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Thomas Zander - "hautnah" bei torwart.de (14.02.07)

"Früher hatten die Torhüter mehr Zeit zum Reagieren!"


Thomas Zander spielte 161-mal zwischen 1969 und 1981 in der Bundesliga für Hertha BSC und den TSV 1860 München. Nach dem Abstieg der Münchner Löwen im Sommer 1981 war er in der Saison 81/82 noch 33-mal für die Sechzger in der 2.Liga aktiv.

Durch Lizenzentzug und dem folgenden Zwangsabstieg von 1860 beendete Thomas Zander 1983 seine aktive Karriere in der Bayernliga. Später war er noch für ein halbes Jahr als Trainer für die Löwen tätig. Durch seine Trainertätigkeiten beim damaligen Bayernligisten TSV 1860, beim TSV Allach und der SpVgg Starnberg blieb er somit nur dem fußballkundigen Publikum im Großraum München einige Zeit im Bewusstsein.

Dann wurde es still um den Torwart, der in den 70er Jahren zu den etablierten Bundesligaspielern zählte.

Grund genug für torwart.de, sich mit dem damaligen Leistungsträger von 1860 München zu treffen und ein Gespräch über die Trainingsmethoden der 70er-Jahre und die Torhüter der damaligen Zeit im Allgemeinen zu führen.

torwart.de: Sie spielten lange Jahre für Hertha BSC und dem TSV 1860 in der Bundesliga sowie in der 2.Liga. Wie ging es nach Beendigung Ihrer aktiven Laufbahn 1983 weiter?

Thomas Zander: Nach meiner aktiven Karriere absolvierte ich eine Trainerausbildung, die ich mit dem A-Schein abschließen konnte. Obwohl ich zusätzlich Sport studiert hatte und somit beste Qualifikationen als Übungsleiter vorweisen konnte, bestand damals im näheren Ortsbereich an Trainern mit meinen Erfahrungen kein Bedarf.
Natürlich hätte ich auch Engagements in anderen, weiter entfernten Städten an-nehmen können. Doch ich wollte meiner Familie die ständigen Umzüge ersparen. So stieg ich ins Versicherungsgeschäft ein, welches lange Jahre meine berufliche Heimat blieb.
Ganz vom Sport abgewandt hatte ich mich allerdings nie, denn ich spielte zehn Jahre als Mittelstürmer für den FC Schmiere, der Mannschaft vom bekannten Kabarettisten Sammy Drechsel. Weiter nur im Tor zu spielen, wäre mir zu eintönig gewesen. Meine große Leidenschaft ist bis zum heutigen Tag Tennis, dass ich mit großer Begeisterung spiele.

torwart.de: Sie waren nach Ihrem Karriereende auch als Trainer tätig. Haben Sie weitere Tätigkeiten als Trainer, vielleicht sogar im bezahlten Fußball, nicht gereizt?

Thomas Zander: Ich habe nach 1988 die Amateurklubs vom TSV Allach und der SpVgg Starnberg trainiert. Dort musste ich jedoch sehr schnell feststellen, dass neue Fachkenntnisse über Trainingsinhalte und Konzepte zur Spielgestaltung nicht gefragt waren. Im Amateurfußball definiert sich ein Verein oft über seinen Hauptsponsor. Dieser will nur den schnellen Erfolg sehen. Langfristiges Arbeiten und der behutsame, qualifizierte Aufbau einer Mannschaft ist weder gefragt, noch möglich. Ich habe dann bewusst einen anderen Weg im Bereich des Sports gewählt.

torwart.de: Wenn Sie das heutige Torhüterspiel mit den Anforderungen an die Keeper der 70er-Jahre vergleichen: Welche gravierenden Unterschiede fallen Ihnen auf?

Thomas Zander: Das Spiel sowohl für die Torhüter als auch für die Feldspieler ist schneller geworden. Als Beispiel möchte ich hier die legendären Bananenflanken von Manni Kaltz (HSV) anführen: Als Torhüter hatte man damals Zeit und auch ausreichend Platz im Strafraum, sich auf seine speziell geschlagenen Flanken einzustellen. Das wäre in dieser Form heutzutage nicht mehr möglich, da die Torhüter viel mehr bedrängt werden. Außerdem haben die modernen Keeper noch jede Menge Zusatzaufgaben zu bewältigen: Früher spielten wir bekanntlich mit einem Libero. Heute muß der moderne Torwart selber fußballerische Fähigkeiten haben, um bei Bedarf die Rolle als Libero ausfüllen zu können.
Jens Lehmann gilt als einer der Keeper, die das moderne Spiel vorleben. Früher hätte sein Libero ihn irritiert zurechtgewiesen, dass ein Torwart seinen Kasten zu hüten habe – und nicht mehr! Eine Ausnahme ist sicherlich Radi vom TSV 1860.

torwart.de: Wie sah denn ein typisches Torwarttraining in der 70er-Jahren aus? Gab es qualifiziertes Trainingspersonal oder musste der Keeper im Training der Feldspieler mitlaufen und torwartspezifisches Training selbst organisieren?

