Die Three Lions stehen dank einer massiven Abwehr im Viertelfinale und mussten während des gesamten Turniers noch kein einziges Gegentor hinnehmen. Auch gegen die deutsche Nationalmannschaft ließen die Engländer trotz deutlich weniger Ballbesitzes nur 3 große Torchancen im gesamten Spiel zu. So begann die Partie etwas zerfahren. Die Engländer waren von Anfang an um defensive Stabilität bemüht, wodurch der Gegner nur durch Werner zu einer Chance im ersten Durchgang kam. Nach einer halben Stunde wurde Werner mit einem Steckpass von Havertz in Szene gesetzt und lief auf halblinks auf das Tor zu. Pickford kam zwei Schritte entgegen und machte sich ganz breit, wenngleich er etwas auf die kurze Ecke spekulierte und seinen Oberkörper in dieser Richtung bewegte. Letztlich konnte er aber die erste gute Möglichkeit der Deutschen mit dem Fuß abwehren. Werner hätte Pickford nur mit einem leichten Lupfer über das ausgestreckte linke Bein des Torwart überwinden können. Dieses technische Finesse gelang Werner jedoch nicht.
Die zweite Halbzeit war wenige Minuten alt als Havertz mit einem Schuss von der Strafraumkante Pickford erneut prüfte. Der Schuss kam zwar zentral auf Pickford zu, doch flog dieser verdeckt und mit großer Wucht auf das Tor, sodass Pickford nur wenig Reaktionszeit hatte. Der Keeper konnte aber mit einer guten Reaktion und einer Hand den Ball noch stark über das Tor befördern. Pickford zeigte dabei seine technische Brillanz.
Was ein vielversprechender Start in den zweiten Durchgang hätte sein können, erwies sich aber als einziger Höhepunkt der Partie für die nächsten fast 30 Minute, ehe England mit 1:0 in Führung ging.
Kurz nach der eigenen Führung hatte Müller nach einem Ballverlust von Sterling im Mittelfeld die große Chance auf den Ausgleich. Müller wurde nach einem Abspielfehler von Sterling vom guten Havertz auf die Reise Richtung englischen Tor geschickt. Er dribbelte noch 10 Meter und kam am Stafraum relativ unbedrängt zum Abschluss, den er um einen halben Meter neben das englische Tor setzte. Pickford verkürzte noch die Distanz und befand sich während des Schuss am Elfmeterpunkt. Pickford hatte dabei etwas Glück, denn er spekulierte auf die linke Torwartecke und gab seine rechte Ecke frei. Hätte Müller präziser abgeschlossen, wäre Pickford ohne Chance gewesen und Deutschland hätte noch eine Chance auf das Achtelfinale gehabt.
Durch das zweite Tor kurz darauf war die Partie entschieden. Die deutschen versuchten noch mit langen Bällen in die englische „Box“ mit der Brechstange einen Treffer zu erzielen. Doch weder die großgewachsenen Kopfball starken Innenverteidiger noch Jordan Pickford ließen sich dabei in aus der Ruhe bringen und keine Gefahr für das englische Tor aufkommen.
Pickford spielte eine fehlerfreie Partie. Die wenigen Chancen der Deutschen parierte er sehr gut. Auffällig war jedoch sein hervorragende linker Fuß. Mehrfach spielte er sehr gut getimte Bälle auf die schnellen englischen Spitzen und hinter die deutsche Kette. Auch mit dem rechten Fuß passte Pickford sicher zu seinen Mitspielern und streute auch mit seinem schwachen Fuß den ein oder anderen Flugball ein, der seinen Abnehmer fand. England hat mit Pickford einen hervorragenden Torwart im Turnier, der zweifelsohne einen große Beitrag zu weißen Weste der englischen Mannschaft beitragen konnte.
Pickford trifft jetzt mit England am kommenden Samstag in Rom auf die Ukraine und ist leicht favorisiert. Die Osteuropäer feiern mit dem Einzug ins Viertelfinale einen großen Erfolg und können gegen die Engländer unbeschwert aufspielen. Pickford wird gegen die unberechenbaren Stürmer der Ukraine erneut eine konzentrierte und fehlerfreie Leistung zeigen müssen, um ins Halbfinale einziehen zu können.
