Seit dem April des vergangenen Jahres ist der Deutsche Christian Schweichler, Torwartrainer der libanesischen Nationalmannschaft. torwart.de sprach mit dem gebürtigen Mülheimer über WM-Träume, Torwartausbildung im nahen Osten und das Leben im Libanon.
torwart.de: Was verschlägt jemanden in den Libanon und warum ausgerechnet die Nationalmannschaft?
Christian Schweichler: Die libanesische Nationalmannschaft hat im letzten Jahr unter der Leitung
von Trainer Theo Bücker ihren größten Erfolg gefeiert und steht in der
finalen, asiatischen Qualifikationsrunde zur WM 2014. Der Verband möchte
diesen Erfolg nachhaltig nutzen und sich auf allen Ebenen weiter
professionalisieren. Dazu zählt insbesondere der Torwartbereich. So wurde
ein Torwarttrainer mit Auslandserfahrung gesucht, der nicht nur die
Torhüter der Nationalmannschaft trainiert, sondern auch über Erfahrungen
im Aufbau einer Torwartakademie verfügt und Lehrtätigkeiten vorzuweisen
hat. Bei dieser Suche empfahl mich Michael Krüger, mit dem ich in Afrika
tätig war. Michael Krüger und Theo Bücker kennen sich als international
tätige Trainer seit Jahren und tauschen sich regelmäßig aus.
torwart.de: Warum bist nicht in Deutschland geblieben?
Schweichler: Ich habe mit 30 Jahren meinen ersten Trainerjob im professionellen Fußball
angenommen. Dies ist ein sehr junges Alter für einen Trainer, insbesondere
für einen Torwarttrainer. Da ich jedoch bereits seit zehn Jahren als
Torwarttrainer tätig war, habe ich mich bewusst für diesen Schritt
entschieden. Dass mich dieser Schritt ins Ausland und nicht zu einem Club
in Deutschland geführt hat, war sicherlich nicht planbar.
Selbstverständlich könnte ich mir auch eine Tätigkeit im deutschen
Profifußball vorstellen. Erste Anfragen diesbezüglich hat es bereits
gegeben. Wenn man jedoch im Ausland um Meisterschaften und Titel spielt,
sich international beweisen kann und dabei die Welt kennenlernt, müsste
ein Engagement in Deutschland schon reizvoll sein, um zurückzukehren.
torwart.de: Was reizt dich an der neuen Aufgabe?
Schweichler: Eine Nationalmannschaft zu trainieren ist immer reizvoll. Ein solches Angebot erhält man nicht alle Tage. Reizvoll ist zudem die Kombination aus
Trainingsarbeit mit dem Team und konzeptioneller Arbeit für den Verband.
In diesen beiden Schwerpunkten liegen auch meine persönlichen Ziele. Mit
der Nationalmannschaft möchte ich selbstverständlich die
Qualifikationsrunde so positiv wie möglich absolvieren. Zudem bin ich
bestrebt, mit dem Aufbau der Torwartakademie Strukturen zu schaffen, die
das Torwartspiel langfristig auf ein höheres Niveau heben.
torwart.de: Wie ist der Stellenwert im Vergleich zu Deutschland?
Schweichler: Der Libanon, mit knapp 4 Millionen Einwohnern, ist selbstverständlich kein
Fußball Schwergewicht. Dennoch hat sich die Nationalmannschaft in Asien
gehörigen Respekt verschafft. Das Erreichen der finalen
Qualifikationsrunde zur WM 2014 in Brasilien ist für das Team und das
gesamte Land ein großer Erfolg.
Mit Roda Antar und Youssef Mohamad stehen zwei erfolgreiche, ehemalige
Bundesligaspieler im Kader. Dazu kommen Spieler, die in Malaysia und den
Vereinigten Arabischen Emiraten für Ihre Clubs am Ball sind. Sie sind
Vorbilder für die jungen Spieler, von denen sicherlich einzelne in der
Lage wären, sich in den obersten Ligen Deutschlands durchzusetzen. Durch
die Erfolge der Nationalmannschaft machen die Spieler nun natürlich auf
sich aufmerksam.
torwart.de: Wie sind die Torhüter zu bewerten im Vergleich zu Deutschland?
Schweichler: Die Torwartausbildung lässt leider generell auch im arabischen Raum noch
immer zu wünschen übrig. Die ideale Ausführung torwartspezifischer
Grundtechniken sowie ein taktisch optimal ausgerichtetes Positionsspiel,
insbesondere in der Strafraumbeherrschung, stellt viele Torhüter vor große
Probleme. Ein regelmäßiges, individuelles Torwarttraining auf qualitativ
hochwertigem Niveau kann jedoch zu einer positiven Entwicklung auch in
kurzer Zeit führen. Ich denke, die erzielten Erfolge und Leistungen der
Torhüter bestätigen dies.
Mit Abbas Hassan steht ein Torwart im Kader, der in Europa seine
Ausbildung genossen hat und alles mitbringt, was einen guten Torwart
ausmacht. Bei den übrigen libanesischen Torhütern steht auf Grund der
Altersstruktur ein Generationswechsel an. Es gibt einzelne hoffnungsvolle
Talente, die nun an das gewünschte Leistungsniveau herangeführt werden
müssen.
torwart.de: Wie sind die Bedingungen im Vergleich zu Deutschland?
Schweichler: Ein seriöser Vergleich verbietet sich fast. Die Bedingungen sind
wesentlich schwieriger. Hinsichtlich der mangelnden Infrastruktur und den
immer wieder auftauchenden Widrigkeiten grenzt es an ein Wunder, was unser
Cheftrainer Theo Bücker in der Vergangenheit aufgebaut hat und wir mit dem
Einzug in die finale, asiatische Qualifikationsrunde noch immer im Rennen
sind, uns für die Weltmeisterschaft 2014 zu qualifizieren.
torwart.de: Wie ist das Umfeld (Stadion/Fans)?
Schweichler: Stolz ist man im Libanon auf das Camille Chamoun Sports City Stadion,
einer knapp 60.000 Zuschauer fassenden Schüssel, die für die
Asienmeisterschaft 2000 erneuert wurde. Hier finden Ligaspiele ebenso
statt wie unsere Spiele mit der Nationalmannschaft. Daneben gibt es noch
zwei weitere, kleinere Stadien.
Die fußballbegeisterten Libanesen waren als Folge des Bürgerkriegs 2006
vom Besuch der Ligaspiele für mehrere Jahre ausgeschlossen. Langsam bildet
sich nun wieder eine Fankultur. Zu welch einer fantastischen Stimmung Sie
jedoch in der Lage sind, zeigten Sie bei unserem Qualifikationsspiel gegen
Katar vor vollen Rängen zu Beginn dieser Qualifikationsrunde.
torwart.de: Vielen Dank für das Interview!
Schweichler: Gerne.
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