torwart.de: Du bist die Nachfolge von Rüdiger Vollborn angetreten. Ist das eine große Bürde für dich?
Thiel: Es gab für mich ja eine Übergangsphase mit ihm. Rüdiger Vollborn hat hier sehr gute Arbeit geleistet, ich konnte sehr viel von ihm erlernen. Ich bin ja auch seiner Schiene entsprungen. Klar, konnte ich einiges von ihm übernehmen, aber ich versuche auch, eigene Schwerpunkte zu setzen.
torwart.de: Wie ist deine Meinung zur Torhütertrainerlizenz, die es ja nun gibt in Deutschland.
Thiel: Für mich ist die Ausbildung der Torwarttrainer eine wichtige Sache. Ich habe mich lange damit beschäftigt und zwei dieser Lizenzen absolviert, die Basis-Lizenz bilde ich selbst aus. In Zukunft soll es noch eine dritte Stufe geben – die Profilizenz. Qualitätsstandards zu haben ist wichtig. Da stecken wir aber noch in den Kinderschuhen und dort wird sich in Zukunft noch einiges tun.
torwart.de: Wie wichtig sind Videoanalysen für dich?
Thiel: Die Videoanalyse ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Nach den Spielen werten wir die Leistungen der Torhüter ohnehin aus, aber auch im Training setzen wir es gezielt ein. Im Lizenzbereich ist das natürlich einfacher als bei den Jugendmannschaften, weil man dort auf mehr Filmmaterial zurückgreifen kann.
torwart.de: Kümmerst du dich auch um das Scouting?
Thiel: Im letzten Jahr hatte ich das ganz intensiv gemacht sowohl für den Lizenz- als auch für den Jugendbereich und werde dies auch weiterhin tun.
torwart.de: Wie seid ihr im Verein mit den Torwarttrainern aufgestellt?
Thiel: Es gibt vier weitere Torwarttrainer im Verein. Einer davon ist hauptamtlich tätig. Wir fahren dabei eine einheitliche Linie. Ich denke, es ist immer ungünstig, wenn man mehrere Torwarttrainer hat und diese eine jeweils andere Auffassung des Torwartspiels haben. Von daher bin ich ganz froh, dass wir eine klare Linie haben, wobei aber natürlich jeder auch seinen eigenen Touch mit einbringen soll.
torwart.de: Wie sieht ein Anforderungskatalog für einen jungen Torhüter in der Jugend aus, der zu euch möchte? Wie wichtig ist dabei beispielsweise die Größe?
Thiel: Wir haben gewisse Anforderungsprofile für die einzelnen Altersbereiche, die im Detail jetzt aber zu weit gehen würden. Zum Stichwort Größe: Für uns ist das nicht allesentscheidend, aber ein Torwart mit 170cm Größe wird es natürlich schwer haben, sich durchzusetzen. Ein kleinerer Torwart um 185cm Größe kann aber auch gewisse Qualitäten mit sich bringen. Wir legen dabei Wert auf eine gute TW-Technik, aktive Raumverteidigung und präzisen Spielaufbau.
torwart.de: Es kommt immer häufiger der Vorwurf auf, der moderne Keeper sei zwar gut beim Mitspielen, aber auf der Linie vernachlässige er mittlerweile seinen Job. Wie stehst du dazu?
Thiel: In Deutschland sind wir immer noch in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Aber es stimmt: Wichtig ist, dass der Torwart die Bälle auf der Linie hält. Es hat niemand was davon, wenn der Torwart einen guten Ball spielen kann, aber auf der Linie patzt. Deshalb ist das wichtigste, immer noch ganz altmodisch, die Torverteidigung. Unter dem Strich aber muss der Torwart heute mehr leisten als früher, das Spiel ist etwas komplexer geworden. Denn natürlich wird von ihm auch ein sicheres Flankenspiel erwartet, was sicherlich zu den schwierigsten Situationen zählt, da sowohl Material als auch Technik der Spieler in den letzten Jahren immer besser und unberechenbarer geworden sind. Und zuletzt muss ein Torwart nicht nur gute fußballerische Fähigkeiten besitzen, sondern auch noch ein Verständnis für den richtigen Spielaufbau mitbringen.
torwart.de: Kannst du noch etwas zur Arbeit mit deiner Nummer eins, Bernd Leno, sagen?
Thiel: Es macht natürlich Riesenfreude, mit ihm zu arbeiten. Er will ständig lernen und anpacken im Training. Bernd verfügt über eine ganz hohe Qualität. Zudem überzeugt mich, dass er einen wirklich guten Charakter besitzt. Trotz des Höhenfluges der letzten Saison blieb er ganz auf dem Boden und setzt sich klare, realistische Ziele.
torwart.de: Wo siehst du dich in fünf bis zehn Jahren?
Thiel: Es ging alles relativ schnell für mich. Natürlich habe ich den Anspruch, immer besser zu werden und auch mich weiter zu entwickeln. Aber im Moment möchte ich mich voll und ganz auf diese Aufgabe konzentrieren. Dabei sehe ich nicht mich an erster Stelle, sondern die Keeper. Das war im Jugendbereich so und ist nun bei den Profis ebenfalls so. Und dabei zählt für mich: Stillstand ist Rückschritt.
torwart.de: Danke für das interessante Gespräch, David.
Thiel: Sehr gerne.
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