Arnd Zeigler hat viele interessante Jobs. Der Mann ist Stadionsprecher von Werder Bremen, schreibt Bücher über seines Herzensklub und hat eine eigenen Fernsehsendung im WDR. In »Zeiglers Welt« zeigt Zeigler regelmäßig lustige Fundstücke aus dem reichhaltigen WDR-Archiv und weil er selbst auch ein gutes Gefühl für den Gag zur richtigen Zeit hat, unterhält Zeigler sein Publikum zusätzlich mit eigenen Beiträgen. Ein paar Monate ist es schon her, da bat Zeigler mit ernster Miene dem ebenso düster dreinblickenden Dortmund-Trainer Jürgen Klopp vor seine Kamera. Mit Grabesstimme nahm Klopp Stellung zu Zeiglers Vorwürfen, seine Mannschaft sei ja auf dem besten Wege in die größte Krise der Vereinsgeschichte zu schliddern. Klopp sagte, die Mannschaft »hat sich eben nicht an meine Anweisungen gehalten« und jammerte, er müsse sich nun »kritisch selbst hinterfragen, ob ich noch der Richtige bin.« Der TV-Mann Zeigler bohrte unerbittlich weiter und fragte, ob BVB-Torwart Roman Weidenfeller mit seinen 29 Jahren nicht schon längst viel zu alt für die Mannschaft sei. Klopps Antwort: »Den Romand muss ich mir jetzt schön saufen.«
Das Ganze war natürlich ein herrlicher und inszenierter Spaß, Klopps junge Dortmunder hatten mit 4:0 gewonnen und waren an diesem November-Tag schon auf dem besten Wege Deutscher Meister zu werden. Jetzt ist es vollbracht: Durch ein 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg hat sich der BVB die Meisterschaft gesichert. Mit Roman Weidenfeller im Tor. Der ist zwar noch immer 29 und damit der Alterspräsident in einer beinahe jugendlichen Dortmunder Mannschaft, aber mit Weidenfeller ist es wie mit gutem Rotwein: Je älter er wird, desto besser wird er. In dieser offensiven Überraschungself ist es zwar nicht aufgefallen, aber nach 32 Spieltagen hat der BVB erst 19 Gegentore kassiert. 31 Spiele stand davon Roman Weidenfeller im Tor. Sollte die Borussia in den ausstehenden zwei Partien nicht mehr als ein Gegentor kassieren, hat Weidenfeller einen jungen Rekord geknackt, der eigentlich als auf lange Jahre hinaus als unerreichbar galt: Noch nie hat eine Mannschaft in einer Bundesligasaison weniger als 21 Gegentreffer kassiert. Den Rekord hält Oliver Kahn, aufgestellt in seiner Abschiedssaison 2007/08. Und so ist es sicherlich gar nicht so abwegig zu behaupten, dass der beste Torhüter der auslaufenden Bundesligaspielzeit aus Dortmund kommt. Und nicht aus Gelsenkirchen.
Denn so spektakulär Manuel Neuer in dieser Saison zum – möglicherweise – besten Torhüter der Welt gereift ist, so beständig gut waren in den vergangenen Monaten die Leistungen von Roman Weidenfeller. Der Endzwanziger ist mit seiner Routine und seiner Erfahrung der Stützpfeiler im Defensivgerüst der Borussia. Die Innenverteidiger Mats Hummels und Neven Subotic, beide 22, haben erst durch den Rückhalt ihres sieben Jahre und viele Bundesligaspiele älteren Kollegen die Qualität erreicht, die sie in dieser Saison zu einem der besten Verteidiger-Duos gemacht haben. Gutes Abwehrspiel braucht Vertrauen und genau das hat Roman Weidenfeller seinen Vorderleuten in dieser Spielzeit vermittelt. Gegen Nürnberg war das wieder gut zu sehen, als die Borussia nach den schnellen Toren vor lauter Vorfreude vergaß das Spiel vernünftig zu Ende zu führen, war es Weidenfeller, der die Nerven behielt. Vertrauen – das ist ja ohnehin das Fundament des Dortmunder Erfolgs. Jürgen Klopp, der Trainer, gilt als einer der besten Motivatoren der Liga. Kein irrer Schreihals wie Christoph Daum, kein Demagoge wie Louis van Gaal, Klopp hat – zumindest in dieser Saison – eine wesentlich erfolgreichere Ebene gefunden, um mit seinen Spielern zu kommunizieren.
Den Gag mit dem »schön saufen« ist Roman Weidenfeller übrigens nicht losgeworden. Der Spruch des Trainers war eine wunderbare Steilvorlage für den Rest der Mannschaft. Weidenfeller hat auch das ganz souverän weggesteckt und gelacht. Nach dem Spiel am Wochenende hat er dann auch ordentlich mitgemacht bei der kollektiven Schönsauferei. Doch weil sie in Dortmund sowieso nicht blau werden wollen, hat der BVB-Keeper den Alkoholkonsum in angemessenen Grenzen gehalten. Er hat schließlich noch einen Rekord zu knacken.