Es gibt Schlagzeilen, die wünscht man selbst seinem schlimmsten Feind nicht. Zum Beispiel: »Europa lacht über Twentes Torwart« aus der »Bild«-Zeitung. Twentes Torwart Sandor Boschker trat am Dienstagabend so herzhaft am Rückpass eines Mitspielers vorbei, dass man hätte meinen können, die Einlage sein einstudiert gewesen. War sie aber nicht. Immerhin: Boschker ist nicht alleine. Kein Torhüter im Profi-Fußball, der sich nicht einmal zum Deppen der Nation gemacht hat. Wir haben die Top5 der Torwartpannen in der Bundesliga gesammelt.
Man weiß ja: Jörg Butt ist kein ganz normaler Torhüter. Der heutige Bayern-Keeper hatte auch schon 2004 eine ganz spezielle Macke: Er schoss gern Tore, bevorzugt vom Elfmeterpunkt. Und weil Butt sich traumwandlerisch sicher Strafstöße versenkte, dass er einmal gar zum Torschützenkönig beim Hamburger SV avancierte (vor Tony Yeboah!), durfte Butt auch am 17. April 2004 gegen Schalke 04 ran. 2:1 steht es für Bayer, als der Schiedsrichter auf Elfmeter entscheidet. Und Butt, kalt wie Eis, netzt ein. 3:1, die Entscheidung kurz vor dem Ende. Zeit für Jörg Butt alle, aber auch wirklich alle Mitspieler herzhaft zu umarmen und abzubusseln. Und als er in seiner eigenen Hälfte angekommen ist, begeht Butt den Kardinalfehler: Mit dem Rücken zum Gegner klatscht er den Fans zu. Schalkes Mike Hanke schaltet am schnellsten und zieht nach dem Anpfiff einfach mal ab. Über den verdutzten Butt fliegt der Ball ins Tor. Butt muss sich in der Folge Hohn und Spott gefallen lassen, auch von den eigenen Kollegen. Denn Bayer gewinnt – selten war ein Torwart-Patzer schöner.
J.M. Pfaff (Foto Firo)
4. Jean-Marie Pfaff / Werder Bremen – Bayern München, 21. August 1982
Als im Sommer 1982 ein junger Lockenkopf aus Belgien beim FC Bayern auftaucht, sind die Erwartungen groß. Denn Jean-Marie Pfaff kommt als kommender Welttorhüter nach München und zeigt im Training gleich mal, was er kann. Dann das erste Spiel, gegen Werder Bremen. 44 Minuten passiert gar nichts, dann bekommt Werder einen Einwurf tief in der gegnerischen Hälfte zugesprochen. Uwe Reinders, der Mann mit dem Schnauzbart, schleudert die Kugel weit, sehr weit. Pfaff will hoch springen, den harmlosen Ball fangen. Doch rutscht über seine Fingerspitzen und ins Tor. Weil der Belgier den Ball berührt hat, zählt das Tor. Werder gewinnt am Ende dank eines Einwurfes mit 1:0. Und Pfaff steht im Regen. »War gar nicht so schlimm«, sagt er Jahre später, »Ich war sofort überall bekannt, im Fernsehen wurde meine Szene überall mehrfach wiederholt.«
T. Wiese (Foto Firo)
3. Tim Wiese / Juventus Turin – Werder Bremen, Champions League, 7. März 2005
Wenn es nicht so weh tun würde, könnten selbst Werder-Fans heute drüber lachen. Doch ein Fehler des bis dahin überragenden Tim Wiese kostete Werder 2005 die erste Viertelfinale-Teilnahme in der Geschichte der Bremer Champions League Teilnahmen. Was war passiert? Eigentlich nicht viel: Ein weiter Ball kurz vor dem Ende auf Wiese, der hechtet dem Ball entgegen, als hätte er zuvor seine Lizenz als Freiflieger bekommen, und will sich danach geschickt mit der Kugel auf dem Rasen ausrollen. Sieht prima aus, hat aber keinen Sinn. Egal, Wiese hat ein großes Spiel gemacht, jetzt gibt es den Zuckerguss. Doch der Ball rutscht dem Bremer aus den Händen, Juventus-Spieler Emerson bekommt einen entscheidenden Zuruf, dreht sich und schießt einfach. Tor. 2.1 für Juve, Werder draußen. Und ein niederländischer Reporter fasst die grausame Szene passend zusammen: »Ei, ei, ei, ei, wat en Drama vor Tim Wiese!«
B. Meier (Foto Firo)
2. Bernd Meier / FC Bayern München – 1860 München, Bundesliga, 11. April 1998
Carsten Jancker ist 1,90 Meter groß, hat breite Schultern, eine schimmernde Glatze und einen Ohrring. Carsten Jancker ist eigentlich nicht zu übersehen. Doch 1860-Keeper Bernd Meier tut im Münchener Derby 1998 genau das: Er sieht Jancker nicht, wirft sich lässig den Ball vor die Füße und muss dann mitansehen, wie Jancker ihn von hinten umkurvt und die Kugel lässig ins Tor schiebt. 2:0 für die Bayern. Die 39. Minute wird Meier sein Leben nicht mehr vergessen, das Spiel auch nicht – es ist sein Letztes für die Löwen.
T. Piplica (Foto Firo)
1. Tomislav Piplica / Energie Cottbus – Borussia Mönchengladbach, Bundesliga, 6. April 2002
Bis heute unerreicht ist der Aussetzer, den Tomislav Piplica im Frühjahr 2002 erleiden musste: Im Spiel Cottbus gegen Gladbach steht es nach 75 Minuten 2:2, die Zuschauer haben ihren Spaß. Auch weil die Sonne scheint. Piplica trägt keine Mütze, Piplica trägt ein dünnes Haarband, das trägt er eigentlich immer. Dumm nur, dass dünne Haarbänder zwar Haare bändigen, aber nicht den Sonnenschein. Der Ball segelt von ganz weit oben auf sein Tor, eine Flugkurve, die doch stark an das Andy-Brehme-Tor von 1990 gegen England erinnert. Nur ungefährlicher. Vielleicht denkt Piplica genau in diesem Moment an Andy Brehme, an die WM 1990 oder an den englischen Fußball, jedenfalls denkt er nicht an den Ball, der da auf sein Tor zufliegt. Piplica bewegt sich einfach nicht und der Ball, tja, der klatscht auf seinen Haarband geschmückten Schädel und von dort ins Tor. Eine fantastische Slapstick-Einlage, die jeder außerhalb von Cottbus auch wahnsinnig komisch findet. Immerhin: Piplica gewinnt später den »Raab der Woche«.