Die Reise für die deutsche Nationalmannschaft ist vorüber. Sie scheidet durchaus nicht unverdient aus, nachdem man offensiv zu wenig Gefahr ausstrahlte und defensiv in den entscheidenden Lücken offenbarte. Dabei war das Spiel nahezu über die gesamten Minuten hinweg eher von Ballbesitzphasen im Mittelfeld geprägt, wodurch im allgemeinen Torchancen eher selten waren.
So hatten die Three Lions in der ersten Halbzeit aus dem Spiel heraus nur zwei gefährliche Chancen. Die erste dabei hatte Sterling mit einem Schlenzer aus 22 Metern. Manuel Neuer war aber auf dem Posten und konnte den halbhohen Versuch mit beiden Händen ins Toraus lenken.
Gefährlichkeit zeigten die Engländer auch bei den vielen Eckbällen und Freistößen, die brandgefährlich in den deutschen Strafraum gespielt wurden. Dabei konnte Neuer nur selten seine Linie verlassen, da die Flankenbälle sehr gut getimt waren und in den Raum zwischen Fünfer und 11-Meterpunkt gespielt wurden. Die deutsche Verteidigung war jedoch in den meisten Fällen gut auf die Bälle eingestellt und ließ fast keine Bälle auf das Tor von Neuer zu.
Nachdem das Spiel der Halbzeitpause entgegen plätscherte, sorgte Thomas Müller für die größte Chance des Spiels der Engländer in der 1. Halbzeit. Der Routinier wurde im rechten Mittelfeld angespielt und ließ den Ball technisch unsauber und zu kurz auf Ginter zurückklatschen. Sterling nutzte den Stockfehler des Bayern Spielers, eroberte den Ball und zog mit Tempo in den Strafraum. Vier (!) deutsche Abwehrspiele konnten den pfeilschnellen und mutigen Sterling stoppen, fälschten aber den Ball unglücklich zum freien Kane ab. Dieser reagierte blitzschnell legte sich den Ball jedoch etwas zu weit auf den rechten Fuß. Neuer versuchte diesen Ball im Fallen anzugreifen, was nicht gelang. Kurz bevor Kane den Ball ins Tor schieben konnte, rettete Hummels im Fallen und klärte den Ball mit sehr viel Glück aus der Gefahrenzone.
Bis in die Schlussphase hinein passierte dann auch im zweiten Durchgang wenig. Die Engländer kamen höchstens durch Standardsituationen in Tornähe. Die Versuche, die abzufangen waren, konnte Neuer auch jeweils ohne Probleme sichern. In der 75. Minute sorgte Sterling für die Vorentscheidung. Wieder einmal wurde die deutsche Hintermannschaft mit einer flachen Hereingabe überwunden. Shaw spielte diese flach in die Mitte zu Sterling, der ohne großen Druck nur noch einschieben musste. Neuer stand bei der Hereingabe am kurzen Pfosten, machte dann einen Schritt in die Mitte und legte bereits das Knie auf den Boden, ohne dass Sterling in der Mitte bereits am Ball war. Somit konnte der Torwart den fehlenden Schritt anschließend nicht mehr machen, um den Treffer doch noch zu verhindern.
6 Minuten vor dem Ende erhöhte Kane erneut nach einer Hereingabe auf 2:0 und sorgte für die Entscheidung. Grealish spielte wieder von der linken Seite in die Mitte und Kane musste 6 Meter vor dem Tor nur noch den Kopfball in die Flanke halten. Neuer, der mitunter in der Partie ein wenig angespannt wirkte, war diesmal machtlos und sprang vergebens hinterher. Dies bedeutete gleichzeitig den Schlusspunkt der Partie. Die deutsche Nationalmannschaft verabschiedet sich erneut früh aus einem Turnier.
So endet mit den Ausscheiden der deutschen Mannschaft auch eine bedeutsame Verbindung zwischen Trainer Löw und Torwart Manuel Neuer. Löw schenkte 2010 bei der WM in Südafrika dem jungen Neuer das Vertrauen. Neuer zahlte dieses Vertrauen bei vielen Turnieren und dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 an seinen Trainer zurück. „Ich habe nach dem Spiel zu Jogi Löw rausgesehen und hatte ein sehr trauriges Gefühl. Löw hatte eine klasse Ära geprägt, und dass es so endet, ist natürlich schade und sehr traurig“, äußerte sich Neuer unmittelbar nach dem Spiel.
Aufstellung England:
Jordan Pickford - Maguire, Stones, Walker - Shaw, Rice, Phillips, Trippier - Sterlin, Kane, Saka