Thomas Zander: Oft haben das Torwarttraining die Co-Trainer übernommen. Allerdings waren das oft fachfremde Trainer, die in ihrer aktiven Zeit z.B. als Stürmer gespielt haben. Wie soll also ein ehemaliger Stürmer einem Torhüter richtiges Verhalten bei Eckbällen beibringen? Ich hatte während meiner Laufbahn das Glück, dass ich aufgrund meines Sportstudiums über notwendige Fachkenntnisse der Trainingsarbeit verfügte. So konnte ich oft genug die Einheiten des Torwarttrainings selber gestalten, dass ich mit dem Reservekeeper durchführte. Einen eigenen Torwarttrainer zu verpflichten, dass wäre damals als sehr exotisch angesehen worden.
Nachdem ein Torwarttrainer aber mittlerweile bei den meisten Vereinen zum Standard gehört, haben die Keeper der heutigen Generation einen höheren Leistungsstand, als wir es damals hatten.

torwart.de: Wie sahen die Trainingsabschnitte aus, die von den Co-Trainern übernommen wurden? War der Torhüter wirklich Einzelkämpfer und mußte froh sein, wenn sich der Masseur bereit erklärte, ein paar Fangübungen zu machen? Wie war das Verhältnis der Nr.1 zum Trainer?

Thomas Zander: Dazu muß man wissen, dass sich der Fußball lange gegen wissenschaftliche Erkenntnisse gewehrt hat. Hätte man beispielsweise Sportpsychologen beschäftigt, wäre man vom Publikum, den Medien und den Ligakonkurrenten ausgelacht worden.
Früher waren die Trainer, die häufig als Quereinsteiger in eine solche Position gelangten, echte Patriarchen. In Trainingslagern und auf dem Sportplatz herrschten teilweise kasernenähnliche Zustände. Und so wurde auch das Training gestaltet: Die Spieler hatten nach dem Training völlig erschöpft und ausgelaugt zu sein. Nur was hart machte, war auch gut. Sinn und Zweck der einzelnen Übungseinheiten wurden von uns Spielern selten hinterfragt, gerade als junger Spieler war man froh, überhaupt im Kader dabei sein zu dürfen.
An eine unsinnige Übung erinnere ich mich recht gut: Der Torwart lag auf dem Rücken und der Trainer warf dem Spieler einen Medizinball mit voller Wucht in den Bauch. Diese Würfe sollten der Abhärtung dienen. Meines Wissens kam diese Übung aus dem Boxen. Für Torhüter war sie jedenfalls völlig ungeeignet, doch sie dokumentiert den damaligen Zeitgeist der Trainingsinhalte.

torwart.de: Würde ein Torhüterkollege aus Ihrer aktiven Zeit noch heute in der Bundesliga und 2.Liga bestehen können?

Thomas Zander: Keinesfalls! Heute wird intensiver und wissenschaftlicher trainiert. Außerdem war das Spiel damals bedeutend langsamer und überschaubarer. Ich erwähnte ja bereits, dass die Torleute viel mehr Zeit zum reagieren hatten. So denke ich, dass Keeper aus meiner Generation heutzutage arge Schwierigkeiten hätten.

torwart.de: Wir sprachen bereits darüber, dass heutzutage jeder Torwart mindestens über durchschnittliche Feldspielerqualitäten verfügen muß, um auch die Rolle eines zusätzlichen Abwehrspielers übernehmen zu können. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser Aussage, die auch das Spiel des modernen Keepers symbolisiert?

