein Trainergespann um Torwart-Coach Andy Köpke davon überzeugen im ersten
Gruppenspiel gegen Polen mit Jens Lehmann im Tor zu beginnen.
Aufstellung der deutschen Mannschaft:
Lehmann - Lahm, Mertesacker, Metzelder, Jansen - Frings, Ballack - C. Fritz,
Schweinsteiger - Kuranyi, Gomez
Eingewechselt:
46. Podolski für Lahm 46. A. Friedrich für Mertesacker 70. Rolfes für Frings
70. Neuville für Kuranyi 79. Odonkor für Schweinsteiger 84. Westermann für Jansen
Tore:
0:1 Jankovic (18.), 1:1 Neuville (74.), 2:1 Ballack (82.)