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WM-Frauen: Die Frau dahinter

von Alex Raack


Schuften für den Erfolg: Die Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen sind auch für die Partner der deutschen Spielerinnen eine besondere Zeit - und für die Partnerinnen. So wie für DFB-Torfrau Ursula Holl und ihre Gattin Carina.

Es war der 18. Juni 2010. In Port Elizabeth, Südafrika, verliert die deutsche Nationalmannschaft ihr zweites WM-Gruppenspiel 0:1 gegen Serbien, Lukas Podolski verschießt einen Elfmeter. Ein grauer Tag für Fußball-Deutschland. In Köln aber scheint die Sonne - und zwei Frauen strahlen mit ihr um die Wette. Ursula Holl gibt ihrer Freundin Carina das Jawort. Warum sie geheiratet habe? Was für eine Frage! "Weil ich Carina liebe, weshalb denn sonst", sagt Holl.

Die 28-Jährige sitzt an einem wackligen Tisch in der Kölner Südstadt. Sie ist Ersatztorhüterin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Schulterlange Haare, durchtrainierte Figur, dunkler Teint: Ursula Holl ist eine hübsche Frau. Die Augen ruhen konzentriert auf ihrem Gegenüber, jede Antwort kommt mit Bedacht. Bei den ersten Fragen scheint es, als würde sie jeden Moment einen satten Schuss in den Winkel erwarten. Ihre Frau ist da anders. Carina hat kurze blonde Haare, kleine Lachfalten um die Augen. In einer Rosamunde-Pilcher-Verfilmung wäre sie die heitere Lebenslustige und ihre Frau die stille Geheimnisvolle.

Kennengelernt haben sich die beiden 2006. Die Sportwissenschaftlerin Carina führte beim Bundesligisten 1. FFC Frankfurt eine Studie zur Sprintverbesserung durch. Torhüterin Ursula lief artig mit. Nach drei Monaten waren sie zusammen, Studie erfolgreich abgeschlossen. Natürlich sind Ursula und Carina Holl kein normales Paar, jedenfalls nicht für die breite Öffentlichkeit. Nachdem die "Bild"-Zeitung Anfang des Jahres über die "Torfrau, die mit einer Frau verheiratet ist", berichtete, erhielt das Ehepaar Holl mehr als ein Dutzend Medienanfragen. Fast alle wurden höflich abgesagt, auch die von diversen homosexuellen Organisationen. Als lesbisches Zugpferd wollte sich die Torhüterin vom FCR Duisburg nicht einspannen lassen.

Aber eine Kickerin, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennt, ist auch im Frauenfußball immer noch eine große Sache. Das Ehepaar Holl ist eine kleine Attraktion. "Pfft", macht Ursula Holl. Eine Attraktion will sie sein, das schon. Aber bitte als sprunggewaltige Torhüterin auf dem Fußballplatz und nicht als Frau, die mit einer Frau verheiratet ist. In der Nationalelf ist an Nadine Angerer zwar kein Vorbeikommen. Dennoch ist Holl eine der erfolgreichsten Fußballerinnen des Landes: Welt- und Europameisterin, Uefa-Cup-Siegerin, mehrfache Deutsche Meisterin, DFB-Pokalsiegerin. Ihre Gattin hat ein ansteckendes Lachen. Wenn sie erzählt, hört man gerne zu. Als Spielerinnen-Frau lebt es sich in den Wochen der WM-Vorbereitung allerdings ziemlich einsam. Die Frau des DFB-Teampsychologen Arno Schimpf hat vor kurzem ausgerechnet, wie viele Tage sich Fußballerinnen und Partner in den gut vier Monaten vom Beginn der Vorbereitung bis zum möglichen WM-Finale sehen werden: 23.

Weil alles andere als der Titelgewinn eine Enttäuschung wäre, hatte Bundestrainerin Silvia Neid ein straffes Programm zusammengestellt. Wochenlang schuftete das Team in Sportschulen, ein Kasernenleben mit strikter Vorgabe: Fußball trainieren, Fußball leben, Fußball denken. "Ich nenne das immer betreutes Wohnen mit Animationsprogramm", sagt Carina Holl. In der gemeinsamen Wohnung hängt ein Terminkalender. Der 26. Juni 2011 ist mit rotem Filzstift dick eingekreist. Eröffnungsspiel in Berlin, die erste Partie der DFB-Frauen, Deutschland gegen Kanada. Das große Ziel, Grund für all die Schinderei. Auch für Ursula Holl, die bei der WM höchstwahrscheinlich nicht zum Einsatz kommen wird und sich zudem seit Monaten mit einer Beckenverletzung quält. Ihre Motivation: "Ich will jeden Tag beweisen, dass ich mehr als nur eine Alternative bin." Das kostet Kraft, physisch und psychisch.

"Wenn die Ursula nach Hause kommt", beschreibt Carina ihren Alltag, "dann braucht sie erst mal eine halbe Stunde für sich. Wenn sie dann immer noch still ist, weiß ich, dass sie einen schlechten Tag hatte." Vom Kasernenleben zurück ins normale Leben mit fußballfremden Sorgen und Nöten - auch das ist ein Spagat, den die deutschen Fußballerinnen im Frühjahr 2011 bewältigen müssen. In der Kölner Südstadt brennt wieder die Sonne vom Himmel. Das könnte ein schöner Sommer werden, nicht nur für die deutschen Fußballfrauen. Ursula Holl verzieht das Gesicht, das verletzte Becken schmerzt noch immer. Ihre Frau schaut besorgt über den Tisch: "Manchmal würde ich mir schon wünschen, dass die Ursula einen anderen Beruf ausübt. Vielleicht Ballett." Ursula Holl lacht laut auf und sagt: "Großer Gott!" Sie schaut auf die Uhr. Die Augen blitzen, der Schalter im Kopf ist umgelegt. In zwei Stunden beginnt die nächste Trainingseinheit. Fangen, springen, fausten, rennen. Zurück ins betreute Wohnen mit Animationsprogramm. Und daheim sitzt jemand und wartet.


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