Thomas Zander: Auch damals waren die Bundesligatorhüter schon gute Fußballer, die gerade im Training oft im Feld gespielt haben. Ich selbst wollte eigentlich immer Stürmer sein und Tore schießen, doch einem Trainer fiel meine besondere Begabung im Tor auf.
In der Jugend kam es oft vor, dass ich in der ersten Halbzeit im Tor gespielt habe. Wenn es für meine Mannschaft nicht gut lief, ging ich in der 2.Halbzeit ins Feld.

torwart.de: Welche Entwicklung ist bei den Torleuten in den letzten 15 Jahren generell zu beobachten: Eine Position, in der noch viel Potential schlummert oder wird die Nr. 1 sogar überfrachtet mit den aktuellen Entwicklungen im Torhüterspiel? Wohin geht der Weg?

Thomas Zander: Ich denke, weder mit Regeländerungen, noch mit verbesserten Trainingskonzepten kann man viel aus der Position des Torhüters herausholen. Eher wird man ver-suchen, die Sportler verstärkt wissenschaftlich zu begleiten. Auch der Mediziner wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

torwart.de: In den letzten Jahren wurden die Aufgaben des Torhüters ständig neu definiert und erweitert. Doch früher hieß es, dass Linksaußen und Torhüter angeblich seltsame Zeitgenossen waren. Können Sie dem zustimmen oder kam der Nr. 1 auch zu Ihrer Zeit bereits seine ganz besondere Rolle zu?

Thomas Zander: Torhüter sind immer etwas Besonderes: Sie unterscheiden sich nicht nur optisch von ihren Teamkollegen, sondern sie dürfen als einzigster Spieler ihrer Mannschaft den Ball mit der Hand spielen. Meistens haben sie eine Sonderrolle innerhalb des Mannschaftgefüges. Ein Torwart braucht die besondere Achtung seiner Mannschaft und seines Trainers. Denn jeder Spieler weiß: Hat unser Keeper heute einen schlechten Tag, können wir gar nicht so viele Tore schießen, wie wir dann noch zum Sieg bräuchten.

torwart.de: Stichwort Stammplatz: Schon immer hat die Stammplatzfrage auch bei den Keepern der Nationalelf für Aufregung gesorgt. In den 70ern hieß das Duell Maier gegen Kleff, in den 80ern versuchte Uli Stein den Stammplatz von Toni Schumacher zu erobern und in den 90ern gab es den Zweikampf Köpke – Kahn. Auch vor der WM 2006 war die Torwartfrage lange offen. Braucht der Torwart das unbedingte Vertrauen des Trainers oder wirkt der tägl. Konkurrenzkampf sogar leistungsfördernd?

Thomas Zander: Das kommt auf die beteiligten Menschen an. Für mich selber war es immer sehr wichtig, dass mir mein Trainer das Vertrauen schenkt und mich als Nr. 1 nominierte. Bei einem permanenten Wechsel hätte man mich wohl verunsichert. Meines Erachtens sind dauernde Wechsel nicht leistungsfördernd, da sich die Abwehrspieler jedes Mal aufs Neue auf ihren Tormann mit seinen Stärken und Schwächen einzustellen hat. Der Torwart muß im Spiel nervenstark, wachsam und hoch konzentriert sein. Das kann er aber nur bedingt, wenn er in ständiger Furcht vor Fehlern lebt.

torwart.de: Verglichen mit vielen anderen großen Fußballnationen bringt Deutschland viele gute Torleute hervor. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Thomas Zander: Vermutlich wird in anderen Ländern anders trainiert und nach Talenten gefahndet. Nehmen Sie als Beispiel Brasilien oder Argentinien: Jeder Fußballer möchte unbedingt als Offensivkraft glänzen und viele Tore schießen. An Torhüterausbildung denkt da keiner. Oder vielleicht wird in diesen Ländern auch die Position des Tor-warts in der Jugendarbeit nicht richtig gefördert?

torwart.de: Welche Ratschläge können Sie Keepern von Amateurvereinen geben, um sich weiter zu verbessern?

Thomas Zander: Es reicht nicht, nur Talent mitzubringen. Ich sollte mich vielmehr einem Verein anschließen, der einen qualifizierten und engagierten Torwarttrainer beschäftigt und der eine fundierte Ausbildung durchführt. Es versteht sich von selbst, dass sich großer Trainingsfleiß auch in den Leistungen des jeweiligen Keepers widerspiegelt.
Doch ganz entscheidend wird auch sein, wie viel Zeit ich aufgrund anderer Verpflichtungen wie Job oder Studium, Freundin oder Familie investieren kann und will.

torwart.de: Herr Zander, wir danken für das Gespräch und wünschen für die Zukunft alles Gute!

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